Geburtstage

So alt wie Israel

Als David Ben Gurion die Unabhängigkeit des Staates Israel deklarierte, schrieb man den 5. Ijar 5708. Laut gregorianischem Kalender fiel das jüdische Datum auf den 14. Mai 1948. 70 Jahre wird der jüdische Staat nun alt.

2018 feiern wir den 5. Ijar am Abend des 19. April. Die Jüdische Allgemeine hat Gemeindemitglieder gesucht und gefunden, die genauso alt sind wie der Staat Israel und ihren Geburtstag im Frühjahr 2018 feiern.

Sie wurden in der Schweiz, der Ukraine, Russland, im jungen Staat Israel oder im ehemaligen Jugoslawien geboren, haben als Zahnarzt, Sozialwirt oder Künstler gearbeitet und leben seit vielen Jahren in Deutschland. Wir haben sie nach ihrer Lebensgeschichte und ihrem Verhältnis zu Israel gefragt. Hier lesen Sie ihre Antworten.

Yosif Arbitmann, Freiburg
Yosif Arbitmann hat seinen weltlichen Geburtstag am 14. April gefeiert. Seit mehr als 25 Jahren lebt er nun schon in Deutschland, im beschaulichen Breisgau. Arbitmann wurde in einem kleinen Ort in der Ukraine geboren und lebte viele Jahre in St. Petersburg, wo er, wie auch später in Deutschland, als Zahnarzt arbeitete. Er hat sich für Freiburg als Wohnort entschieden. Einige seiner Verwandten leben in Israel, die er dort auch schon besucht hat. Es habe ihm sehr gut in Eretz Israel gefallen, erzählt Arbitmann. Das sei allerdings auch schon wieder vier bis fünf Jahre her. Er informiere sich jedoch regelmäßig über die politischen Vorkommnisse. Auch wenn er nicht dort lebe, wünsche er Israel zum Geburtstag alles Gute. Er freut sich über den Staat. Noch besser wäre es allerdings, wenn es keinen Krieg gäbe, sagt Arbitmann.

Dany Bober, Wiesbaden
Nummer 6 steht auf seiner Geburtsurkunde. Dany Bober war das sechste Kind, das nach der gerade erfolgten Staatsgründung am 28. Mai 1948 in Naharija geboren wurde. »In einem Jeckesdorf«, wie Bober erzählt. Der Vater stammte aus Frankfurt und war in allerletzter Minute über England geflohen, die Mutter kam aus Dinslaken und hatte sich in einem Hachschara-Lager auf das Leben in Palästina vorbereitet. In Naharija trafen sich die beiden. Doch der Vater kam in Israel nicht zurecht, und so entschied die Familie, nach Frankfurt beziehungsweise Wiesbaden zurückzukehren. Sein Talent, seinen Humor und seine Liebe zur Musik habe er wohl von seinem Vater geerbt, meint Dany Bober, und als er vor zwei Jahren beim Katholikentag auftrat, hätten ihm Jugendliche attestiert, er sei eine echte »Rampensau«, was er als absolutes Kompliment ansehe. Musikalische Auftritte hat Bober vor allem im Umfeld von christlich-jüdischen Veranstaltungen. Mit seinen Vertonungen von Psalmen gastiert er auch in jüdischen Gemeinden. Seinen Brotberuf übte der ausgebildete Verwaltungsfachwirt aber fast 40 Jahre lang im Landeswohlfahrtsverband Hessen aus. Seinen Lebensmittelpunkt hat Bober in Hessen, doch Israel »war und ist die Heimat im Hinterkopf«. Eine geistige Heimat, der er vor allem »Schalom« wünscht.

Hanna Giltmann, Dortmund
Als Hanna Giltmann in einem kleinen Örtchen nahe Czernowitz in der Bukowina geboren wird, mögen in Palästina die Vorbereitungen auf die Unabhängigkeitserklärung eines jüdischen Staates auf Hochtouren gelaufen sein. Es ist der 13. April 1948. Solange sie in der Ukraine lebte, war Czernowitz ihr Zuhause; bis auf das Studium in Moskau, wo sie Business, Marketing und Management studierte, hat sie hier gelebt und war 24 Jahre lang Lehrerin und Schulleiterin für russische Sprache und Literatur. 1993 gehörte sie jedoch zu den ersten Kontingentflüchtlingen, die nach Deutschland kamen, gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrem Bruder und dessen Familie. Sie lebten in Dortmund. Jetzt unterrichtete sie nicht mehr Literatur, sondern gab den vielen, die nach ihr kamen, Tipps für das Sozialamt und Hilfestellungen zur Bewältigung der deutschen Bürokratie. Sie arbeitete in der Sozialabteilung der Dortmunder Gemeinde. Zweimal war sie in Israel, einmal privat und einmal beruflich mit der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden, da habe man Altenheime und Krankenhäuser besucht. Privat war sie mit Freundinnen unterwegs. Die Israelis – so ist sie seitdem überzeugt – sind das fröhlichste Volk in der ganzen Welt. Genauso fröhlich will sie auch ihren 70. Geburtstag feiern.

Efim Kerzhner, Leipzig
Efim Kerzhner wurde am 12. April 1948 in Kiew geboren. 1995 kam er als Kontingentflüchtling nach Leipzig. Er liebt die Atmosphäre der Stadt und meint, dass hier »sehr gute Leute leben«. Er fühlt sich auch deshalb wohl, weil er hier und vor allem in der jüdischen Gemeinde eine feste Aufgabe hat: Er ist sozusagen ihr Kulturbeauftragter. Kerzhner ist verantwortlich für alle Klubs und kulturellen Veranstaltungen, für die Durchführung von Kidduschim und Feiertagen. Noch heute erteilt der ausgebildete Kunstmaler den Kindern Kunst- und Malunterricht, was ihn voll und ganz in Anspruch nimmt. Die Familie ist über die ganze Welt verstreut. Seine Angehörigen leben in Amerika, Australien und Israel, wo er sie auch schon einmal besucht hat. Aber wohl fühlt er sich in Leipzig.

Vladimir Balabir, Rottweil
Er würde gern einmal wieder nach Israel fahren, aber so eine Reise ist teuer. Vor sieben Jahren war Vladimir Balabir gemeinsam mit seiner Frau dort und hat seine Cousins besucht. Es habe ihm sehr gut gefallen, sagt Balabir, der am 8. April 1948 in Wladiwostok geboren wurde. Er machte eine Ausbildung zum Schiffsingenieur und Elektriker, und wenn Not am Mann ist, hilft er auch heute überall in der Gemeinde aus, erzählt Tatjana Malafy über ihn. 2007 war die ganze Familie Balabir, das heißt, er und seine Frau sowie die Mutter, Bruder Efim mit seiner Frau, drei Kindern und einem Enkel, nach Deutschland gekommen. In seinem Beruf habe er nicht mehr arbeiten können, aber Aufgaben gibt es für ihn genug. Berühmt sind Vladimir und der ein Jahr ältere Bruder Efim in der Gemeinde vor allem durch ihre Stimmen, sie singen im Chor, Vladimir ist Solist. Er hat etliche Gedichte und Lieder verfasst, darunter auch die »Gemeinde-Hymne«, darauf verweist Tatjana Malafy stolz. Auch wenn er von der Grundsicherung leben muss, scheint Vladimir Balabir in Rottweil glücklich. Er und sein Bruder gehören zum Minjan, bei all dem Engagement kommt keine Langeweile auf, und irgendwann wird es doch noch mit einer Reise nach Israel klappen.

Mark Dainow, Offenbach
Mark Dainow kam 1973 nach Deutschland. Er wurde zwei Stunden, nachdem Ben Gurion die Staatsgründung Israels verkündete, in Minsk geboren. Dort studierte er Maschinenbau und arbeitete als Ingenieur in einem Konstruktionsinstitut. Nach einem kurzen Aufenthalt in Israel kam die Familie nach Deutschland. Fast 30 Jahre hat Mark Dainow im technischen Entwicklungszentrum von Opel in Rüsselsheim gearbeitet. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Offenbach, seit 1994 im Vorstand des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen und seit 2014 Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. »Meine Verbundenheit mit Israel ist eine ganz besondere«, sagt Dainow. Er ist häufig im Land, sei es mit gesellschaftlichen oder interreligiösen Gruppen oder aufgrund seiner Funktion im Zentralrat – das letzte Mal vor wenigen Wochen anlässlich des Jugendkongresses. Immer wieder sei er tief beeindruckt vom wissenschaftlichen und technischen Know-how des Landes. »Egal ob Handy, Navigationsgerät im Auto oder Drohnen für Sportübertragungen«, die Basis dafür wurde in Israel geschaffen. Dem Land, das in den 70 Jahren seines Bestehens »keinen einzigen Tag des Friedens erlebt hat«, wünscht er genau dies: »Glückwunsch, Happy Birthday, Mazal Tov für unendlich lange Zeit.«

Marcel Wainstock, Saarbrücken
Marcel Wainstock hat eine bunte Lebensgeschichte. Er wurde am 7. März 1948 zwar in Zürich geboren, hatte aber wegen seiner Eltern einen französischen Pass und lebt seit 1953 im Saarland, das bis Ende 1956 einen Sonderstatus hatte und erst seit 1. Januar 1957 wieder zur Bundesrepublik Deutschland gehört. »Französisch sprach ich ja ohnehin, also konzentrierte ich mich in meinem Romanistikstudium auf Italienisch und Vergleichende Literaturwissenschaft«, was ihn unter anderem ein Jahr nach Florenz führte, erzählt Wainstock, der in seinem Leben viele Jobs ausprobiert hat. Doch sein Hauptberuf sollte für mehr als 20 Jahre der des Geschäftsführers der Jüdischen Gemeinde Saar werden. Seit er 2013 aus dem aktiven Berufsleben ausschied, widmet sich der 70-Jährige noch einmal seinen Studien mit Schwerpunkt Literatur und Kunst, mit dem Ziel, Führungen und Stadtrundfahrten anzubieten, die auch zu jüdischen Stätten führen sollen. Viermal sei er in Israel gewesen, ein großer Familienmensch sei er nicht, aber der Kontakt zur Großcousine sei recht gut. Literatur und Kunst seien ihr gemeinsames Gesprächsthema. Er fühle sich mehr als Europäer, Israel entspreche nicht unbedingt seinem Lebensstil, dennoch sei er froh, dass es den Staat gibt – er sei nun einmal Zufluchtsort für Juden.

Ada Gröper-Sajber, Essen
Einen Tag vor der Verlesung der Unabhängigkeitserklärung wurde Ada Gröper-Sajber am 13. Mai 1948 in Skopje geboren, damals Jugoslawien. Heute ist die 500.000-Einwohner-Metropole die Hauptstadt von Mazedonien. Als diplomierte Germanistin hatte Gröper-Sajber schon vor ihrem Umzug nach Deutschland die Bundesrepublik besucht. Ihr Studium ermöglichte es ihr, in Deutschland beruflich Fuß zu fassen. Mit Israel verbindet Gröper-Sajber vor allem Freundschaften. Verwandte habe sie dort leider nicht, aber die Freunde besuche sie gern. Denkt sie an Israel, fällt ihr stets der Begriff »Heimat« ein, und doch sei ihr Verhältnis zu dem nahöstlichen Staat gespalten, bekennt sie. Und da sie ihren eigenen Geburtstag ohnehin nicht feiert, werde sie auch den Geburtstag des Staates Israel nicht feiern, sagt sie.

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