»Frauen von Köln! Das Wahlrecht ist euch verliehen!« Mit diesem Aufruf warb in großen schwarzen Lettern eine Partei auf einem ihrer Wahlplakate in den 20er-Jahren um die Gunst von Wählerinnen. Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, war vor 100 Jahren geradezu revolutionär.
Aber dass Frauen seit Ende 1918 in Deutschland das Wahlrecht besitzen, ist entscheidend dem engagierten Einsatz einer starken jüdischen Frau zu verdanken: Else Falk (1872–1956). Die Frauenrechtlerin und Sozialpolitikerin aus Wuppertal-Barmen initiierte unter anderem zahlreiche Altersheime für Frauen und förderte national und international soziale Projekte.
Aufforderung »Mit ihrer pragmatischen Art und ihrem Handeln wie eine Führungskraft vermittelte Falk an Frauen die Botschaft und Aufforderung, sich aktiv an der Gesellschaft zu beteiligen«, würdigt die Unternehmensrechtsanwältin Anna Gayger die deutsch-jüdische Pionierin. Und sie übergibt an ihre Co-Moderatorin Bettina Fruchtmann, um die nächste der »Top Fünf-Bewerberinnen« vorzustellen.
Die WIZO beteiligte sich am Sonntag nämlich an einem Frauen-Nachmittag, der von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker angeregt worden war. Ab 16 Uhr konnten sich Frauen für den Themenabschnitt, den die Kölner WIZO-Damen verantworteten, einwählen.
Mit Regina Jonas verbindet sich eine ungeheuer inspirierende Geschichte.
»Mit ihr«, so stellt die Filmwissenschaftlerin Bettina Fruchtmann ihre Kandidatin der Top-5-Frauen vor, »verbindet sich eine unglaublich inspirierende Geschichte«, erzählt sie und ergänzt: »Sie hat den Grund zur heutigen Rabbinerinnen-Ausbildung gelegt.« Fruchtmann stellt Regina Jonas (1902–1944) vor, die bereits mit elf Jahren wusste, dass sie Rabbinerin werden will. Konsequent verfolgte sie ihren Weg, wurde 1924 in Berlin zum Studiengang für werdende Rabbiner zugelassen.
Ordiniert wurde sie 1935 vom damaligen Geschäftsführer des Liberalen Rabbiner Verbandes und Offenbacher Rabbiner, Max Dienemann. Leo Baeck beglückwünschte sie wenige Tage später als »Liebes Fräulein Kollegin!«. Doch als Rabbinerin amtieren durfte sie auch damals nicht und reiste ab 1940, als der Holocaust längst eingesetzt hatte, durch Deutschland, wo sie als Predigerin und Seelsorgerin in jüdischen Gemeinden wirkte. 1944 wurde sie in Auschwitz ermordet.
Argumente »Eine starke jüdische Frau, die ausschließlich anhand religiöser Schriften und nicht mit dem Bruch ebensolcher argumentierte«, sagt Fruchtmann und zitiert Regina Jonas: »Fähigkeiten und Berufungen hat Gott in unsere Brust gesenkt und nicht nach dem Geschlecht gefragt, und so hat ein jeder die Pflicht, gleich ob Mann oder Frau, nach den Gaben, die Gott ihm schenkte, zu wirken.«
Das passte treffend zu der digitalen Veranstaltung, zu der die Stadt Köln traditionell anlässlich des Internationalen Frauentags eingeladen hatte, und kam bei den mehr als 50 Teilnehmerinnen gut an. Dies wurde in der kleinen Diskussionsrunde deutlich, die sich an die Präsentation von Fruchtmann und Gayger anschloss.
festjahr Die beiden Mitglieder der Kölner Sektion der Women’s International Zionist Organization (WIZO) stellten anlässlich des Festjahres »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« starke jüdische Frauen sowie die WIZO vor. Sehr authentisch und unterhaltsam nutzten die beiden Moderatorinnen die digitale Plattform nicht nur, um die weltweiten sowie Kölner Aktivitäten der jüdischen Frauenorganisation vorzustellen.
Die Darstellung von starken jüdischen Frauen ist immer ein Thema, unabhängig von einem bestimmten Anlass oder Gedenktag, sagen die Moderatorinnen.
Doch Gayger und Fruchtmann bewegten sich bei ihren Top-Fünf nicht nur im 19. und 20. Jahrhundert, sie bedienten sich aus einem Jahrtausende umfassenden Zeitfenster. Genau genommen waren es gar sechs Frauen, denn die Präsentation von »Miss Persia« diente als beispielhafte Schablone für die folgenden fünf Frauen. Gemeint war damit die persische Königin Esther aus dem fünften Jahrhundert v.d.Z. Sie schaffte es, die Interessen des jüdischen Volkes zu vertreten und es vor der Vernichtung durch König Xerxes I. zu bewahren. Das Purimfest, das vor Kurzem gefeiert wurde, erinnert an sie.
Gespräche Überraschend mag sicher auch die Vorstellung der jungen Journalistin und Autorin Mirna Funk (geb. 1981) in dieser Reihe gewesen sein. »Sie ist eine Brückenbauerin und betont immer wieder das Gemeinsame der jüdischen und nichtjüdischen Gesellschaft«, unterstreicht Fruchtmann bei deren Vorstellung. Hinzu kommen mit Glückel von Hameln (17./18. Jahrhundert) eine starke Unternehmerin der frühen Neuzeit sowie mit Rahel Varnhagen von Ense eine selbstbewusste Autorin des 19. Jahrhundert. »Sie schaffte es, Menschen unabhängig von ihrer Herkunft miteinander ins Gespräch zu bringen und dieses weiterzuführen«, erklärt Gayger.
Die beiden Moderatorinnen Gayger und Fruchtmann zeigen sich nach der Veranstaltung anhand der Rückmeldungen selbst überrascht darüber, dass sie mit der Auswahl der Persönlichkeiten »offenbar nicht nur die mitnehmen konnten, die mit dem Thema bereits in irgendeiner Weise vertraut sind«, sagt Anna Gayger, und Bettina Fruchtmann ergänzt: »Die Darstellung von starken jüdischen Frauen durch die Jahrhunderte hindurch in ihrem starken Wirken und Handeln ist immer ein Thema, unabhängig von einem bestimmten Anlass oder Gedenktag.«