Berlin

Stärker zu Fünft

Die Vertreter der fünf Antisemitismusinitiativen mit Familienministerin Franziska Giffey (3.v.l.) Foto: Margrit Schmidt

Schon vor Beginn der Pressekonferenz zum neuen »Kompetenznetzwerk Antisemitismus« sah sich Franziska Giffey im Großen Saal der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Oranienburger Straße von Medienvertretern umringt. Die Bundesfamilienministerin erklärte, was sie eigentlich erst anschließend verkünden sollte: Fünf erfahrene und seit Jahren erfolgreiche Initiativen gegen Antisemitismus schließen sich in einem Kompetenznetzwerk zusammen, um der stetig wachsenden Zahl an antisemitischen Straftaten zu begegnen.

Ein Journalist sah in der Aussage der Politikerin einen Widerspruch. Kann man von einer seit Jahren erfolgreichen Tätigkeit der Akteure sprechen, wenn im gleichen Zeitraum die Zahl der antisemitischen Straftaten zugenommen habe?

Die Antwort der Ministerin war eindeutig: »Man kann natürlich die Fragen stellen: Inwieweit werden Vorfälle gemeldet, und inwieweit werden sie aufgenommen und verfolgt? Es ist aber immer so, wenn Sie hinschauen, dann werden Sie sehen. Dann aber kann man nicht diejenigen, die hingeschaut haben, dafür verurteilen, dass noch nicht genug passiert ist.« Und da künftig mehr passieren soll, wurde das Kompetenznetzwerk mit jenen fünf Organisationen gegründet, die bisher im Kampf gegen den Antisemitismus überwiegend voneinander isoliert agierten.

Handsymbolik Gideon Joffe, der Vorsitzende der Berliner Gemeinde, fand in seinem Grußwort hierfür ein eindrucksvolles Bild. Fünf Finger, von denen jeder seine eigene Aufgabe habe, würden sich zu einer starken Hand vereinen.

Dabei ließ Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte im Kanzleramt, keinen Zweifel daran, dass man bei denen, die bereits zum harten Kern antisemitischer Ideologen zu zählen sind, nicht mit Einsicht rechnen dürfe. Bestenfalls sei hier durch strafrechtliche Maßnahmen eine gewisse Abschreckung zu erreichen. Es komme vielmehr darauf an, dass jene fünf Organisationen des Kompetenznetzwerks präventiv tätig seien.

Was genau das bedeutet und um welche Partner es sich konkret handelt, das erklärte Marina Chernivsky, die innerhalb des Kompetenzzentrums die Leitung für Prävention und Empowerment bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) innehat.

Das »Anne Frank Zentrum« steht vor allem für den Bereich der historisch-politischen Bildung zu NS-Regime und Schoa, und das schwerpunktmäßig im ländlichen Raum. Es setzt vor allem auf Jugendbeteiligung und auf pädagogische Fachkräfte, wenn es darum geht, historische Formen des Antisemitismus aufzuzeigen, sowie die Kontinuitäten antisemitischer Stereotype, Feindbilder und Ideologien.

fortbildung Die Bildungsarbeit soll in Form von Wanderausstellungen, Fortbildungen, Webinaren, Online-Lernmaterialien sowie Tagungen geleistet werden. Zudem wird das »Anne Frank Zentrum« die Koordinierungsstelle des Kompetenznetzwerks sein. In Hessen ist die gleichnamige Bildungsstätte mit Standorten in Frankfurt und Kassel ein Zentrum für politische Bildung und Beratung.

Im Rahmen des neuen Kompetenznetzwerks soll die »Bildungsstätte Anne Frank« nun bundesweit die Entwicklung, Verbreitung und Verstetigung von Konzepten, Arbeitsansätzen und Methoden in der Antisemitismusbekämpfung voranbringen. Dabei hat diese Institution antisemitische Akteure im linken und im linksliberalen Lager, aber auch in den sozialen Netzwerken im Blick. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Umgang mit Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus im Rechtspopulismus.

Dem »Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus« kommt die Aufgabe zu, das Monitoring zu antisemitischen Vorfällen auszubauen und regionale Melde- und Unterstützungsnetzwerke zu initiieren.

Schwerpunkte der »Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus« sind Fort- und Weiterbildung sowie Beratung für Erwachsene und Jugendliche, wobei es über den Antisemitismus hinaus auch um antimuslimischen Rassismus, den jüdisch-muslimischen Dialog und um Radikalisierungsprävention geht.

Kompetenzzentrum Beim Kompetenzzentrum der ZWST wird der Fokus auf der Umsetzung von Qualitätsformaten für Fach- und Führungskräften aus Bildung, Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft liegen.

Die fünf Organisation, die sich zum Kompetenznetzwerk Antisemitismus zusammengeschlossen haben, decken somit, wie es Felix Klein zusammenfasste, das ganze Spektrum im Kampf gegen Antisemitismus ab – »vom Zischeln im bürgerlichen Milieu bis zu rechtsradikalen Anschlägen wie in Halle«. Im besten Fall also kann aus den fünf Fingern einer starken Hand, um im Bild von Gideon Joffe zu bleiben, auch eine schlagkräftige Faust werden.

Antisemitismus

Gert Rosenthal: »Würde nicht mit Kippa durch Neukölln laufen«

Die Bedrohung durch Antisemitismus belastet viele Jüdinnen und Juden. Auch Gert Rosenthal sieht die Situation kritisch - und erläutert, welche Rolle sein Vater, der Entertainer Hans Rosenthal, heute spielen würde

 01.04.2025

Berlin

»Hans Rosenthal erinnert uns daran, dass jüdisches Leben zu Berlin gehört«

Der Regierende Bürgermeister: »Er überlebte die Schoa nur, weil ihn einige mutige Frauen aus Lichtenberg in einer Schrebergarten-Kolonie versteckten«

 01.04.2025

Magdeburg

Magdeburg erhält 800. Stolperstein

2007 wurde der erste Gedenkstein für den früheren Magdeburger Bürgermeister Herbert Goldschmidt verlegt

 31.03.2025

Berlin

Initiatoren halten an »Drei-Religionen-Kita« fest

Aufgrund von Sparmaßnahmen strich der Senat im vergangenen Dezember die Fördergelder

 31.03.2025

Todestag

Wenn Worte überleben - Vor 80 Jahren starb Anne Frank

Gesicht der Schoa, berühmteste Tagebuch-Schreiberin der Welt und zugleich eine Teenagerin mit alterstypischen Sorgen: Die Geschichte der Anne Frank geht noch heute Menschen weltweit unter die Haut

von Michael Grau, Michaela Hütig  31.03.2025

Berlin

Freundeskreis Yad Vashem: Michalski wird Geschäftsführer

In der neuen Position wolle er dazu beitragen, die herausragende Arbeit von Yad Vashem weithin sichtbar zu machen, sagt der bisherige Direktor von HRW Deutschland

 31.03.2025

Porträt der Woche

In der Rolle aufgehen

Nelly Pushkin hat Mathematik studiert – und ist Rebbetzin aus Leidenschaft

von Brigitte Jähnigen  30.03.2025

Buch

Die Zeit festhalten

Der Fotograf Stephan Pramme hat für die »Objekttage« des Jüdischen Museums Berlin Jüdinnen und Juden in Deutschland porträtiert. Sie zeigten ihm Erinnerungsstücke, die für ihre Familien- und Migrationsgeschichte stehen

von Katrin Richter  30.03.2025

Reportage

Rinderschulter und Pastrami

Im Berliner Westend eröffnen ungleiche Freunde die einzige koschere Fleischerei Deutschlands. Ein Besuch im Kälteschrank

von Mascha Malburg  30.03.2025