Die Auseinandersetzungen der vergangenen Monate in Israel um die Diskriminierung von Frauen, die Geschlechtertrennung im öffentlichen Raum und den Missbrauch von Symbolen der Judenverfolgung durch die Nazis bei Demonstrationen von ultraorthodoxen Juden in Israel haben im Frankfurter »Treffpunkt« für Überlebende der Shoah zu heftigen Diskussionen geführt. Als Ergebnis formulierten sie einen offenen Protestbrief an den Botschafter des Staates Israel:
»Wir sind jüdische Überlebende der nationalsozialistischen Judenvernichtung, die seit fast zehn Jahren wöchentlich im Frankfurter ›Treffpunkt für Überlebende der Shoah‹ zusammenkommen. Während der Zeit der Verfolgung erlebten wir Schikane, Diskriminierung und Deportation. Wir überlebten Konzentrationslager, Ghettos oder im Versteck. Die meisten von uns hatten Häftlingskleidung zu tragen und ›Judensterne‹. Wir durften nicht mit der Straßenbahn fahren. Und wir mussten den Gehweg räumen, wenn uns ›Herrenmenschen‹ begegneten.
Empörung Vor diesem Hintergrund ist in uns eine große Empörung entstanden zu erfahren, was sich insbesondere in den letzten Monaten und Jahren in Israel zugetragen hat und noch heute geschieht. Wir können nicht akzeptieren, dass eine Minderheit von fanatischen ultraorthodoxen Juden der allgemeinen Bevölkerung ihre Vorstellungen davon aufzuzwingen versuchen, wie man ›richtig‹ zu leben hat.
Es ist für uns unerträglich, wenn Menschenrechte verletzt werden, wenn die Gleichberechtigung von Männern und Frauen verweigert wird. Es ist unerträglich uns vorzustellen, dass Frauen in einem demokratischen Staat im 21. Jahrhundert in militanter Weise aufgefordert werden, in Bussen hinten zu sitzen, bestimmte Gehsteige oder Kassen in Supermärkten zu benutzen, dass Kinder und Frauen angespuckt und bedroht werden, weil sie ›unzüchtig‹ gekleidet seien.
Missbrauch Aufs schärfste aber verurteilen wir den Missbrauch der Erinnerung an die Shoah. Einige ultraorthodoxe Juden trugen bei ihren Demonstrationen gestreifte Kleidung, welche KZ-Bekleidung darstellen sollte. Kinder trugen ›Judensterne‹ und ›ergaben sich‹ symbolisch, als wären sie in Gefahr, gefangen genommen zu werden.
Diejenigen, die sich so ignorant und rückwärtsgewandt gebärden, relativieren die Schuld der Nazis, wenn sie sich als heutige Verfolgungsopfer darstellen, wenn sie das Verhalten der israelischen Behörden und Polizei mit der Nazi-Verfolgung der Juden gleichsetzen.
Gerade für uns Überlebende, die am eigenen Leibe erfahren haben, was die Nazis mit den Menschen anstellten, die sie verfolgten und ermordeten, ist dies in keiner Weise hinzunehmen. Gerade auch deshalb fühlen wir uns aufgefordert, uns öffentlich zu Wort zu melden. Wir unterstützen den Protest und Widerstand gegen diese Auswüchse extremistischer Fanatiker.«
info@treffpunkt-ffm.de