Man verlässt immer mal wieder die eigenen vier Wände, nutzt andere Orte, gerne auch den öffentlichen Raum. Oder ist auf der Suche nach Kooperationen, nimmt es mit Herausforderungen des gesellschaftlichen wie politischen Lebens auf. Gern konfrontiert man das Publikum mit Aktualitäten, stellt immer wieder dem Damals das Heute gegenüber, »vergleicht ohne gleichzusetzen« und ist recht spontan.
So in etwa lässt sich die Programmlinie beschreiben, die Barbara Staudinger, seit September 2018 Leiterin des Jüdischen Museums Augsburg Schwaben, verfolgt.
Für 2020 hat sie wieder neue Ideen, neue Ausstellungen, ein neues Programm. Noch bis Ende März dieses Jahres läuft im Textil- und Industriemuseum Augsburg die Ausstellung »Die Stadt ohne. Juden Ausländer Muslime Flüchtlinge«. Sie ist in Kooperation mit dem NS-Dokumenta-tionszentrum München entstanden, wo sie bereits zu sehen war.
Stummfilm Ausgangspunkt der Präsentation ist Hugo Bettauers Roman Die Stadt ohne Juden, der 1922 erschienen ist und zwei Jahre später verfilmt wurde. Bettauer erzählt darin die skurrile Geschichte, in der sich Menschen innerhalb einer fiktiven Großstadtgesellschaft – es könnte Wien, Berlin oder Utopia sein – nach einer gewissen Phase der Polarisierung darauf einigen, die Juden zu Feinden zu erklären. Erst werden sie ausgeschlossen, schließlich vertrieben.
Ab Herbst nimmt die Ausstellung »Schalom Sisters!« ultra-orthodoxen bis liberale Frauen in den Blick.
Doch die Wende tritt rasch ein: Denn die Stadt funktionierte ohne Juden nicht mehr. Man brauchte sie. Sie kehren also zurück, und allen wird bewusst, was man an ihnen hat. Entlang dieses Films arbeitet sich die Ausstellung des Jüdischen Museums Augsburg an der Geschichte, aber auch an der Gegenwart ab. Plakate, Sprachdokumente, Fotos, Zeitungen oder Spiele wirken wie ein Fingerzeig auf eine sich anbahnenden Katastrophe.
Werte Nach »Die Stadt ohne« eröffnen dann Ende April im Museum die »Intervention« genannten, zeitlich begrenzten »Veränderungen«, die sich an einem bestimmten Thema orientieren. Dieses Mal soll es um »gemeinsame Werte« gehen. Was bedeuten sie aus jüdischer Sicht? Und wie schnell fällt man mit seinen eigenen Traditionen aus der Wertegemeinschaft einer Mehrheitsgesellschaft heraus?
Mitte Juni eröffnet in der Ehemaligen Synagoge Kriegshaber in Kooperation mit dem Berufsverband Bildender Künstler Schwaben Nord und Augsburg die Ausstellung »Die unsichtbare Frau«, in der es um die »Präsenz und Absenz des Weiblichen in der Synagoge« geht, und zwar über die Jahrhunderte hinweg betrachtet. Insgesamt wird das Jahr 2020 dem Thema Feminismus gewidmet.
Feministinnen Ab Herbst wird auf verschiedene Orte in der Stadt verteilt die Ausstellung »Schalom Sisters!« zu sehen sein, die sich mit jüdisch-feministischen Positionen auseinandersetzt, »von ultra-orthodoxen bis liberalen«.
Es wird einen jüdisch-feministischen »Pop-up-Store« geben, eine Straßenbahn wird durch Augsburg fahren und an die vielen jüdischen Suffragetten erinnern. Beim Tag der Jüdischen Kultur am 6. September geht es ums »jüdische Reisen«. Das Jüdische Museum und die Kultusgemeinde Augsburg feiern mit.