»Es ist ein wenig wie Pessach Scheni«, vergleicht der Rabbiner der Synagogengemeinde Konstanz, Avigdor Stern, den Anlass, zu dem am Sonntag die Konstanzer Gemeinde eingeladen hatte, mit dem eher etwas unbekannten religiösen Feiertag, der jeweils genau einen Monat nach dem ersten Pessachseder gefeiert wird. »Wenn Sie diesen ersten Seder aus irgendeinem Grund verpasst haben, gibt es in der jüdischen Religion immer noch so eine Art zweite Chance, nochmals einen Seder zu veranstalten«, erläutert Stern.
Genauso sei es für die sieben ehrwürdigen Herren der Gemeinde gewesen. Sie, die sie aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen waren, konnten aus verschiedenen Gründen nie eine Barmizwa feiern. Deshalb organisierte die Gemeinde für die 70- bis 80-Jährigen jetzt ein ganz besonderes Fest.
Vorbereitung Zehn ältere Menschen hatten in den vergangenen Monaten jeweils am Freitag an einem Vorbereitungskurs teilgenommen. »Die Teilnahme war Bedingung, um jetzt bei der großen Feier dabei sein zu können«, berichtet Rabbiner Stern, der seit knapp eineinhalb Jahren am Bodensee amtiert. Sieben hielten durch.
Sie wurden über die Bedeutung der Barmizwa, aber auch das Gebet an sich und viele andere Dinge der jüdischen Religion unterrichtet. Und sie wurden auch zur Tora aufgerufen. Entsprechende Segenssprüche, die dafür nötig sind, erklärte ihnen Rabbiner Stern ebenfalls.
»Die ›Barmizwa-Jungs‹ haben das alles mit großer Begeisterung absolviert«, erzählt Rabbiner Stern. Wobei das Wort »Jungs« wirklich in Anführungszeichen stehen müsse, fügt er schmunzelnd hinzu. Denn sie haben allesamt den 13. Geburtstag schon weit hinter sich gelassen, den die Halacha eigentlich für die Barmizwa vorschreibt. »Der Jüngste unter ihnen ist 24 Jahre alt«, sagt Stern, also fast doppelt so alt wie ein »normaler« Barmizwa-Junge; der Zweitjüngste ist 69.
Geschenke »Angefangen hat alles im Zusammenhang mit einer Barmizwa eines Jungen aus der Gemeinde Anfang dieses Jahres«, erzählt Stern. Dieser konnte seinen großen Tag wie üblich mit 13 Jahren feiern. »Damals kamen einige der Zuwanderer zu mir und fragten mich, wieso sie eigentlich nur aufgrund ihrer Herkunft auf diesen großen Tag verzichten müssten. Ihre Argumente leuchteten mir sehr ein«, erzählt der Rabbiner weiter. Also begann er, gemeinsam mit dem Gemeindevorstand diesen Tag zu planen und in die Tat umzusetzen.
Und so hatten die sieben nun ihre eigene große Feier. Die Barmizwa-Teilnehmer erhielten einen Tallit, den Gebetsschal, sowie eine Ausgabe der Tora, notabene auf Hebräisch mit einer russischen Übersetzung. Und sie erhielten eine Urkunde, die sie und ihre Nachwelt an diesen speziellen Tag erinnern soll.
Die Gemeinde Konstanz hofft in diesem Jahr auf eine weitere große Feier: Noch diesen Sommer soll der Spatenstich für die neue Synagoge erfolgen.