54 Stolpersteine und eine Stolperschwelle vor einer ehemaligen Synagoge erinnern an das Schicksal der Juden während der Schoa in der Stierstraße in Schöneberg. Am Mittwochnachmittag sind in Anwesenheit von etwa 100 Menschen drei weitere Gedenksteine dazugekommen, mit den Namen von drei Jüdinnen, die unabhängig voneinander die Zeit im Untergrund überlebt haben, so Petra Fritsche, Mitglied der »Initiative Stolpersteine Stierstraße«.
Die Gruppe will Menschen daran erinnern, welche Verbrechen während der NS-Zeit in ihrer Nachbarschaft geschehen sind. Sie verlegt Stolpersteine vor Häusern, deren Bewohner deportiert und im Konzentrationslager umgekommen sind. Seit einigen Jahren werden auch für Überlebende Gedenksteine verlegt.
Doch es gibt Gegner dieses Engagements. Sie nennen sich Anti-Stolpersteinprojekt und haben die Einladungen zu der Aktion am Mittwoch, die an einigen Haustüren hingen, abgerissen und mit einem anonymen Pamphlet in Fritsches Briefkasten geworfen. Daher beschützte die Polizei die Gedenkveranstaltung, so Fritsche.
Unterschlupf Die verwitwete Elfriede Friedemann und ihre Tochter Susanne hatten in einer großzügigen Sechs-Zimmer-Wohnung in einer Villa in der Stierstraße gewohnt, bis sie beschlossen unterzutauchen. Die sogenannte Württembergische Pfarrhauskette, eine Untergrundorganisation, die während der letzten Jahre der NS-Zeit Juden und andere Verfolgte in Kirchen oder Privathäusern aufnahm, gewährte Elfriede Friedemann Unterschlupf.
Bis zu ihrem Tod lebte Friedemann, die Tante des Historikers Julius H. Schoeps, bei dessen Familie in Erlangen, wo sie 92-jährig verstarb. Das Grundstück in der Stierstraße, das ihr später rückübertragen wurde, verkaufte sie an die Kirche. Das Haus war im Krieg zerbombt worden.
Lange Zeit wusste Elfriede Friedemann nicht, dass auch ihre Tochter es geschafft hatte, am Leben zu bleiben. Susanne Friedemann hatte einen Helfer, der sie in Kladow in einem Bootshaus versteckt hatte. Nach dem Krieg heiratete sie ihn und nahm seinen Namen von Schüching an.
Heimat Die Sängerin Gertrud Polke wurde erst mit ihrem Mann in der Stierstraße in einem Zimmer untergebracht und dann nach Riga deponiert, wo er umgebracht wurde. Sie überlebte mehrere Arbeitslager und Todesmärsche. Nach der Schoa machte sie sich auf den Weg, um in ihre Heimat zurückzukehren. Ein Jahr brauchte sie, um nach Berlin zu gelangen, wo sie in großer Armut, einsam und schwer krank, lebte.
»Aus der Straße ist aufgrund der Steine und der Stolperschwelle mittlerweile ein Ort geworden, der davon zeugt, was unsere Geschichte ist und wie wir der Opfer gedenken«, meint Petra Fritsche. Trotz der Widerstände und Schwierigkeiten wird die Gruppe weiterhin aktiv bleiben und Straßen sowie die Biografien ihrer ehemaligen Bewohner erforschen.