Mehrere Tausend Menschen haben am Samstag in Köln gegen den Bundesparteitag der AfD protestiert, der in einem Hotel der Kette Maritim stattfand. Entgegen den Befürchtungen der Polizei verliefen die Proteste, von kleinen Zwischenfällen abgesehen, friedlich. Allerdings beteiligten sich weitaus weniger Menschen an den Demonstrationen und Kundgebungen als die zuvor angekündigten 50.000.
In Köln hatte nahezu die gesamte Stadtgesellschaft zum Protest gegen die rechtspopulistische Partei aufgerufen: Künstler, Politiker, Karnevalsvereine, Religionsgemeinschaften und zahlreiche Initiativen hatten sich gegen den Parteitag der AfD ausgesprochen.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sagte: »Für mich ist die Entscheidung der AfD, ihren Bundesparteitag ausgerechnet in Köln durchzuführen, eine klare Provokation.« Sie wertete die friedlichen Gegendemonstrationen als »Zeichen für Menschenrechte, Demokratieverständnis, Toleranz und Weltoffenheit«. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte am Samstag den Protest als »klare Haltung« gegen Ausgrenzung und Hetze gewürdigt.
Werte »Sie alle, die Sie hier Farbe bekennen und für eine bunte Gesellschaft stehen, demonstrieren zwar gegen eine Partei, aber eigentlich demonstrieren Sie für unsere Werte, und diese gemeinsamen Werte haben nichts mit der Herkunft eines Menschen zu tun«, erklärte Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, in einem Grußwort, das Hannelore Bartscherer vom Kölner Katholikenausschuss bei einem Bürgerfest im Inneren Grüngürtel verlas.
Das Festkomitee Kölner Karneval hatte unter dem Motto »Mir all sin Kölle« (Wir alle sind Köln) zu einer Kundgebung für Vielfalt und Toleranz eingeladen. Moderiert von der TV-Journalistin Bettina Böttinger präsentierten sich auf der großen Bühne zahlreiche Kölner Bands wie Bläck Fööss, Brings und Höhner.
»Die AfD ist eine Partei, die sich fast immer nur gegen etwas stellt. Die AfD ist gegen Muslime. Wir Juden in Deutschland sind nicht gegen den Islam, sondern für ein friedvolles Miteinander, einen gegenseitigen Respekt. Wenn man gegen Muslime ist, dann ist der nächste Schritt, gegen die Juden zu sein, nicht mehr weit«, warnte Lehrer in seinem Grußwort weiter.
Integration »Die AfD ist gegen Zuwanderung. Wir Juden in Deutschland haben in den letzten 25 Jahren sehr viele Zuwanderer aus den ehemaligen Staaten der Sowjetunion integriert, auch hier in Köln.« Immer wieder versucht sich die AfD als die Partei darzustellen, die jüdische Interessen vertritt. Lehrer wies das zurück: »Auch wenn es diese schamlosen Annäherungsversuche an die jüdische Gemeinschaft gibt, so ist die AfD immer unterschwellig und manchmal sehr offen antisemitisch.« Und er fragte: »Hat sich die AfD von Björn Höcke wirklich distanziert? Hat sie ihn gar aus der Partei ausgeschlossen?« Seine Antwort: »Nein, da findet keine Abgrenzung statt.«
Wie viele andere Kölner an diesem Tag erteilte Lehrer der Partei eine Art Platzverweis: »Ich möchte das menschenfreundliche Deutschland behalten und bewahren, so wie es ist. Solange die AfD Menschen ausgrenzt, wollen wir diese Partei nicht hier haben, wollen wir ein Zeichen setzen, gegen die Unbelehrbaren, gegen die, die nicht differenzieren, gegen die, die ganze Volksgruppen ablehnen, wollen wir sie nicht in unserem toleranten und bunten Köln, wollen wir sie nicht in unserem Deutschland haben.«
Kirchen Um in das am Heumarkt gelegene Tagungshotel zu kommen, musste die Polizei viele Parteitagsteilnehmer an zahlreichen Blockaden und unter lautem Protest vorbeileiten. Die christlichen Kirchen hatten sich zu der Aktion »Unser Kreuz hat keine Haken« zusammengeschlossen. Der Kölner Stadtdechant Monsignore Robert Kleine sagte: »In der Partei, die im Moment ihren Bundesparteitag abhält, gibt es immer wieder Anfälligkeiten für Antisemitismus und Rassismus. Wir sagen, dass dies nicht sein darf.«
Gesa Biffio, die Vorsitzende der Jüdischen Liberalen Gemeinde Köln, schloss sich dem an: »Der Davidstern hat selbstverständlich auch keine Haken. Wir sind natürlich extrem sensibilisiert, was die rassistischen und antisemitischen Parolen der AfD betrifft.« Sie sei gekommen, um zu betonen, wie »stolz und froh« die Gemeinde sei, »Teil der Vielfalt dieser Stadt und auch des Rats der Religionen« zu sein.
Auf dem Parteitag der AfD wurde indes die Demontage der Vorsitzenden Frauke Petry fortgeführt. Wohl eher taktisch als inhaltlich begründete Anträge gegen eine Radikalisierung und gegen Antisemitismus wurden nicht behandelt.