Vierundvierzig ist eine magische Zahl. Genauso viele Tage Sommer, Freiheit und Ferien liegen vor den Schülern in ganz Deutschland. Doch was tun mit so viel Freizeit – zumal, wenn die Eltern einen Großteil der Ferienzeit arbeiten müssen? Auch die größte Auswahl an Handyspielen führt irgendwann in die gähnende Langeweile. Nach ein paar Tagen sind alle Neuigkeiten via Facebook, WhatsApp & Co. ausgetauscht. Und die jüngeren Schüler dürfen ohnehin nicht unbeaufsichtigt zu Hause herumlungern.
TAgescamps Einen Ausweg aus diesem alljährlich wiederkehrenden Dilemma bieten viele jüdische Gemeinden mit ihren Ferienaktivitäten. Gerade für die jüngeren Schüler attraktiv sind die sogenannten Tagescamps. In Offenbach können Fünf- bis Zwölfjährige am »Sommerferienlager Gan Alef Israel« teilnehmen. Für dieselbe Altersgruppe organisiert Chabad in verschiedenen Städten Tagescamps, und auch die Jugendzentren legen sich ins Zeug: In Frankfurt etwa veranstaltet Amichai unter dem Motto »Geht nicht gibt’s nicht« ein Zirkus Kef Camp.
Doch für Kinder und Jugendliche, die abends nicht unbedingt in ihrem eigenen Bett liegen wollen, sollen oder müssen, gibt es die traditionellen Machanot, die Jugendferienlager. Größter Anbieter ist für alle Gemeinden in Deutschland die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Sie sorgt alljährlich dafür, dass gleich an vier verschiedenen Orten – in Bad Sobernheim bei Frankfurt, den beiden italienischen Badestädtchen Gatteo a Mare und Bellaria sowie in Israel – unter dem Motto »One Machane can change everything« – die Hütten beben.
kooperation Erstmalig kooperiert die ZWST in diesem Jahr bei allen Machanot mit Makkabi Deutschland. Eine »Win-win«-Situation, wie Rebecca Kowalski, als Makkabi-Präsidiumsmitglied für die Jugendarbeit zuständig, es formuliert: »Die ZWST profitiert von unserer Professionalität. Und wir können – gerade auch bei den älteren Jugendlichen – sehen, ob vielleicht unentdeckte Sporttalente dabei sind. Zudem können wir Makkabi bekannter machen. Gerade in kleineren Gemeinden wissen viele nicht, dass wir einen Ortsverein haben.«
In Bad Sobernheim wird Makkabi vier verschiedene AGs anbieten: Schwimmen, Fußball, Tischtennis und Kampfsport beziehungsweise Selbstbewusstseinstraining. In Italien gibt es keinen Schwimmunterricht, dafür aber (Beach-)Volleyball. Diese Mannschaftssportart wird derzeit bei Makkabi neu aufgebaut.
Sportcamps Das alles sieht Rebecca Kowalski nur als Anfang: »Wir planen eine langfristige Kooperation mit der ZWST, bei der wir weitere Sportarten anbieten werden. Darunter auch weniger bekannte«, verspricht sie. Zudem will Makkabi Deutschland künftig eigene Sportfreizeiten organisieren – »aber nicht in Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu den Angeboten der ZWST«, wie Kowalski sagt. Die Sportcamps sollen eine Woche oder ein verlängertes Wochenende dauern.
Das dürfte etlichen Kindern entgegenkommen, die in diesem Jahr nicht nach Bad Sobernheim fahren, weil dort nur knapp zweiwöchige Machanot im Angebot sind. Für viele Kinder ist das zu lang. »Meine Tochter ist erst acht und würde sofort fahren, wenn es einwöchige Freizeiten gäbe«, sagt eine Mutter aus Frankfurt. Die Idee, ihr Kind »mittendrin« abzuholen, hat sie verworfen: »575 Euro sind ohnehin schon sehr viel Geld. Für eine Woche wäre das wirklich absurd teuer!« Der Sohn einer anderen Frankfurterin »fährt nur mit, weil ich ihm versprochen habe, ihn abzuholen, falls er es nicht aushält«.
Gruppendynamik Die ZWST hält ihr Zweiwochenkonzept indes für richtig und wichtig: »Die von uns geplanten Aktivitäten brauchen einen gewissen Zeitraum, und eine Gruppendynamik bekommt man in nur einer Woche nicht hin«, argumentiert Aron Schuster, stellvertretender Direktor der ZWST.
Die Größeren sehen das ohnehin cooler: »Heimweh, wenn ich auf Machane bin? Nein! Wenn ich traurig bin, dann eher, weil das Machane zu Ende ist und ich meine Freunde lange nicht wiedersehe«, meint eine Zwölfjährige. Für sie geht es in diesem Jahr zum ersten Mal nach Italien. Der Wermutstropfen dabei: Ihre Freundin, deren Eltern keine Gemeindemitglieder sind, darf nicht mitfahren.
Nur in Ausnahmefällen dürfen Kinder oder Jugendliche, die keine jüdische Mutter haben, dabei sein. »Wir sprechen dann mit dem Rabbinat und prüfen, ob eventuell ein Übertrittswunsch vorliegt«, erklärt Schuster die Vorgehensweise.
Am Echad Auch in die Sommercamps von Am Echad, die zu Lauder Yeshurun gehören, darf nur mitfahren, wer laut Halacha jüdisch ist. In diesem Jahr geht es für Zwölf- bis 18-Jährige für zehn Tage in eine Jugendherberge nach Österreich.
Auf dem Programm stehen, wie Organisatorin Anna Segal ankündigt, unter anderem viele verschiedene Workshops, sportliche Aktivitäten, Peulot, Kunstprojekte Iwrit-Unterricht und Englischtraining. In diesem Sommer nehmen insgesamt rund 70 Kinder und Jugendliche teil, die aus ganz Deutschland und den USA kommen. Das nächste Am-Echad-Camp ist für den Winter geplant.
Die Union progressiver Juden (UpJ), die der internationalen Jugendbewegung von Netzer angeschlossen ist, nimmt auch Kinder mit auf Machane, wenn nur deren Väter jüdisch sind. Für die Madrichim allerdings gilt das nicht, sie müssen halachisch jüdisch sein.
Jugendherberge Die UpJ mietet sich jeweils in einer Jugendherberge ein, in diesem Jahr geht es für die Acht- bis 17-Jährigen für zwei Wochen nach Ostfriesland. »Wir fahren mit fast 100 Kindern«, sagt Jugendleiter Konstantin Seidler. Mit von der Partie sind dabei nicht nur UpJ-Kinder, sondern auch junge Mitglieder aus Einheitsgemeinden des Zentralrats.
Weil nicht koscher gekocht werden kann, gibt es vegetarisches Essen, sagt Seidler. Auf dem Programm stehen täglich Peulot (Lernstunden) und »philosophischer Gedankenaustausch«. Unter rabbinischer Begleitung wird mit den noch neuen Netzer-Siddurim Schabbat gefeiert.
»Wir sind ideologisch offen, wollen den Kindern und Jugendlichen aber ihre jüdische Identität näherbringen«, sagt Seidler. Die meisten Eltern der Machanot-Teilnehmer lebten säkular, diese könnten aber »über die Madrichim an die jüdische Religion herangeführt werden«. Deswegen sei auch das einwöchige Winter-Machane wichtig, das »von der ganzen Weihnachtsfeierei weg« führe.
MASADA Das Sommer-Machane der UpJ ist bereits ausgebucht, ebenso die Reise der Zionistischen Jugend in Deutschland (ZJD). Das zehntägige Machane für Teilnehmer ab zwölf Jahren findet selbstredend in Israel statt. Für die Mitglieder der Ortsgruppen in Frankfurt, Berlin und München steht ein »wirklich tolles Programm« an, wie Shai Levi, Schaliach in Frankfurt, ankündigt. Dazu zählen unter anderem ein Freiwilligeneinsatz bei einer Einrichtung der WIZO, ein Treffen mit israelischen Soldaten, eine traditionelle Schabbatfeier und eine Tour auf die Festung Masada.
Angebote, um die 44 Ferientage dieses Sommers sinnvoll zu gestalten, gibt es also ausreichend – und die nächsten Schulferien kommen bestimmt. Makkabi bietet beispielweise in Frankfurt am Main auch Tennis- und Fußballcamps (ohne Übernachtung).
Zu finden sind die verschiedenen Camps und Freizeiten im Internet unter:
www.zwst.org/de/junge-generation
www.ujp-netzer.de
www.makkabi.de (auf die Links zum jeweiligen Ortsverein klicken)
www.amechad.info
www.zjd-habonim.de