Man nehme zwei Menschen, die sich fürs Kochen begeistern, aber mehr noch: die sich am guten Essen erfreuen, am liebsten mit anderen an einem Tisch sitzen, auf Augenhöhe, und sich austauschen möchten.
Und man bereite diesen beiden passionierten Köchen eine Plattform, sodass auch andere an ihrer Freude teilhaben können. Diesem »Rezept« gefolgt ist die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Siegerland (CJZ). Sie erprobte – in Kooperation mit dem Kreisjugendring Siegen-Wittgenstein und dem Partnerkreis Emek Hefer nahe Netanya – noch zu Corona-Bedingungen mit »Kochzoom 2.0« ein digitales Format, das Frauen und Männer in Deutschland und in Israel in einer virtuellen Küche versammelte.
Lamm Variationen mit Spargel, Köfte in Tahina-Soße und ein Salat aus Kichererbsen, Rote Bete und grüner Paprika stehen auf dem Speiseplan. Wer mitkochen möchte, kauft zuvor ein: Spargel in Grün und/oder Weiß, Gehacktes vom Lamm, Kalb oder Rind, Zitronen, Kräuter, Parmesan. Klug, wer vorher manches vorbereitet: den Spargel schält, die Pinienkerne röstet, Schalotten und Knoblauchzehen hackt und die Chilischote ebenfalls. Denn nach dem »Guten Abend, good evening, erev tov!« starten Allon Sander und Werner Stettner, der jüdische und der katholische Vorsitzende der Gesellschaft, mit ihrem kommunikativen Kochprogramm.
Und stellen sich vor: Allon Sander arbeitet seit 1996 als Journalist. Jahrelang schrieb er von Deutschland aus für israelische Tageszeitungen und Internetportale. Inzwischen ist eines seiner Tätigkeitsfelder der Dokumentarfilm. Mit der Regisseurin Nina Koshofer erstellte er die ARD-Serie Die Juden – Geschichte eines Volkes, vor einiger Zeit hatte ihr Film Schalom & Alaaf im WDR Premiere. Aktuell geht es um ein ARD-Leuchtturmprojekt zu 1700 Jahren jüdischer Geschichte in Deutschland.
Gasthäuser Der andere Gastgeber an diesem Abend ist tatsächlich Profi. Von 1964 bis 1967 absolvierte Werner Stettner eine Lehre als Koch in der damals renommierten Siegener Bahnhofsgaststätte, arbeitete danach an drei Häusern in Berlin. In Zeiten akuten Lehrermangels orientierte er sich neu, wurde Pädagoge für Grund- und Hauptschule. Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand unterrichtete er an der Hauptschule in Netphen-Deuz. Die beiden plaudern munter los und kommen ins Gespräch über »Veronika, der Lenz ist da …«, die deutsche und die israelische Küche, den türkischen Metzger und sein halal, also annähernd koscheres Fleisch.
Einer erinnert sich an die Nudelsuppe, mit der die aus Deutschland stammende Großmutter die Enkel in Eretz Israel so satt und glücklich machen konnte.
Zuvor haben die beiden mit Unterstützung des Siegener Kameraprofis Christian Albrecht einen Film produziert, in dem sie zeigen, wie sie den weißen Spargel dünsten, die Hackklößchen formen, die Vinaigrette anrühren. Und so mischen sich anderthalb Stunden lang Videosequenzen mit Plaudereien und schließlich auch mit Einwürfen der Teilnehmenden. Die kochen zum Teil mit oder haben gekocht und genießen längst ihre Speisen, oder aber sie schauen einfach zu. Manche kennen einander schon, bringen sich durchaus mutiger ein und regen »fürs nächste Mal« vielleicht die Weinverkostung an. Oder die Nudelsuppe, mit der die aus Deutschland stammende Großmutter die Enkel in Eretz Israel so satt und glücklich machen konnte.
Begegnung Auf den Punkt gelingt nun das, was das Veranstaltungsteam initiieren wollte: Begegnungen von Mensch zu Mensch, deutsch-israelische, christlich-jüdische Verständigung. Groß sei die Sorge am Anfang der Corona-Pandemie gewesen, dass die Krise der engen Partnerschaft zwischen den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Emek Hefer nachhaltig schaden würde, sagt CJZ-Geschäftsführerin Jersika Grindel. Denn der geplante Erwachsenenaustausch im Berufsfeld Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte musste 2020 komplett abgesagt werden.
Aber dann kam aus Emek Hefer weit vor den jüngsten Ausschreitungen und dem kriegsähnlichen Zustand zwischen der Hamas im Gazastreifen und Israel das Angebot eines ersten Koch-Meetings und eines Vortrags via Bildschirmkonferenz – mit ermutigender Resonanz, etlichen Fortsetzungen und dem Effekt, »dass wir kontinuierlich beieinandergeblieben sind«, sagt Grindel. Und er sei sicher, »dass wir diesen Stand der Vertrautheit nicht hätten, wenn Corona nicht gekommen wäre«.
Kontinuität Einig sind sich die Beteiligten freilich darin, dass das digitale Treffen wohl die Beziehungen aufrechterhalten, aber die persönliche Begegnung nicht ersetzen kann. Doch weil sich ein realer Austausch (auch weil dieser über Gastfamilien läuft) gar so schnell nicht wird durchführen lassen, bleibt die CJZ per Zoom am Ball – und am Herd. »Es hat einen Riesenspaß gemacht«, bilanziert Allon Sander, sagt aber auch, dass die Umsetzung dieses Pilotprojektes »ein Kraftakt« war. Den virtuellen Kochlöffel reicht er mit Werner Stettner wieder zurück nach Emek Hefer. In der Hoffnung, dass es von dort bald wieder heißt: »Beteavon! – Guten Appetit!«