Stuttgart

Starkes Zeichen der Solidarität


Am Abend des 28. Kislew 5782 wurde das fünfte Chanukkalicht entzündet – so auch im Stuttgarter Schlossgarten und erstmals im Landtag von Baden-Württemberg. Unmittelbar zuvor war die Stuttgarter Synagoge Schauplatz eines Ereignisses, das Barbara Traub vom Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) »denkwürdig und mehr als historisch« nannte.

Thomas Strobl (CDU), Joachim Herrmann (CSU) und Boris Pistorius (SPD), die jeweiligen Innenminister von Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen, sowie Hans-Georg Engelke, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, unterzeichneten dort die »Stuttgarter Erklärung« gegen Antisemitismus, Hass und Hetze – stellvertretend für die gesamte deutsche Innenministerkonferenz. In dieser, so Thomas Strobl, herrsche parteiübergreifend eine klare Haltung: »Für Antisemitismus ist in Deutschland kein Platz.«

FESTJAHR »Sie sind nicht allein, wir stehen an Ihrer Seite und stellen uns wie ein Bollwerk Hass, Hetze, Extremismus und Antisemitismus entgegen«, versicherte der Minister Barbara Traub, ihren Vorstandskollegen Michael Kashi und Susanne Jakubowski, dem Vorsitzenden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Rami Suliman, und den Rabbinern Yehuda Pushkin und Shneur Trebnik.

Strobl erinnerte daran, dass dem Jahr 2021 eine besondere Bedeutung zukomme, weil man das Jubiläum »1700 Jahre jüdisches Leben« auf deutschem Boden begehen könne. »Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass nach den unfassbaren Verbrechen des NS-Terrorstaates wieder jüdisches Leben in Deutschland blüht und uns bereichert«, sagte der baden-württembergische Innenminister. Das sei Mahnung und Verpflichtung, alles zu tun, damit jüdisches Leben in diesem Land weiterhin einen festen Platz habe. »Juden müssen hier sicher leben und sich sicher fühlen können.«

»Wir stellen uns wie ein Bollwerk Hass, Hetze, Extremismus und Antisemitismus entgegen.«

Thomas Strobl (CDU),
Innenminister von Baden-Württemberg

Denn Hass und Hetze, Herabwürdigungen, Anfeindungen, Beleidigungen, Bedrohung und die Verbreitung von Vorurteilen, real wie digital, seien auch »ein Anschlag auf unsere freiheitliche Demokratie. Das werden wir nicht hinnehmen«.

»rote linien« Demokratie lebe zwar vom Diskurs und von der Auseinandersetzung. Aber es gebe »rote Linien«. Diese Linien seien überschritten, wenn Extremisten, Antisemiten und Rassisten ihren Hass ausbreiten. Leider habe man in der jüngsten Vergangenheit wiederholt erfahren, dass von Hass und Hetze getriebenen Worten auch Taten gefolgt sind. Daher hat die Innenministerkonferenz einen Maßnahmenkatalog erarbeitet. »Die Polizei«, versicherte Strobl, »verfolgt konsequent entsprechende Verstöße und Verbrechen. Und mit der Berufung von Polizeirabbinern haben wir ein deutliches Zeichen gesetzt.«

Seit Beginn des Jahres erfüllen Shneur Trebnik, Ortsrabbiner in Ulm, und Moshe Flomenmann, Rabbiner in Baden, diese Aufgabe. »Baden-Württemberg hat neben Israel und den USA als drittes Land einen Polizeirabbiner«, hob Trebnik die Pionierrolle der Landesregierung hervor und berichtete von einer »überwältigenden Resonanz gerade von jungen Beamten, die viele Fragen haben und manchmal auch Seelsorge brauchen«.

Die Aufgabe bedeute in erster Linie Aufklärung. »Wir wollen Brücken zu jungen Menschen bauen, Wissen über jüdisches Leben vermitteln und zeigen, dass Judentum mehr bedeutet als Vergangenheit und Gedenkveranstaltungen, denn Juden sind ganz normale Bürger.« Trebnik ermunterte zum entspannten Umgang mit Jüdinnen und Juden: »Kann man, wie jüngst eine ältere Dame im Ulmer Supermarkt, problemlos einen Juden mit Kippa ansprechen? Natürlich kann man!«

KIPPOT »Dies ist ein guter Tag und ein mehr als historischer Augenblick«, konstatierte Barbara Traub. Noch nie habe man ein so enges und herzliches Verhältnis mit den politisch Verantwortlichen wie hier im Lande erleben dürfen.

Für dieses starke Zeichen der Solidarität sei kein Ort besser geeignet als die Synagoge, die am 9. November 1938 in der Pogromnacht zerstört und später neu erbaut wurde als Zentrum einer starken, integrierten und selbstbewussten Gemeinde. Selbstbewusst genug für eine starke Performance: Shneur Trebnik, der schon zum Entzünden der Chanukkalichter im Landtag Schals mit dem Landeswappen und der Botschaft »Fröhliches Chanukka« besorgt hatte, überraschte nun mit blauen Kippot, die unter anderem mit den Daten 2. Dezember 2021 und 28. Kislew 5782 bedruckt sind. Damit niemand diesen denkwürdigen Tag vergisst.

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