Schwere Vorwürfe hat eine Stuttgarterin vor wenigen Tagen gegen drei Kontrolleure der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) erhoben. Wie Susanne Bouché in einem Brief an den Stuttgarter Oberbürgermeister und SSB-Aufsichtsratsvorsitzenden Fritz Kuhn schrieb, sollen die zwei Frauen und ein Mann am Dienstagvormittag ein jüdisches Ehepaar aus Israel beleidigt und verhöhnt haben.
Das Paar war nach Stuttgart gereist, um dabei zu sein, wenn Stolpersteine für sechs Familienmitglieder verlegt werden. Auf dem Rückweg zum Flughafen am vergangenen Dienstag wollten sie noch Susanne Bouché besuchen, die für sie während des Aufenthaltes eine Ansprechpartnerin war. Das Ehepaar Uhlman, das sich nur auf Englisch verständigen konnte, soll nach deren Schilderung mithilfe einer fremden Frau ein Ticket für die Straßenbahn gelöst und sich auf den Weg zu Susanne Bouché gemacht haben.
Drohende Gebärde Nach kurzer Zeit seien sie kontrolliert worden, etwas später von denselben Kontrolleuren ein zweites Mal. Die Fahrkarten hatte offenbar nicht für die ganze Strecke gereicht, weswegen die Kontrolleure nachträglich den Preis für zwei Einzeltickets berechneten. Sie hätten sich zudem in drohender Gebärde vor dem Paar aufgebaut und sie am Aussteigen gehindert. Als Oded Uhlman dann in gebrochenem Englisch erzählt habe, dass er und seine Frau in Deutschland seien, weil seine Familienmitglieder hier ermordet wurden, hätten die Kontrolleure gegrinst, und eine der Frauen habe mit beiden Daumen nach oben gezeigt, als wollte sie sagen: »Gut so«.
»Herr Uhlman trägt einen schwarzen Mantel, Bart und Hut – es ist klar ersichtlich, dass er nicht in Stuttgart aufgewachsen ist«, sagt Bouché. »Offensichtlich wissen die Kontrolleure nicht, wie man mit solchen Menschen umgeht.« Statt ihnen mit Nachsicht zu begegnen, hätten die Männer und die Frau den beiden Israelis eine Falle gestellt und sich über das Familienschicksal lustig gemacht.
Susanne Schupp, die Pressesprecherin der SSB, sagte am Donnerstag: »Der Vorwurf hat uns erschreckt und aufgewühlt.« Das sei eine gewaltige Anschuldigung, die Susanne Bouché da erhoben habe. Natürlich sei man dem nachgegangen. »Nach unseren Recherchen stellt sich der Vorgang ganz anders dar.«
Missverständnis Die Mitarbeiter hätten weder durch Gestik noch Mimik oder auf andere Weise andere Menschen verletzen wollen. Schupp spricht von einem Missverständnis, das in der angespannten Situation der Fahrscheinkontrolle entstanden sei. Zudem hätten die Kontrolleure durchaus kulant gezeigt, indem sie den beiden nicht jeweils 40 Euro für das Fahren ohne gültigen Fahrschein, sondern nur den Betrag für ein weiteres Ticket in Rechnung gestellt hätten. Man werde sich aber bei den Uhlmans melden und mit ihnen über den Vorfall sprechen.
Dass die SSB die Kontrolleure künftig für die Belange von Fahrgästen aus anderen Kulturen sensibilisiert, wünscht sich Barbara Traub, Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg. »Stuttgart ist eine Stadt, die stolz darauf ist, vielen Menschen aus anderen Ländern ein Zuhause zu bieten«, sagt sie. »Da empfinde ich so ein Verhalten als beschämend und empörend.« Erfreulicherweise passiere dergleichen aber nicht so oft.
Der Stuttgarter Bürgermeister Fritz Kuhn hat sich laut einem Bericht der Stuttgarter Zeitung am Donnerstag bei dem Ehepaar Uhlman entschuldigt. In einem Brief erklärt er: »in unserer Stadt herrscht kein antisemitisches Klima«. Er habe mit der Unternehmensleitung der SSB gesprochen, und es werde alles getan, damit sich so etwas nicht wiederhole.