Jüdisches Erbe als Weltkultur – sowohl die SchUM-Städte (Speyer, Worms, Mainz) als auch Erfurt sind sich einig: Wir haben es verdient! Und genau das könnte von der Unesco nochmals hinterfragt werden. Ob wirklich beide Standorte – SchUM in Rheinland-Pfalz und auch Thüringens Landeshauptstadt Erfurt – berücksichtigt werden und den begehrten Status erhalten, darüber spekulieren heute viele.
Während man in Rheinland-Pflanz in diesem Jahr mit einer Antwort rechnet, muss sich Thüringen noch etwas gedulden. Im Sommer 2022 weiß man mehr, es sei denn, bis dahin ergeben sich Rückfragen oder »Alles auf Anfang!«. Was manche hinter vorgehaltener Hand durchaus für möglich halten, denn eine gemeinsame Bewerbung beider Standorte scheiterte in den vergangenen Jahren am einheitlichen Willen.
Inklusiv »Wir haben immer Anschluss gesucht. Unser Antrag war von vornherein inklusiv gedacht. Der Ansatz von Rheinland-Pfalz war exklusiv gedacht«, lässt Erfurts Kulturbeigeordneter Tobias Knoblich wissen. In den vergangenen Wochen hat Thüringen die Bewerbung nun auf den Weg gebracht, nach langer Vorarbeit, auch seitens der Unesco-Beauftragten der Stadt, Maria Stürzebecher.
Der wissenschaftliche Schulterschluss mit den Kollegen der SchUM-Städte ist seit Jahren eng. Gemeinsam erforscht man das jüdische Mittelalter, die steinernen Zeitzeugnisse und die überlieferte Literatur. Es geht um Geschichte, und Insider mögen die Zwischentöne der beiden Bewerber richtig wahrnehmen, dass einige auf die Unterschiede doch großen Wert legen.
Das Mainzer Kulturministerium sagt, zwei Einzelnominierungen seien »konzeptionell konsistenter, überzeugender und auch für das weitergehende Verständnis von jüdischem Erbe in Deutschland umfassender«.
Das Kulturministerium in Mainz sagt, dass schon 2017 nach einem Abstimmungsgespräch die Empfehlung lautete: Zwei Einzelnominierungen seien »konzeptionell konsistenter, überzeugender und auch für das weitergehende Verständnis von jüdischem Erbe in Deutschland umfassender«. Auch jetzt erklärt der Pressesprecher, die Aufnahme in die Welterbeliste sei damit »zielführender als eine serielle Nominierung«.
Getrennt Das heißt im Klartext: Wir gehen besser getrennte Wege. Man würde zwar zusammenarbeiten und einander unterstützen, auch im wissenschaftlichen Beirat, der den Antrag für die SchUM-Stätten begleitet hat, sagt die Erfurter Kollegin. Dennoch solle man die Anträge, vielleicht käme später auch noch Köln hinzu, »additiv sehen als sich ergänzende eigenständige Zeugnisse des bedeutenden mittelalterlichen jüdischen Erbes in unserem Land, das es zu schützen, zu erhalten und zu vermitteln gilt«.
Auch in Thüringen möchte man das Erbe schützen und vermitteln und macht klar: Uns geht es um das, was die Unesco für das Welterbe fordert – um Bauwerke. »Wenn es darum geht, materielle Denkmäler zu haben, da hat Erfurt natürlich – durch den Fund und die Synagoge – schon etwas in die Waagschale zu werfen«, erklärt Peter Waldmann von der Jüdischen Gemeinde Mainz. Worte, die man in Erfurt gern vernimmt – bestimmen doch dort jüdisches Erbe mit Alter Synagoge, Mikwe und Steinernem Haus das Bild, mit dem man jetzt den Titel holen möchte.
Erbe Der lange und mühevolle Antrag für den Weltkulturerbe-Titel, so Waldmann, sei auch immer mit dem Entdecken der eigenen Geschichte verbunden. Auch wenn man mit Blick auf die SchUM-Städte großen Wert auf das immaterielle Erbe lege. »Weltkulturerbe ist natürlich auch immer ein wichtiges Aushängeschild für ein Bundesland und auch eine Auszeichnung, mit der man hofft, Besucher anzulocken.«
Das sieht auch der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen so. Doch Reinhard Schramm ist noch etwas anderes wichtig: »Man darf nicht vergessen, nicht nur das Weltkulturerbe, sondern der Weg dorthin ist schon ein Erfolg. Und der betrifft beide – auch uns.« Der lange Prozess habe viel bewirkt und zeige den Respekt vor der jüdischen Kultur. »Da kommt es nicht darauf an, ob man es zum Schluss auf die Weltkulturerbe-Liste gemeinsam oder einzeln oder gar nicht schafft.« Er wünsche beiden Bewerbern alles Gute.