Mit einem klaren Bekenntnis dazu, »dass es auch in Zukunft eine liberale wie konservative Rabbinerausbildung in Potsdam geben soll, die eng mit der dortigen Universität kooperiert«, reagierten der Zentralrat der Juden, das Bundesinnenministerium und das brandenburgische Wissenschaftsministerium am Mittwochnachmittag vergangener Woche mit einer gemeinsamen Erklärung auf den am Mittag veröffentlichten Bericht der Kanzlei Gercke Wollschläger.
Die Kölner Strafrechtsexperten hatten eine Zusammenfassung des vorläufigen Untersuchungsberichts zu den Vorwürfen am Abraham Geiger Kolleg (AGK) zusammengestellt, die der Zentralrat in Auftrag gegeben hatte.
umstrukturierung Unmissverständlich machten die drei Geldgeber klar, dass sie die Finanzierung des AGK so lange in dem bisherigen Umfang fortsetzen werden, bis der strukturelle Neuanfang vollzogen sei. In der Erklärung hieß es weiter, dass es vor dem Hintergrund der zutage getretenen massiven Missstände rasch einen klaren Schnitt zu der bisherigen Struktur und einen umfassenden Neuanfang geben müsse. »Die Vorschläge, die bislang am Abraham Geiger Kolleg erarbeitet wurden, entsprechen diesem Erfordernis nicht.«
»Das Verhalten der UpJ macht für mich deutlich, dass sie als Organisation so keine Zukunft hat.«
Josef Schuster
Das Kolleg reagierte dann am Abend seinerseits mit einer Pressemitteilung, in der das Bekenntnis zur Unterstützung eines unabhängigen liberalen Rabbinerseminars begrüßt wurde. Die Interimsdirektorin des AGK, Gabriele Thöne, teilte mit: »Auf dieser Grundlage setzen wir unseren Beitrag für die Neustrukturierung des Rabbinerseminars in Abstimmung mit allen Stakeholdern, Mitarbeitenden und Studierenden fort.«
Am Tag danach meldete sich das konservative Potsdamer Zacharias Frankel College zu Wort und betonte, dass die Untersuchungsergebnisse »die asymmetrischen Machtkonstellationen« in den beiden Potsdamer Rabbinerausbildungsstätten bestätigt hätten. »Das Zacharias Frankel College war vom Zeitpunkt seiner Gründung im Jahr 2013 in einem Zustand der Abhängigkeit vom Willen einer Person. Unsere Einrichtung wurde in die Unsichtbarkeit gedrängt und von der Kommunikation mit Zuwendungsgebern in Deutschland ausgeschlossen.« Nun sehe man sich auch durch die jüngste Erklärung des Abraham Geiger Kollegs nicht vertreten.
TRANSPARENZ »Dieses Vorgehen spiegelt nicht nur die seit Anbeginn vorherrschende Praxis einer Politik der Willkür und der Abhängigkeitsverhältnisse wider, sondern reproduziert diese. Eine Partnerschaft zwischen gleichberechtigten Parteien erfordert gemeinsame Vorbereitung, gegenseitiges Vertrauen, Transparenz und Konsens. An allem hat es bisher gefehlt und fehlt es weiterhin.«
»Homolkas Loyalisten könnten nun versuchen, Reformen, die das Abraham Geiger Kolleg wirklich braucht, zu verhindern.«
Rabbiner Maciej Kirschenbaum
Auch die Masorti-Rabbinerin Gesa Ederberg wünscht sich »eine grundsätzliche Änderung in der Haltung, vom Konkurrenzdenken zu einem Geist der Kooperation« im Verhältnis der beiden Rabbinerschulen in Potsdam. Es brauche eine »Einbeziehung aller Shareholder, insbesondere auch des Zentralrats der Juden, in die neuen Strukturen«, so die Gemeinderabbinerin der Berliner Synagoge Oranienburger Straße.
Die Leiterin des Frankel College, Sandra Anusiewicz-Baer, sieht für die Rabbinerausbildung in Potsdam nur eine Zukunft »ohne Rabbiner Homolka«. Es müsse »Vertrauen geschaffen werden durch eine personelle Neuaufstellung«. Mit dem AGK wolle man künftig »partnerschaftlich ausloten, wo wir gemeinsam gehen und wo getrennte Wege«, so Anusiewicz-Baer gegenüber dieser Zeitung.
Trennung Rabbinerin Elisa Klapheck stellt dagegen die Trennung der nicht-orthodoxen Rabbinerausbildung in die liberale am AGK und die von Masorti am Zacharias Frankel College generell infrage. Sie sei »für eine pluralistische und in liberaler Hinsicht nicht ideologisch definierte Ausgestaltung« der Neuaufstellung der Potsdamer Ausbildungsstätten, sagte die Rabbinerin der liberalen Synagogengemeinschaft »Egalitärer Minjan« in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main der Jüdischen Allgemeinen. »Die angehenden Rabbiner und Rabbinerinnen sollten sich im Laufe ihres Studiums selbst im großen Spektrum des Judentums positionieren können.«
Rabbinerin Offenberg hofft, »dass der Zentralrat sich selbst der Neugründung der liberalen Rabbinerseminare annimmt«.
Zudem wünsche sie sich ein verpflichtendes zweites Fach für die Studierenden, etwa Sozialarbeit. Das würde »eine Offenheit für neue Sichtweisen« fördern, sagte Klapheck, die auch Professorin für Jüdische Studien an der Universität Paderborn ist.
Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland (ARK), Rabbiner Andreas Nachama, hatte die Vorschläge von AGK-Interimsdirektorin Gabriele Thöne, die ihm mündlich vorgestellt worden seien, zunächst vorsichtig positiv bewertet. »Sie könnten, einmal schriftlich ausgearbeitet, in die richtige Richtung weisen und Grundlage für eine die Stiftungssatzung finalisierende Diskussion« sein, sagte er unserer Zeitung am Montag.
Die ARK werde sich, falls gewünscht, an neuen Entscheidungsgremien des Geiger-Kollegs beteiligen – »allerdings wohl nur dann, wenn auch der Zentralrat der Juden in Deutschland daran beteiligt ist«, unterstrich Nachama in einem weiteren Gespräch am Mittwoch (kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe). Die ARK ist eine Vereinigung von Rabbinern verschiedener nicht-orthodoxer Strömungen unter dem Dach des Zentralrats.
studierende Auch ehemalige Studierende der beiden Rabbinerschulen beschäftigt die angekündigte Neuaufstellung. »Ich würde mir wünschen, dass das Kolleg nicht mehr eine GmbH, sondern eine staatliche Einrichtung wird«, sagt Itamar Cohen, der gerade seine Investitur zum Kantor erhalten hat. Er hofft nun, dass eine Neustrukturierung gelingt. Die Studierenden hätten Anfang des Jahres viel darüber diskutiert, was in den Strukturen geändert werden muss und was sie fordern können. Es könne nicht sein, dass immer dieselben Leute in wichtige Positionen kämen.
Rabbiner Maciej Kirschenbaum, auch ein ehemaliger AGK-Student, befürchtet, »dass Homolkas Loyalisten versuchen könnten, Reformen, die das Abraham Geiger Kolleg wirklich braucht, zu verhindern«.
Während manche Rabbinerinnen und Rabbiner der ARK eine Stellungnahme auf Nachfrage ablehnten, äußerte sich Ulrike Offenberg gegenüber unserer Zeitung. Sie hält die Potsdamer Rabbinatsausbildung für nicht reformierbar. Die Rabbinerin der Jüdischen Gemeinde Hameln ist der Auffassung, es seien »Neugründungen für die liberale und die konservative Rabbinatsausbildung nötig, wohl auch mit neuem Namen«.
positionen Das Problem sei »nicht gelöst allein dadurch, dass Homolka keine offiziellen Positionen mehr einnimmt«. Die Akteure, die nun die Neuaufstellung des AGK anstoßen, seien Teil »eines Umfeldes, das mitmachte, wegschaute, nicht genau prüfte«. Ihr Vorhaben sei »zum Scheitern verurteilt«. Offenberg hofft nun, dass »der Zentralrat sich selbst der Neugründung der liberalen Rabbinerseminare annimmt«.
Unterdessen teilte das Abraham Geiger Kolleg und die Union progressiver Juden (UpJ) in einer gemeinsamen Pressemitteilung am Dienstagabend mit, dass die UpJ die Verantwortung für die Neustrukturierung des Geiger-Kollegs übernehmen werde. Gemeinsam wolle man mit Gabriele Thöne und ihrem Team die Pläne weiterentwickeln.
»Für konkrete Vorschläge zur weiteren Entwicklung sind wir dankbar«, so die UpJ-Vorsitzende Irith Michelsohn. Voraussetzung sei allerdings immer die Eigenständigkeit des Rabbinerseminars und die alleinige Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft des liberalen Judentums.
zentralrat Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, erklärte am Mittwoch, dass ihn die Mitteilung der UpJ überrascht habe: »Noch am Mittag habe ich die bisherige Interimsdirektorin des Abraham Geiger Kollegs, Gabriele Thöne, im Namen der Zuwendungsgeber aufgefordert, den Weg für einen echten Neuanfang am Abraham Geiger Kolleg freizumachen. Ziel war es, im Rahmen einer gesichtswahrenden Lösung diesen Neuanfang gemeinsam zu kommunizieren.«
Die UpJ-Mitteilung ist ein Foulspiel der Gepflogenheiten und ein Zeichen, dass mit ihr der notwendige Neuanfang nicht denkbar sei, betont der Zentralrat.
Die UpJ-Mitteilung sei insofern ein Foulspiel der Gepflogenheiten und ein Zeichen, dass mit ihr der notwendige Neuanfang nicht denkbar sei. »Wer meint, mit alten Gefolgsleuten Homolkas und ihm weiterhin im Hintergrund der von ihm – nicht von der UpJ – gegründeten gGmbHs die Kontinuität der Verstrickungen und Abhängigkeiten in einer Rabbinerausbildung weiterzuführen, der trägt den Ergebnissen der unabhängigen Untersuchungen der Universität Potsdam sowie der Kanzlei Gercke Wollschläger in keiner Weise Rechnung.«
Schuster verweist darauf, dass auf der UpJ-Internetseite immer noch zu lesen sei: »Es war kein Machtmissbrauch!«, dies sei ein »Weiter so der Vertuschung und Bagatellisierung und damit ein Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen«.
»Das Verhalten der UpJ macht für mich deutlich, dass sie als Organisation, die übrigens keine eigenständige Religionsgemeinschaft darstellt, so keine Zukunft hat. Viele Liberale Jüdische Gemeinden, die Mitglied der UpJ sind, sehen das ähnlich«, so Schuster. Der Zentralrat werde ihnen zur Seite stehen, um auch künftig eine würdige Vertretung des liberalen Judentums in Deutschland sicherzustellen. »Dazu gehört natürlich auch ein verantwortungsvoller Umgang mit und die Sicherung der liberalen Rabbinerausbildung in Potsdam.«