Neuberger-Medaille

»Sie haben eine klare Haltung«

Sehr geehrter Herr Dr. Horowitz, verehrte Damen und Herren, liebe Frau Dr. Strack-Zimmermann,

Für mich ist es eine große Ehre, dass ich heute hier stehen darf, um die Laudatio auf Sie zu halten. Und das an einem so besonderen Ort wie in der Synagoge jener Stadt, die ich als Heimat empfinde und in der ich fast dreißig Jahre gelebt habe. Ich danke der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, dass diese Sie, liebe Frau Strack-Zimmermann heute mit der Josef-Neuberger-Medaille 2023 auszeichnet. Ihr Engagement, liebe Frau Strack-Zimmermann ist jetzt bedeutender, denn je.

”Antisemitismus ist ein Angriff auf die Grundwerte unserer Gesellschaft. Wir müssen uns vereinen und für eine Welt eintreten, in der Vielfalt geschätzt wird und Hass keinen Platz hat.” Ein Zitat der im Jahre 2021 verstorbenen Shoah-Überlebenden Esther Bejarano.

Am 7. Oktober wurden durch die bestialischen Angriffe der Hamas in Israel diese Werte mit Füßen getreten. Viele von ihnen hier in der Synagoge haben wahrscheinlich Freunde oder Verwandte in Israel. Vielleicht kennen Sie sogar Betroffene, der Attentate oder der Geiselnahmen. Ihnen gilt heute unser Mitgefühl.
Wir trauern um die unschuldigen Opfer dieses Krieges.

Spätestens seit diesem denkwürdigen Tag ist auch jüdisches Leben in Deutschland wieder existenziell bedroht. Das dürfen wir als deutsche Zivilgesellschaft nicht zulassen. Wir müssen uns hier mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln wehren.

Menschenhass muss nach Recht und Gesetz bekämpft werden. Die Antwort auf die Verbreitung von Hass Botschaften muss unmissverständlich sein.

Der Verdrehung und Verfälschung von Tatsachen müssen wir mit Entschlossenheit entgegentreten. Wenn Täter sich zu Opfern stilisieren, müssen wir konsequent für die Wahrheit eintreten

In Schulen sollte deshalb Staatsbürgerkunde zur Pflichtübung werden. Hasspredigten müssen verboten und unterbunden werden.

Das Deutschland, das sich 1949, als Bundesrepublik neu gegründet hat, hat die Unantastbarkeit der Würde des Menschen als oberstes Gebot gewählt. Wenn wir es damit wirklich ernst meinen, müssen wir konsequent nach diesem Grundsatz leben und handeln.

Hass, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit plagen uns täglich. Deutschland steht hier, viel mehr als andere Länder, in der Pflicht, eine offene und tolerante Gesellschaft zu sein. Aber auch eine starke Demokratie, die sich klug zu wehren weiss.

Da mutet es mitunter schmerzlich an, dass die frühen Werke meiner Kollegen Otto Waalkes und Harald Schmidt nur noch mit Warnhinweis versehen, ausgestrahlt werden, während ein AFD Vorsitzender aus Thüringen weiter seine rechtsradikale Hetze öffentlich betreiben darf.

Liebe Frau Dr. Strack-Zimmermann, Sie sind eine Persönlichkeit und Politikerin, die Antisemitismus nachhaltig bekämpft. Ihre Geradlinigkeit, Ihre Offenheit und ihr Mut in der politischen Debatte sind für mich vorbildlich. Wir alle wünschen uns mehr Menschen in diesem Land, die sich wie Sie, für unsere demokratischen Werte eintreten.

Josef Neuberger als Namensgeber dieser Preisverleihung kehrte als Holocaust-Überlebender nach Düsseldorf zurück, um sich für genau diese Werte einzusetzen. Er hat für Düsseldorf, für Nordrhein-Westfalen und auch für diese Jüdische Gemeinde sehr viel getan. Dieses Erbe tragen Sie, liebe Frau Strack-Zimmermann, ganz klar weiter – sowohl politisch als auch menschlich. Josef Neuberger gilt für uns alle als ein Vorbild, nicht nur aufgrund seiner Rückkehr nach der Schoa, sondern auch, weil es ihm gelungen ist, Veränderungen herbeizuführen.

Ihr großes Engagement für Düsseldorf, aber auch bundesweit hat Ihnen Anerkennung und Respekt eingebracht. Ihre leidenschaftliche Arbeit für soziale, bildungspolitische und frauenpolitische Themen hat spürbar positive Veränderungen herbeigeführt.

Sie sind aufgewachsen mit Ihren beiden großen Brüdern, die Ihnen beigebracht haben, wie Sie selbst sagen, dass man sich nicht »die Wurst vom Brot nehmen lässt«. Beste Vorraussetzungen für die Politik. Obwohl Kanzler und Vizekanzler nicht den Eindruck machen, als könnten sie Ihnen die Wurst vom Brot nehmen.

Sie verfügen zweifelsfrei über das nötige Durchsetzungsvermögen und stehen ganz offen zu ihrer eigenen Meinung. – auch, wenn diese Meinung manchmal aneckt.

Ich wünsche mir ein tolerantes, respektvolles Land in dem man offen miteinander umgeht, ganz unabhängig von Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung.

Seit einigen Jahren wird unsere immer noch junge Demokratie auf eine harte Probe gestellt. Die Zustimmungswerte für die rechtsradikale AfD steigen in dramatischer und rasanter Weise. Da gibt es auch nichts mehr zu beschönigen oder klein zureden. Es droht Gefahr und das gilt es zu erkennen. Staat und Gesellschaft hätten dieser zersetzenden Kraft im Schulterschluss früher und deutlicher entgegentreten müssen.

Wir haben unterschätzt wie stark der Wille zur Zerstörung unserer offenen und freien Gesellschaft auf Seiten der Gegner geworden ist. Unter diesen zugespitzten Umständen kann sich eine Bundesregierung tatsächlich keine Fehler mehr erlauben. Unser Wille zum Erhalt der Demokratie muss stärker sein, als der der Feinde. Die Corona-Pandemie und die Querdenker auf deutschen Straßen haben furchtbaren Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit offengelegt.

Ja, wir müssen andere Meinungen auch ertragen können. Antisemitismus ist jedoch keine Meinung, sondern ein Angriff auf die Menschlichkeit.
Unsere Demokratie braucht Menschen wie Sie Frau Strack Zimmermann. Menschen, die den Finger in die Wunde legen, um etwas zu verändern.
Jüdisches Leben ist ein Geschenk für dieses Land. Und das schon seit 1700 Jahren!

Sie haben immer einen engen Austausch zur Jüdischen Gemeinde gepflegt und für den nachhaltigen Kampf gegen Antisemitismus und für den Abbau von Vorurteilen geworben. Sie haben in Düsseldorf bereits vor Ihrer bundesweiten Bekanntheit an Gedenkstunden für die Opfer der Shoah teilgenommen, weil es unsere Pflicht ist den vielen Opfern zu gedenken. Für Sie stand das niemals zur Debatte – und das ehrt Sie sehr!

Auch der interreligiöse Dialog stand bei Ihnen immer weit oben auf der Agenda, weil eben auch das Antisemitismus nachhaltig bekämpfen kann. Sie haben den Austausch zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften immer gefördert, weil nur durch den Dialog ein Miteinander möglich ist.

In Ihrer Zeit in Düsseldorf war der Schutz jüdischer Einrichtungen ebenfalls ein wichtiges Thema. Sie Leider ist es nach wie vor und mehr denn je so, dass jüdische Einrichtungen beschützt werden müssen.Da wird es in Zukunft noch jede Menge zu .

Liebe Frau Strack-Zimmermann, in die Politik zu gehen, war nicht Ihr Lebenstraum, denn Sie sind dann doch recht spät in die Politik gegangen. Wie ich gelesen habe, war ein Zebrastreifen an der Kita Ihrer Kinder der Auslöser dafür in die Kommunalpolitik zu gehen, daher wollte ich einmal fragen, gibt es diesen Zebrastreifen denn heute noch?

Durch zahlreiche Auftritte in digitalen Formaten, in der Zusammenarbeit mit jungen Menschen, gelingt es Ihnen auch diese so wichtige Zielgruppe in Ihrer Arbeit zu erreichen. Und da spielt selbstverständlich auch Ihr Humor eine entscheidende Rolle. Sich manchmal selbst nicht zu ernst nehmen, ja damit kommt man in der einen oder anderen Situationen dann doch recht weit. Eine Politikerin, die eine Situation durch Humor auch mal auflockern kann, ist genau das, was dieses Land braucht.

Ihre sympathische Art, macht Sie einzigartig und unterscheidet Sie von so manchem konservativen Sauerländer.

Sie haben eine klare Haltung, eine klare Meinung, äußern diese auch und machen sich dadurch vielleicht nicht bei allen beliebt. Doch Ihre Schlagfertigkeit, Ihre Offenheit und auch Ihre Sachkenntnis machen Sie nicht nur zu einer angesehenen und starken Politikerin, sondern zu einem großartigen Menschen, den ich sehr bewundere.

Liebe Frau Strack-Zimmermann, ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihr Engagement, für Ihre Arbeit, für Ihre Menschlichkeit und für Ihren Einsatz für eine offene und tolerante Gesellschaft.

Mein Lieblingsphilosoph, der Amsterdamer Baruch de Spinoza
hat im 17 Jahrhundert schon gut beschrieben, wofür Sie heute als Mensch stehen: »Der letzte Sinn des Staates ist nicht, zu herrschen, noch die Menschen in Furcht zu erhalten oder sie fremder Gewalt zu unterwerfen, sondern vielmehr den Einzelnen von der Furcht zu befreien, damit er so sicher wie möglich leben und sein natürliches Recht, zu sein und zu wirken, ohne Schaden für sich oder andere, vollkommen behaupten kann. Es ist nicht der Zweck des Staates, die Menschen aus vernünftigen Wesen zu Tieren oder Automaten zu machen. Der Zweck des Staates ist in Wahrheit die Freiheit.« Baruch de Spinoza (1632–1677)

Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zur Josef-Neuberger-Medaille 2023.

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