Das Interesse aneinander war groß, als sich am Sonntag trotz des Dauerregens syrische und afghanische Flüchtlinge mit Betern der Synagoge Oranienburger Straße und des Flüchtlingshilfswerk Freedomus vor dem Moses-Mendelssohn-Gymnasium trafen. Bei einer Stadtführung durch das jüdische Berlin wollten sich beide Seiten kennenlernen.
Hassan, ein junger Mann aus Damaskus, der über Libyen nach Deutschland kam, brachte auf den Punkt, was die meisten Teilnehmer dachten: »Ob jemand Muslim, Jude oder Christ ist, spielt für mich absolut keine Rolle.« Er wolle einfach nur Fuß fassen in seiner neuen Heimat und nach vorne blicken.
Dabei überschatten die Anschläge von Paris die Aktion. »Manche Flüchtlinge trauen sich momentan kaum noch auf die Straße – aus Angst vor negativen Reaktionen«, berichtet Chaim Jellinek, einer der Mitorganisatoren.
geschichte Rabbiner Nils Ederberg begrüßte die Eintreffenden daher umso herzlicher. »Juden sind ebenfalls eine Minderheit in Deutschland und haben oftmals eine Migrationsgeschichte«, erklärt er. »Auch wir mussten erst einmal Platz in der deutschen Gesellschaft finden.«
Diesen Weg haben die Flüchtlinge noch vor sich. »Dabei wollen wir ihnen mit unseren Erfahrungen ein wenig Hilfestellung geben«, sagte der Rabbiner. Daher ging es bei der Stadtführung auch um mehr als Sehenswürdigkeiten.
Erste Station der interreligiösen Tour zum Mitzvah Day war der jüdische Friedhof in Mitte neben dem jüdischen Gymnasium. In seinen Erklärungen zur Geschichte des jüdischen Berlin legte Rabbiner Ederberg großen Wert auf das Verbindende zwischen Juden und Muslimen. »Die Speisegesetze sind ein gutes Beispiel.«
Zugleich versuchte er, den jungen Flüchtlingen demokratische Werte zu vermitteln, etwa, was genau es mit dem Neutralitätsgebot des Staates bei religiösen Angelegenheiten auf sich hat. Gelegenheit, die Gespräche zu vertiefen und sich auszutauschen, gab es beim anschließenden gemeinsamen Abendessen in der Synagoge Oranienburger Straße.