Gemeinden

Sicherheit geht vor

Beten mit Abstand in der Synagogengemeinde Sukkat Schalom Foto: Massimo Rodari

Ich diskutiere nicht mitten in einer Pandemie», sagt Rabbiner Boris Ronis energisch. Wenn ein Beter sich nicht so verhält, wie es derzeit vorgeschrieben ist, und eine Ermahnung nicht wirkt, dann kann es schon mal vorkommen, dass derjenige die Synagoge verlassen muss und der Gottesdienst ohne ihn stattfindet. «Das tut mir zwar leid, aber die Sicherheit geht vor», so der Rabbiner, der in der Synagoge Rykestraße und im Minjan im Seniorenzentrum amtiert. Er habe dann auch nicht die Zeit zu erklären, warum es so wichtig ist, sich an die Hygienemaßnahmen zu halten.

In der Synagoge Rykestraße gelten die 3G-Regeln, also vollständig geimpft, genesen oder getestet. Ferner herrscht Maskenpflicht, und jeder Beter muss sich in eine Anwesenheitsliste eintragen. Kidduschim gibt es derzeit nicht. «Das Leben und die Gesundheit sind wichtiger», sagt der Rabbiner. Er würde auch eher eine Veranstaltung absagen, wenn die Schutzmaßnahmen ignoriert würden.

VORSICHT Der Berliner Senat hat angesichts der verschärften Corona-Lage eine deutliche Ausweitung der Regeln beschlossen. So ist seit Montag der Zutritt etwa zu Kinos, Theatern, Restaurants und zum Friseur nur noch für Geimpfte und Genesene möglich. Gottesdienste sind davon ausgenommen. Dort gilt die 3G-Regel.

Lieber vorsichtig als nachsichtig möchte Boris Ronis auch bei LeDor Vador, dem Minjan des Jeanette-Wolff-Seniorenzentrums in der Dernburgstraße, agieren. Da der eigentliche Raum zu klein ist, kommen die Beter und er für die Gottesdienste im Foyer zusammen.

Der Rabbiner achtet dabei darauf, dass die Abstände eingehalten werden, denn die älteren Bewohner seien besonders gefährdet. «Ich bete, dass nichts passiert und alle infektionsfrei bleiben, aber wenn es einen Vorfall geben sollte, dann wäre sofort Schluss mit den Gottesdiensten», sagt Rabbiner Ronis.

kritik Ein paar Meter weiter bei der Synagogengemeinde Sukkat Schalom in der Herbartstraße kommen nur Beter herein, die geimpft oder genesen sind. «Die 2G-Regel setzen wir seit Anfang November um», sagt Liam Rickertsen, Vorsitzender der Gemeinde. Offizielle Kritik vonseiten der Synagogenbesucher habe er nicht gehört. Spontan fallen ihm nur zwei Beter ein, die sich nicht impfen lassen wollen, die anderen haben das Vakzin bereits erhalten. «Wir bleiben rigoros, denn wir wollen unsere eigenen Leute schützen.»

Allerdings gibt es für Kinder unter zwölf Jahren eine Ausnahme, denn sie können sich noch nicht impfen lassen.

Allerdings gibt es für Kinder unter zwölf Jahren eine Ausnahme, denn sie können sich noch nicht impfen lassen. So reicht bei ihnen ein Nachweis über den regelmäßigen, zwei- bis dreimal pro Woche durchgeführten Schnelltest in der Schule oder die Vorlage eines negativen PCR-Tests aus, der maximal 24 Stunden alt ist.

Die Teilnehmer müssen sich nicht mehr vorher anmelden, sondern nur noch in eine Anwesenheitsliste eintragen. «So können sie auch spontan kommen.» Die Abstandsregeln gelten immer noch, und der Nebenplatz muss frei bleiben, außer, wenn es ein Haushalt ist. «Aber ganze Reihen sperren wir nun nicht mehr ab.» 37 Beter können derzeit die Gottesdienste besuchen, denn mehr seien für die Größe des Raumes nicht möglich. Zwischen 30 bis 35 Beter kommen freitags in die Synagoge, am Samstagvormittag etwas weniger. Da zu der Liturgie viel Gemeindegesang gehört, gilt die Maskenpflicht.

KIDDUSCH Einen «Kiddusch light» habe es draußen bisher hinter der Synagoge gegeben. «Aber nur Wein und Brot», erklärt Rickertsen. Nun wird es kalt, weshalb er in die Innenräume verlegt werden soll – mit extra Personal und besonders gründlichen Hygieneauflagen. «Unsere Mitglieder sind alle brav und haben sich impfen lassen», sagt Rabbiner Reuven Yaacobov von der Synagoge Tiferet Israel.

Zu den Gottesdiensten kommen immer dieselben Beter, und wenn jemand Neues dabei sein möchte, dann müsse er sich vorher anmelden. «Ich nehme die Situation ernst, denn wir sind auch eine kleine Familie.» Am Eingang stehe er immer, kontrolliere und führe dann ein Gespräch. Dann entscheide er. Beispielsweise sei einmal eine Gruppe von Interessierten aus Paris gekommen, von denen nicht alle die Bedingungen erfüllten. «Einige konnte ich deshalb nicht hereinlassen.» Später erfuhr er, dass unter ihnen Infizierte waren.

«Wer erkältet ist oder Kopfschmerzen hat, soll zu Hause bleiben.» Außerdem sind die Fenster «24 Stunden lang offen». Da die Synagoge in einer höheren Etage in einem Haus an der Passauer Straße untergebracht ist, sei das kein Problem. Auch zum Kiddusch kommen immer dieselben 25 bis 50 Beter.

Wer erkältet ist oder Kopfschmerzen hat, soll zu Hause bleiben.

In den Synagogen von Chabad Lubawitsch gelten nun die 2G-Regeln. «Die Umstellung war nicht schwer, da bei uns 99,9 Prozent der Beter geimpft sind», sagt Rabbiner Yehuda Teichtal. «Wir haben Verantwortung für die Gesellschaft», meint er. Für ihn gebe es da keine Kompromissbereitschaft. Es müsse alles dafür getan werden, die Pandemie einzudämmen. «Ich habe kein Verständnis für die Position der Ungeimpften.»

Ebenfalls unter 2G-Regeln feiern die Beter der unabhängigen Synagogengemeinde Bet Haskala ihre Gottesdienste im Lichtburgforum am Gesundbrunnen. Bisher habe es keine einzige Infektion in der Synagoge Joachimsthaler Straße gegeben, wo sie unter 3G-Regeln zu den Gottesdiensten einladen, meint Rabbiner Yitshak Ehrenberg. Maskenpflicht herrscht, ebenso werde auf den Abstand geachtet. Aber die Barmizwa-Kernfamilie dürfe zusammensitzen, sagt er schmunzelnd.

Es ist ein großes Gotteshaus mit viel Platz für viele Beter – «allerdings kommen die älteren Leute derzeit nicht». Früher seien 120 bis 150 Interessierte zum Kiddusch geblieben, nun seien es vielleicht um die 20. Jeder sitze an einem separaten Tisch und achte auf die Einhaltung aller Regeln. «Es ist eine große Mizwa, nicht krank zu werden und in der Folge eben auch keinen anderen Menschen anzustecken.»

STREAMING «Die Inzidenzzahlen sind leider nicht mehr auf dem erfreulich niedrigen Niveau. Wir bleiben vorsichtig und optimistisch – so möchte ich Sie ermuntern, unter Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen wieder in die Synagoge zu kommen», teilt Rabbiner Jonah Sievers auf der Homepage der Synagoge Pestalozzistraße mit.

«Das Leben und die Gesundheit sind wichtiger.»

Rabbiner Boris Ronis

«Natürlich werden wir auch weiterhin auf die Lage schauen und die Hygieneregeln dementsprechend anpassen», sagt Rabbiner Sievers. Das bedeute derzeit, dass es keine Anmeldepflicht mehr gebe, stattdessen müssen Kontaktdaten hinterlegt werden. Alle, die nicht vollständig geimpft oder genesen sind, müssen einen aktuellen negativen Schnelltest vorweisen, der nicht älter als 24 Stunden ist. Ferner gelte eine Maskenpflicht, wobei die OP-Maske ausreiche. Ebenso werden die Gottesdienste für die Beter, die lieber zu Hause bleiben wollen, gestreamt.

Für den Gottesdienstbesuch in der Synagoge Oranienburger Straße muss man sich laut Homepage anmelden und registrieren lassen. Es wird vorausgesetzt, dass jeder die 3G Regeln erfüllt – so wie vom Senat vorgegeben.

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Hamburg

Hauptsache kontrovers?

Mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille wurde die »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« eröffnet. Die Preisträger sind in der jüdischen Gemeinschaft umstritten

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Purim

Schrank auf, Kostüm an

Und was tragen Sie zum fröhlichsten Fest im jüdischen Kalender? Wir haben uns in der Community umgehört, was in diesem Jahr im Trend liegt: gekauft, selbst gemacht oder beides?

von Katrin Richter  13.03.2025

Feiertag

»Das Festessen hilft gegen den Kater«

Eine jüdische Ärztin über Alkoholkonsum an Purim und die Frage, wann zu viel wirklich zu viel ist

von Mascha Malburg  13.03.2025

Berlin

Persien als Projekt

Eigens zu Purim hat das Kunstatelier Omanut ein Wandbild für die Synagoge Pestalozzistraße angefertigt

von Christine Schmitt  13.03.2025

Wilmersdorf

Chabad Berlin lädt zu Purim-Feier ein

Freude sei die beste Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert