Der Auftakt zur Woche der Brüderlichkeit in München dürfte bis auf Weiteres das letzte große Event im Saal des Alten Rathauses gewesen sein. Inzwischen haben Stadt und Freistaat wegen der Corona-Pandemie alle kulturellen Aktivitäten auf Null heruntergefahren.
Festredner Konrad O. Bernheimer sprach jedoch noch vor einem voll besetzten Saal, wie auch der Gästeliste zu entnehmen war. Erschienen waren Kardinal Reinhard Marx, die Rabbiner Shmuel A. Brodman und Steven E. Langnas, die Münchner Ehrenbürgerinnen, Alt-Bürgermeisterin Gertraud Burkert und IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, sowie Ludwig Spaenle, Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus.
antisemitismus Bayern Justizminister Georg Eisenreich überbrachte nicht nur die Grüße der Staatsregierung, sondern fand auch deutliche Worte gegen um sich greifenden Hass, Vorurteile, Ausgrenzung und Antisemitismus: »Wenn sich 75 Jahre nach der Befreiung Antisemiten aus der Deckung wagen, müssen wir handeln, und zwar entschlossen.« Er bekräftigte auch einen Satz, den man inzwischen immer wieder hört: »Antisemitismus hat in Bayern keinen Platz.«
In der Zivilgesellschaft, so Eisenreich, könne jeder etwas tun. Meinungsfreiheit ende da, wo das Strafrecht beginne. Die Justiz in Bayern gehe gegen geistige Brandstifter vor. Es gebe inzwischen auch Beauftragte gegen »Hate Speech« an allen Gerichten Bayerns.
Der rechten Gewalt demokratische Kräfte entgegensetzen, fordert Kulturreferent Anton Biebl.
Unmissverständliche Worte fand in Vertretung des Oberbürgermeisters auch der Münchner Kulturreferent Anton Biebl. Ein zunehmendes Gefühl der Entsolidarisierung zeige, wie notwendig es sei, der rechten Gewalt alle demokratischen Kräfte entgegenzusetzen. Man dürfe das Feld nicht den Antidemokraten überlassen.
beispiele Biebl nannte mehrere Beispiele. Aus dem Gedenkakt für die Opfer des Brandanschlags auf das jüdische Gemeindehaus 1970 erwachse ein neues Forschungsprojekt über die Biografien der sieben Ermordeten. Sein Hinweis auf die Internationalen Wochen gegen Rassismus in München hat sich inzwischen allerdings erledigt – wegen der Absage aller Veranstaltungen.
Ein ergreifender Moment waren die Standing Ovations, die der Unternehmer, Kunsthändler und Autor Konrad O. Bernheimer, launig eingeführt von Reiner Schübel, dem evangelischen Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in München, am Ende seiner Ansprache erhielt. Bernheimer erläuterte, warum er sich sein Leben lang zwischen zwei Stühlen gefühlt habe – als Sohn eines assimilierten deutschen Juden, der im venezolanischen Exil Suizid beging, und einer tief katholischen Mutter.
Bernheimers Appell gegen »das Nicht-Hinschauen, die Gleichgültigkeit, das sich Nicht-Einsetzen für die anderen«, das seine Familie in den 30er-Jahren erlebte, hat tagesaktuelle Brisanz.