Yehudit Pöschke, Israelitische Kultusgemeinde Baden-Baden
Meine Legislaturperiode neigt sich dem Ende zu, denn es stehen Neuwahlen unseres Gemeindevorstands an. Zwei Jahre war ich Vorsitzende. In dieser Zeit war vor allem die Versorgung von ukrainischen Geflüchteten eine Herausforderung. Die Zahl der Todesfälle betagter Mitglieder ist größer als die Anzahl von Neuzugängen.
Ferner würde ich mich freuen, wenn endlich alle Fragen und Probleme um den Neubau einer Synagoge geklärt werden können. Derzeit nutzen wir Räumlichkeiten beim Kurhaus und in einem Verwaltungsgebäude in der Innenstadt. Diese Situation ist unbefriedigend für unsere aktuell etwa 700 Mitglieder. Die Gemeinde hatte in der Vergangenheit ein Grundstück an der Fürstenbergallee erworben, um dort eine neue Synagoge zu errichten. Die Planungen waren weit gediehen, die Finanzierung gesichert, eine entsprechende Bauplanung lag vor und wurde auch mit dem Gemeinderat abgestimmt. Allerdings wurde der Baubeginn seit Herbst 2022 erst einmal gestoppt. Wir bevorzugen den Standort der Alten Synagoge in der Stephanienstraße, der jetzt als Parkplatz genutzt wird. Ein Gespräch mit den Eigentümern kam bisher aber nicht zustande. Enttäuscht bin ich darüber, dass der Hamas ein so fürchterlicher Überfall mit so vielen Todesopfern und Geiseln in Israel möglich war.
Robert Neugröschel, Jüdische Gemeinde Aachen
Sorgen bereitet mir der wachsende Antisemitismus. Zwar stehen die Politiker parteiübergreifend zu Israel, aber ein großer Teil der Mitte der Gesellschaft zeigt uns nach dem 7. Oktober die kalte Schulter. Vor allem Wissenschaftler und Kulturschaffende. Allerdings scheint Aachen eine friedliche Stadt zu sein, hier gab es bisher keine ernsthaften Bedrohungen. Bei den aktuellen propalästinensischen Demos setzen wir uns bei der Stadt und bei der Polizei dafür ein, dass diese nicht durch unser Quartier führen, denn unsere Synagoge befindet sich im Stadtzentrum. Und wir sorgen dafür, dass unser Kiddusch nach dem Gottesdienst rechtzeitig zu Ende ist, sodass unsere Beter den Demonstranten nicht begegnen müssen. Manche Beter fühlen sich ohnehin nicht mehr sicher und bleiben lieber von vornherein zu Hause. Vor längerer Zeit hat die Gemeinde ein Nachbarhaus erworben. Dort werden wir Platz für zusätzliche Veranstaltungen und Begegnungen haben. Die denkmalgeschützte Fassade wird stehen bleiben, aber dahinter lassen wir umbauen. Eine zweite Baustelle wird es an unserem alten, geschichtsträchtigen Friedhof geben, der mehrere Jahrhunderte alt ist. Denn da werden die Trauerhalle und das Friedhofswärterhäuschen, beide Gebäude stehen unter Denkmalschutz, saniert. Langfristig soll dort eine Gedenkstätte eingerichtet werden. Etwa 1300 Mitglieder zählen wir derzeit. Seit 25 Jahren bin ich Vorsitzender unserer Einheitsgemeinde, der sogenannte Alteingesessene und Zuwanderer aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion angehören. Zur Verstärkung unseres Rabbinats haben wir kürzlich einen Rabbinatsassistenten eingestellt. Worüber ich mich sehr freue, ist, dass Rabbi Pinchas Goldschmidt, Vorsitzender der Europäischen Rabbinerkonferenz, und die jüdischen Gemeinschaften Europas mit dem internationalen Karlspreis geehrt werden und damit in einer Reihe mit unter anderem Wolodymyr Selenskyj, Königin Beatrix von den Niederlanden, Bill Clinton und Emmanuel Macron stehen.
Alexander Mazo, Israelitische Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg
2005 wurde ich zum 1. Vorsitzenden der Gemeinde gewählt. Der Anfang war gar nicht so leicht für mich. Ich war naiv, denn ich dachte, wenn ich unvoreingenommen bin, dann kann ich rasch etwas bewirken. Doch da habe ich nicht an die deutsche Bürokratie gedacht, denn die jüdische Gemeinde ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Seit 2009 bin ich Gemeindepräsident, und in den vergangenen Jahren haben meine Mitarbeiter und ich zusammen viel erreicht. Wir haben endlich die verschollene Mikwe gefunden, und im Zuge der Generalsanierung wird diese wieder für die Mitglieder zugänglich gemacht. Seit dem vergangenen Jahr haben wir einen jungen Gemeinderabbiner, der die Gottesdienste führt, und wir begehen die Feiertage.
Die neuen Sicherheitsmaßnahmen, die nach dem Anschlag in Halle nötig wurden, sind bereits in unserem Haus eingeführt worden, trotzdem stehen wir noch vor riesigen Herausforderungen, was die Generalsanierung des Gebäudekomplexes angeht. Natürlich kostet diese viel Geld. Glücklicherweise wird ein großer Teil hierfür vom Bund und vom Freistaat Bayern getragen. Aber auch wir als Gemeinde müssen einen gesetzlichen Eigenanteil von zehn Prozent beisteuern.
Unsere Synagoge zählt zu den schönsten Synagogen Europas. Sie ist die einzige Großstadtsynagoge in Bayern, die die Schoa weitestgehend unbeschadet überstanden hat.
Seit dem 7. Oktober bestätigt sich mein Gefühl, dass wir ständigen Herausforderungen ausgesetzt sind, denen wir gerecht werden müssen. Auch in Augsburg gibt es propalästinensische Demonstrationen, die die Polizei bisher gut im Griff hatte. Meine Gemeinde, die mittlerweile auf mehr als 1400 Mitglieder angewachsen ist, gedeiht, aber wir beobachten die Welt um uns herum sehr aufmerksam. Wir leben.
Rachel Dohme, Jüdische Gemeinde Hameln
Seit der Gründung der Gemeinde bin ich Vorsitzende – mittlerweile 27 Jahre. Und ich bin froh, dass unsere Mitgliederzahl stabil ist. In den nächsten Monaten werden die Sicherheitsarbeiten abgeschlossen. Dann werden wir uns auf den Schabbaton für JLEV (Jüdischer Liberal-Egalitärer Verband) vorbereiten. Der findet nämlich bei uns statt. Purim und Pessach werden wir feiern. Besonders freue ich mich, dass unsere Rabbinerin Ulrike Offenberg den Preis »Blickwechsel« verliehen wird. Dieser wird innerhalb des Vereins »Begegnung – Christen und Juden. Niedersachsen« vergeben.
Ein Dauerthema sind bei uns die Finanzmittel. Sehr freue ich mich, wenn neue Personen Mitglieder werden und wenn wir Synagogen-Führungen für Schulklassen machen. Dass der Antisemitismus überall in der Welt so steigt, enttäuscht mich.
Irina Katz, Israelitische Gemeinde Freiburg
Wir sind eine sehr aktive Gemeinde, auch im kulturellen Bereich. Am 7. Oktober gab es das Massaker in Israel. Wenige Tage später sollten unsere Kulturtage, die über zwei Wochen gehen, stattfinden. Aber wir stehen immer noch unter Schock und überlegten, ob das eine gute Idee sei. Schließlich entschieden wir uns, dass wir uns nicht verstecken wollen, obwohl wir Drohungen bekamen. Wir wollen zeigen, dass das jüdische Leben aufblüht. Die Veranstaltungen waren ein voller Erfolg. Zur Abschlusskundgebung hielt sogar der Erste Bürgermeister von Freiburg eine Ansprache. Auch die Soli-Konzerte für Israel wurden gut besucht. Besonders bewegend war, als wir die Lichter des Chanukkaleuchters auf dem Platz der Alten Synagoge anzündeten. Nun planen wir eine große Fachtagung gegen Antisemitismus. Am 21. März findet ein umfangreiches Organisationstreffen statt. An diesem Treffen wird das Datum festgelegt, an dem der Fachtag stattfinden wird. Es wird der zweite werden. Unsere Synagoge wurde bereits 2018 saniert, aber die Mikwe muss dringend repariert und koscher gemacht werden. Für diese Baumaßnahmen sammeln wir Spenden.
Unsere Gemeinde besteht überwiegend aus älteren Mitgliedern. Wir verzeichnen mehr Todesfälle als Geburten. Als ich vor 15 Jahren anfing, hatten wir noch 700 Mitglieder, nun sind es etwa 600. Wir kümmern uns um die Geflüchteten aus der Ukraine, von denen nicht alle, die wir betreuen, jüdisch sind. Dies bedeutet dank der Bürokratie sehr viel Arbeit. Was mich freut, ist, dass es einen Trend gibt, dass mehr Israelis nach Freiburg ziehen und ihre Kinder in unserer Kita »Schalom« anmelden. Ich hoffe, dass sie dann auch Gemeindemitglieder werden.
Sarah-Elisa Krasnov, Jüdische Liberale Gemeinde Region Kassel Emet weSchalom
Worauf ich mich besonders freue, ist, dass wir unser neues, vom Zentralrat gefördertes Projekt »Jewish Kitchen Stories« fortsetzen. Jüdinnen und Juden jeden Alters werden dabei vor den Feiertagen zum gemeinsamen Kochen und Backen eingeladen.
Der 7. Oktober ist für alle Gemeindemitglieder traumatisch. Viele haben Freunde und Familie in Israel, und auch die Situation in Deutschland hat sich geändert. Der Zusammenhalt in der Gemeinde ist aber gewachsen – das macht uns Mut. Allerdings hätten wir uns mehr zivilgesellschaftliche Unterstützung nach dem 7. Oktober gewünscht. Die aktuellen Demonstrationen gegen rechts geben uns nun Hoffnung. 2022 wurde ich zur ersten Vorsitzenden gewählt, vorher war ich für vier Jahre zweite Vorsitzende. Als Landgemeinde haben wir einen großen Einzugsbereich. Weniger mobile Mitglieder brauchen Unterstützung, die wir organisieren.
Unsere Mitgliederzahlen sind stabil. Wir haben einige interessierte Familien, die über das Familienprogramm auf uns aufmerksam geworden sind. Mit unserem neuen YouTube-Kanal hoffen wir, unser Angebot noch sichtbarer zu machen. Unsere Synagoge in Felsberg, die wir vor zwei Jahren wiedereingeweiht haben, ist voller Leben. Jeder Gottesdienst und jede Veranstaltung ist ein besonderes Erlebnis, da wir gemeinsam jüdisches Leben aktiv gestalten. Wir gehören der JLEV an. Und daher freue ich mich auch auf das JLEV Lehrhaus und den nächsten Schabbaton in Hameln.
Elena Sokolovsky, Jüdische Gemeinde Flensburg
Unsere religiöse Arbeit geht weiter. Zu Purim planen wir eine große Feier mit Kostümwettbewerb, Lotterie und dem Auftritt der Klezmergruppe »Ot Azoy«. Zum Weltfrauentag werden wir schon am 7. März ein Fest veranstalten. Ferner sammeln wir momentan Bestelllisten zu Pessach von unseren Gemeindemitgliedern. Da wir an der dänischen Grenze sind, kommen zu uns auch dänische Juden, um koschere Lebensmittel zu bekommen. Und wir führen unsere Arbeit mit den Geflüchteten aus der Ukraine fort.
Eine neue Idee kam bei der Gedenkveranstaltung im Januar auf: eine Gedenktafel für die Flensburger Holocaust-Opfer. Die Enthüllung planen wir für den 27. Januar 2025. So möchten wir die Erinnerung an die Flensburger Opfer der Schoa verewigen. Unsere Gemeinde wächst glücklicherweise, viele sind Geflüchtete aus der Ukraine. Die Gemeinde freut sich über meine Eintragung als Vorsitzende in das Goldene Buch der Stadt Flensburg, was ein bedeutsames Ereignis nicht nur für mich, sondern für die Gemeindemitglieder und die ganze Stadt Flensburg war und ist. Vorsitzende bin ich seit 1999.
Im Sommer wurde die neue Dauerausstellung 400 Jahre Gegenwart. Jüdisches Leben in Schleswig-Holstein im Jüdischen Museum Rendsburg eröffnet. Ohne Engagement unserer Mitglieder wäre die Ausstellung nicht, was sie heute ist. Viele Mitglieder haben sich beteiligt und von ihren Erfahrungen berichtet. Wir sind stolz darauf.
Im Oktober 2024 feiern wir mit einem Fest das 25. Jubiläum der Gemeindegründung. Wir freuen uns sehr über die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Flensburg in diesen schwierigen Zeiten mit Israel und dem israelischen Volk. Wir haben viele Spenden für Israel von den Gemeindemitgliedern und unserem Freundeskreis gesammelt. Enttäuscht bin ich aber von dem wachsenden Antisemitismus in Deutschland.
Claire Schaub-Moore und Michael Stahl, Jüdische Gemeinde zu Oldenburg
Seit November vergangenen Jahres sind wir Vorstandsmitglieder im Amt. Unser neues Ehrenamt ermöglicht uns, die Gemeinde noch besser kennenzulernen und uns für die weitere Entwicklung einzubringen. Es ist sehr erfreulich: Unsere Gemeinde wächst stetig, wir haben aktuell etwa 340 Mitglieder und sind die drittgrößte Gemeinde in Niedersachsen. Wir sind international, kommen aus mindestens 15 verschiedenen Ländern, sprechen viele Sprachen, bringen unterschiedliche Fähigkeiten, kulturelle Gewohnheiten und Ansichten mit. Neben den alltäglichen Herausforderungen einer mittelgroßen Organisation ist es uns sehr wichtig, die Vielfalt unserer Mitglieder aufzugreifen, beispielsweise durch Förderung der unterschiedlichen Interessen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, der kreativen Freizeitangebote bis hin zur Bikkur-Cholim-Arbeit.
In diesem Jahr möchten wir mit vielfältigen kulturellen Angeboten die Sichtbarkeit jüdischen Lebens auch außerhalb unserer Gemeinde unterstützen. Unser religiöses Leben ist von Vielfalt geprägt, und wir sind dankbar, dass wir mit unserer Rabbinerin Alina Treiger und unserem Rabbiner Netanel Olhoeft regelmäßig Gottesdienste und Feiertage begehen können.
Juri Rosov, Jüdische Gemeinde Rostock
Für uns ist es wichtig, das Gemeindeleben trotz der bevorstehenden Bauarbeiten aufrechtzuerhalten. Im Mai beginnen die Sicherheitsbaumaßnahmen. Eigentlich möchten wir in dieser Zeit in unseren Räumen bleiben, aber für den Notfall sind uns schon Interimsräume angeboten worden. Seit 20 Jahren bin ich Vorsitzender. Unsere Gemeinde schrumpft seit 15 Jahren. Damals zählten wir 730 Mitglieder, nun sind es 200 weniger. Durch 20 bis 25 jüdische Geflüchtete aus der Ukraine ist die Zahl der Mitglieder unserer Gemeinde gestiegen. Dennoch ist die Tendenz nicht schön: Unser Gemeindefriedhof wächst stetig, vor ein paar Jahren mussten wir einen neuen eröffnen, was mich nicht erfreut hat. Lieber würde ich mich mit jungen Familien beschäftigen.
Unser religiöses Leben funktioniert sehr gut, viele unserer Mitglieder sind als Kontingentflüchtlinge nach Rostock gekommen, hatten keine Ahnung von Religion, sind aber sehr interessiert. Glücklicherweise waren unsere früheren Rabbiner sehr aktiv, das gilt auch für unseren jetzigen Landesrabbiner. Darüber hinaus bieten wir ein vielseitiges kulturelles Leben an. Es gibt einen Wissensklub, wir haben ein jüdisches Theater, organisieren Jüdische Kulturtage und alle paar Jahre ein Festival, das von der Stadt und dem Land finanziert wird. Wir sind stolz, eine kleine, aber aktive Gemeinde zu sein.
Gennadi Kuschnir, Jüdische Gemeinde Cottbus
Derzeit sind wir mit den Vorbereitungen für Purim und Pessach beschäftigt. Mazze und koscheren Wein kaufen wir schon ein, um sie unseren Mitgliedern zur Verfügung zu stellen. Auf unserer Agenda steht die Restaurierung der Trauerhalle auf dem Cottbuser Jüdischen Friedhof ganz oben. Dieses Problem besteht immer noch seit 2000. Im Jahr 2001 wurde ich zum Gemeindevorsitzenden gewählt. 1998 wurde die jüdische Gemeinde in Cottbus wiedergegründet. Gegenwärtig zählt sie etwa 497 halachische Juden. Alle Mitglieder sind aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen. Die jüdische Gemeinschaft wächst in Cottbus ausschließlich dank der Neugeborenen und Flüchtlinge aus der Ukraine. Ich bin sehr froh, dass das jüdische Leben im Land Brandenburg wiederauflebt, im Vergleich mit anderen jüdischen Gemeinden in Deutschland allerdings sehr langsam. Ein besonders gutes Erlebnis für unsere Gemeinde war der Marsch des Lebens, der im Juni 2023 in Cottbus stattgefunden hat.