Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz des Zentralrats der Juden, Henry G. Brandt, hat zur Verteidigung gleicher Grundrechte für alle Menschen aufgerufen. Es sei ein Protest notwendig, dass »die Mehrheit der Menschen zur Dispositionsmasse degradiert« werde, sagte der Rabbiner am Sonntag im Berliner Dom in einer Predigt zum kirchlichen Israelsonntag.
Juden und Christen müssten gemeinsam dazu beitragen, dass Bescheidenheit und Verantwortungsbewusstsein wieder stärker als Grundtugenden respektiert werden, sagte Brandt. Reiche und Mächtige seien dabei stärker gefordert als Menschen, die in Armut leben. Je größer Besitz, Macht und Möglichkeiten des Einzelnen seien, desto größer sei die Verantwortung »für den Nächsten und die Schöpfung«, betonte der Rabbiner.
Herausforderungen Die Religionen sollten zudem eine »klare Stellung zu brennenden Fragen unserer Zeit beziehen« und Lösungsvorschläge anbieten, sagte Brandt. »Wir müssen uns den Herausforderungen unserer Zeit stellen.« So könnten die Konfessionen auch eine Führungsrolle beim Einsatz gegen Politikverdrossenheit übernehmen.
Die Lehren und Gebote der jüdischen Tora, des Alten Testaments der christlichen Bibel, sollten dabei als das »eigentliche Grundgesetz jeglichen gesellschaftlichen Zusammenlebens« wahrgenommen werden, betonte der Rabbiner. Die Tora »will eine Lehre für alle Menschen sein«. Juden und Christen müssten gemeinsam daran arbeiten, den biblischen Geboten »in dynamischer Interpretation« Gehör zu verschaffen.
Die Einladung zur Predigt in einem evangelischen Gottesdienst zeige, »in welcher revolutionären Weise sich die Beziehungen zwischen unseren Religionen« verändert und verbessert hätten, betonte Brandt. Damit sei es auch möglich zu sehen, dass viele vermeintliche Unterschiede zwischen der christlichen und der jüdischen Religion »gar nicht so wesentlich« seien. Zwar blieben unauflösbare Unterschiede bestehen, sagte der Rabbiner. »Aber mit denen können wir leben.« epd
Lesen Sie mehr in unserer Printausgabe am Donnerstag.