Ashraf O. gab den Anstoß. Der Flüchtling aus dem vom Bürgerkrieg geschüttelten Sudan sollte abgeschoben werden. Doch Wolfgang Seibert, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde im schleswig-holsteinischen Pinneberg, gewährte Ashraf Asyl in der Synagoge. Pinnebergs jüdische Gemeinde hat mit dieser Hilfsaktion eine Mizwa erfüllt. Und gleichzeitig eine wundervolle Idee für den Mitzvah Day des Zentralrats der Juden in Deutschland am kommenden Sonntag gefunden.
»Unser Mitzvah Day heißt ›Willkommen!‹. Wir wollen uns weiterhin für Flüchtlinge einsetzen und gehen am 16. November in die Unterkunft in Hamburg-Stellingen, um den Flüchtlingen mit einem kleinen Fest das Gefühl zu geben, dass sie uns willkommen sind. Wir wollen ihnen eine Perspektive geben«, sagt Katharina Leithoff von der Gemeinde.
hamburg Die Jurastudentin und ihr Team, darunter Mitglieder der Hamburger Vereinigung »Jung & Jüdisch« um dessen Vorsitzenden Benjamin Bahr, wollen mit den Familien backen und basteln oder Fußball spielen. »Wir können uns gut vorstellen, dass aus diesem Mitzvah Day in der Flüchtlingsunterkunft mehr wird, dass die Menschen uns erzählen, wie wir ihnen helfen können, beispielsweise mit rechtlichen Tipps zum Asylantrag, bei der Wohnungssuche und mit Sprachunterricht«, sagt Leithoff.
Einige Mitglieder ihrer Mitzvah-Day-Gruppe sprechen Arabisch, Kurdisch und Persisch. »Wir können uns auch gut vorstellen, kostenlose Rechtsberatung für die Flüchtlinge anzubieten«, sagt die Jurastudentin. Das Hilfsangebot soll keine einmalige Aktion bleiben. Leithoff und ihr Team wollen den heimatlosen Menschen eine Brücke ins neue Leben bauen.
Das Synagogen-Asyl von Ashraf O. hatte einen glücklichen Ausgang. Der Asylantrag des Tischlers aus dem Sudan wird wahrscheinlich bald genehmigt. Wolfgang Seibert will mit Ashraf in Kontakt bleiben – eine Mizwa über den 16. November hinaus.
Leipzig Mitglieder der Jüdischen Gemeinde in Leipzig wollen am 16. November Bewohner des Seniorenheims »Residenz Ambiente« besuchen. Mit ihnen werden sie in verschiedenen Workshops basteln, nähen, Schach spielen und singen. Für jeden ist etwas dabei, und wer möchte, kann nach Lust und Laune zwischen den Gruppen wechseln. So soll der Mitzvah Day für die alten Leute ein Tag des Vergnügens sein, an dem der Alltag in den Hintergrund tritt.
Koordiniert wird die Aktion mit dem schönen Namen »We make your day!« von den Mitarbeitern des jüdischen Kultur- und Begegnungszentrums Ariowitsch-Haus. Sie hätten die Initiative des Zentralrats sofort gut gefunden und gerne aufgegriffen, erzählt Marina Limperska, die bei der Organisation mithilft. »Wir machen das ganz entspannt«, betont sie, »die Leute sollen Spaß haben.«
Für weitere Unterhaltung soll auch die Kindertanzgruppe des Ariowitsch-Hauses sorgen, die zu diesem Anlass eine kleine Choreografie einstudiert hat. Ein ursprünglich geplanter Kochabend scheiterte dagegen an den räumlichen Gegebenheiten vor Ort. Das trübt die Vorfreude der Residenzbewohner jedoch kein bisschen: »Unsere Senioren sind positiv erwartungsvoll gestimmt und sehr neugierig«, sagt Anke Pillep von der Residenz Ambiente: »Alle freuen sich auf einen abwechslungsreichen Nachmittag.« Übrigens: Wer mithelfen will, den älteren Herrschaften eine Freude zu machen, kann sich gerne noch im Ariowitsch-Haus melden.
düsseldorf Zwischen Rhein und Ruhr bringt der Mitzvah Day Generationen und Städte zusammen. In Düsseldorf wurde der besondere Tag bereits am vergangenen Sonntag mit Gästen aus Gelsenkirchen vorbereitet. Gemeinsam sind sie in die Küche gegangen und haben für die Bewohner des Nelly-Sachs-Hauses gebacken. »Denn wer mag schon keine Kekse?«, fragt Irina Kazakov, Leiterin des Jugendzentrums Kadima, und lacht. Am Mitzvah Day schließlich wird das sehr zarte Gebäck dann in das Elternheim der Düsseldorfer Gemeinde gebracht. Die Bewohner, hofft Kazakov, werden sich über das kleine Geschenk freuen. »Aber sie freuen sich auch sonst, wenn wir einfach so vorbeikommen und uns mit ihnen unterhalten«, erklärt sie.
Ein weiteres Vorhaben des Düsseldorfer Jugendzentrums zum Mitzvah Day braucht noch die Zustimmung der Stadt. Nachdem im Juni ein Unwetter über Nordrhein-Westfalen fegte und auch die Landeshauptstadt schwer traf, sind die Schäden noch nicht gänzlich beseitigt. »Deshalb wollen wir Bäume am Rhein pflanzen, aber dafür brauchen wir eine Genehmigung«, erklärt die Jugendzentrumsleiterin. Im Garten des Nelly-Sachs-Hauses konnte Kadima schon tätig werden und neues Grün anlegen.
Doch nicht nur an die Mitglieder der Gemeinde wird im Rahmen des Mitzvah Day in Düsseldorf gedacht. »Vor einiger Zeit haben wir schon eine Sammlung gestartet, bei der wir Kleidung und viele andere Sachen für obdachlose Mädchen zusammengetragen haben«, erzählt Kazakov. »Eigentlich hatten wir vor, sie am Sonntag zu übergeben, aber da ist die Annahmestelle leider geschlossen. Wir werden schon einen anderen Tag dafür finden.«
bielefeld Die Jüdische Kultusgemeinde in Bielefeld nimmt zum ersten Mal an Aktionen des Mitzvah Day teil. Dafür hat sie sich den Bielefelder Verein Sterntaler ausgesucht. »Es hatte sich schnell gezeigt, dass wir etwas mit Kindern machen wollten«, begründet Irith Michelsohn, die Vorsitzende der Gemeinde, ihre Wahl. Der Verein Sterntaler kümmert sich um trauernde Kinder und Jugendliche, die ein Elternteil oder andere ihnen nahestehende Menschen aufgrund von Krankheit oder durch einen Unfall verloren haben. »Die Aktion ist nicht für die Gemeinde gedacht, sondern für die Bürger und die Stadt Bielefeld«, erklärt Michelsohn die Teilnahme am Mitzvah Day. »Wir wollen die Gemeinde öffnen und erreichen, dass die Menschen zu uns kommen.«
Die Gemeinde lädt die Kinder des Sterntaler-Vereins am 16. November ab 14 Uhr dazu ein, gemeinsam mit den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen der Gemeinde Armbänder zu basteln, mit Origami-Technik Davidsterne zu falten oder zu lernen, wie man seinen Namen auf Hebräisch schreibt. Und bei schönem Wetter kann auf dem weitläufigen Gelände der Gemeinde gespielt werden.
»Wir wollen den traumatisierten Kindern und Jugendlichen ein paar Stunden Abwechslung bieten«, erklärt Michelsohn. Parallel dazu können sich die Eltern und Angehörigen der Sterntaler-Kinder durch die Synagoge führen lassen. Und im »Elterncafé« wird zum Gespräch über Tod und Trauer im Judentum geladen. »Schließlich kann uns das alle treffen, jeder kann einen Elternteil verlieren«, sagt die Gemeindevorsitzende.
Wenn das Projekt gut läuft, könne sie sich vorstellen, den Kontakt mit dem Verein oder sogar die Arbeit mit Sterntaler über den Mitzvah Day hinaus fortzusetzen. »Der Sterntaler-Verein leistet mit minimalen Ressourcen hervorragende Arbeit«, befindet Michelsohn und möchte das seitens ihrer Gemeinde gerne unterstützen. Und sei es mit Manpower, um etwa einen Raum zu streichen, so Michelsohn.
frankfurt Auf dem Schulgelände, in der Nachbarschaft und auch am Zoo kann man sie derzeit finden: Sammelbehälter für gebrauchte Handys. Die Schüler und Schülerinnen der 6. Klassen an der Lichtigfeldschule hoffen, dass diese Körbe in nächster Zeit möglichst restlos gefüllt werden. Denn die Mobiltelefone, die vielleicht in den Augen mancher Jugendlicher völlig veraltet erscheinen mögen, sind alles andere als wertlos. Man kann noch einiges mit ihnen anfangen: zum Beispiel Gorillas retten.
Das ist die Idee, mit der sich die Sechstklässler am Mitzvah Day beteiligen wollen. Ihr Partner bei dieser Aktion sind der Frankfurter Zoo und die Zoologische Gesellschaft Frankfurt, die dieses Projekt bereits 2009 gemeinsam ins Leben gerufen haben. Denn der Virunga-Nationalpark im Osten des Kongo ist die Heimat der letzten in Freiheit lebenden Berggorillas. Circa 700 Menschenaffen finden sich noch in diesem Gebiet. Ihr Lebensraum ist bedroht, weil sich in diesem Teil des Kongo das Roherz Coltan gewinnen lässt, aus dem das hitzebeständige Material Tantal hergestellt wird, das sich in Handys oder Laptops findet.
Für jedes Handy, das der Zoo seinem Recyclingpartner überreichen kann, erhält er einen Geldbetrag, der zu 100 Prozent an den Virunga-Nationalpark weitergegeben wird. Handys, die noch gebrauchsfähig sind, kommen in den Handel; den anderen entnimmt man die Wertstoffe für die Produktion neuer Mobiltelefone. Insofern dient dieses Projekt nicht nur dazu, Geld zur Rettung der Gorillas zusammenzubringen, sondern auch den Abbau des Roherzes Coltan zu verringern.
Dieses Konzept hat die Schüler der 6. Klassen überzeugt. Deshalb werden sie am kommenden Montag gemeinsam mit ihrer Lehrerin Nurith Schönfeld-Amar im Zoo die Ausbeute ihrer Sammelaktion offiziell überreichen. Bereits vorher warben sie bei Eltern, Freunden, Nachbarn und Mitarbeitern der Lichtigfeldschule, ihre alten Handys abzugeben.
Zlatan Alihodzic, Barbara Goldberg, Philipp Killmann, Heike Linde-Lembke, Thyra Veyder-Malberg