Abschied zu nehmen, fällt nicht leicht, besonders wenn es um einen Menschen geht, mit dem ein freundschaftliches Vertrauensverhältnis entstanden ist. Wenn es dennoch sein muss, dann kommen alle gerne, um ihm »Lebe wohl« und zugleich auch »Auf Wiedersehen« zu sagen.
So waren die Vorstandsmitglieder der IKG und Repräsentanten jüdischer Institutionen und Vereine der Einladung von Präsidentin Charlotte Knobloch gerne gefolgt, um noch einmal mit Tibor Shalev Schlosser bei einem Abendessen in der Gemeinde zusammen zu sein. Der Generalkonsul des Staates Israels in München kehrt zum Monatsende in sein Heimatland zurück.
Sympathien Mit dem Aufbau des Generalkonsulats in München hat Shalev Schlosser in gerade mal zwei Jahren einen bedeutenden Beitrag für das Verständnis Israels in Deutschland gelegt und zudem wichtige wirtschaftliche Impulse gegeben. »Tibor Shalev Schlosser hat wertvolle und feste Bande geknüpft, welche die ohnehin guten deutsch-israelischen ökonomischen Beziehungen noch mehr gefestigt und ausgeweitet haben«, fasste Charlotte Knobloch die Arbeit des Generalkonsuls zusammen. Vor allem habe dieser auch »auf menschlicher Ebene unermüdlich um Sympathien für den jüdischen Staat gesammelt«.
Der scheidende Generalkonsul habe deutlich gemacht, dass Israel nicht nur ein Hightech-Standort und ein Hort der Wissenschaft und des wirtschaftlichen Erfolgs sei, erklärte Knobloch. Er habe vielmehr stets auch darauf hingewiesen, »dass Israel als einzige Demokratie im Nahen Osten eine Oase der Menschenrechte und der freiheitlich-demokratischen Grundwerte ist«.
In ihrer Rede unterstrich Knobloch auch Shalev Schlossers Einsatz für das Gedenken an die Schoa und das Olympia-Attentat in München 1972. Dabei habe er stets auch das Verbindende und das Versöhnende ins Zentrum seiner Arbeit gestellt. »Sie haben die guten und die besten Seiten Israels in den Fokus der Menschen gerückt. Und das Wichtigste: Sie stehen glaubhaft und ehrlich für dieses Israel, das ein wichtiger Partner für Deutschland ist und ein wertvoller Freund.«
löwe Diesen Einsatz unterstrich sie mit einem Abschiedsgeschenk mit doppelter Bedeutung: den bekannten Bayerischen Löwen aus der Manufaktur Nymphenburg. Der löwenhafte Einsatz des Generalkonsuls und das Wappentier Bayerns hätten sie dazu inspiriert, erklärte Knobloch.
Abschiedsgeschenke gab es auch von vielen anderen Gästen. Einige hielten eine kurze Ansprache, etwa Rabbiner Arie Folger und David Leschem von Keren Hayesod. Beim zwanglosen Miteinander im Anschluss wurde eines abermals deutlich: Der scheidende Generalkonsul war stets bürgernah und stand jederzeit zu einem Gespräch bereit. Die Begründung dafür lieferte Shalev Schlosser in seiner persönlichen Rede: Aufgewachsen in einem Kibbuz, habe ihn diese Atmosphäre geprägt – und im Kibbuz gebe es eben keine Distanz.
Als Kind hatte er im Kibbuz oft von der Schoa gehört, erläuterte Shalev Schlosser. Hat sich Deutschland inzwischen geändert? Das habe er sich oft gefragt, sagte er – »und ich bin mir sicher, viele von Ihnen stellen sich diese Frage ebenfalls«.
Deutschland Kennengelernt hat er Deutschland während seiner Studienzeit in Heidelberg im Jahr 1988. Es folgte zwischen 1991 und 1995 die Aufgabe, das Generalkonsulat in Berlin aufzubauen. Danach widmete er sich der Arbeit als Generalkonsul in München. Sein dabei entstandener Eindruck von Deutschland: »Die Bundesrepublik ist heute eine starke Demokratie. Deutschland ist der größte und stärkste Staat Europas und wichtigster Motor für den europäischen Einigungsprozess«, ist er fest überzeugt. »Diese Einigung ist meiner Meinung nach das Wichtigste für den Frieden in Europa. Zudem ist Deutschland der stärkste Partner Israels in Europa.« Zu seinem Bedauern aber lebe der Antisemitismus überall in der Welt weiter, so auch in Deutschland.
Fragen zu der Dreiecksbeziehung »Israel, Deutschland und Judentum« sowie seine ganz persönliche Antworten darauf standen beim gemeinsamen Abend im Restaurant Einstein auf dem Programm. So hatte er sich auch die Frage gestellt, wie man heute als Jude in Deutschland leben könne. Seine Antwort: »Eher als in vielen anderen europäischen Staaten. Aber ist es auch leichter? Ich denke nicht. Die Geschichte des Holocaust ist ein alltägliches Thema hier und eine schwere Belastung. Die jüngere Generation wird immer gleichgültiger, je weiter die Geschehnisse sich mit dem Laufe der Zeit entfernen.«
Aufgabe der Gemeinden sei es deshalb, »gleichzeitig die mahnende Stimme der Vergangenheit zu sein« und in die Erziehung der nachkommenden Generationen zu investieren – mitsamt der jüdischen Werte und Traditionen, die durch Religion übermittelt werden.
stolz Auch auf das Thema Israel und die Diaspora ging der scheidende Konsul ein: »Der Staat Israel ist die Erfüllung eines 2000-jährigen Traums, aber er ist kein Traumstaat, sondern eine nicht einfache Realität in einer nicht einfachen Umgebung«, ist er überzeugt. »Und trotzdem ist es die einzige Demokratie in der Region mit unglaublich großen Errungenschaften in jedem Bereich. Besonders dann, wenn man im Hintergrund die schwierigen Ausgangsbedingungen bedenkt, haben wir wirklich einen Grund, stolz auf Israel zu sein.«
Israel sei freilich nicht perfekt, aber der jüdische Staat habe das jüdische Volk wieder zu einem normalen Volk unter den Völkern gemacht, so Schlosser. Und das Wichtigste: »Israel ist heute eine Art Lebensversicherung der Juden weltweit, wo auch immer sie leben mögen.«
Tibor Shalev Schlosser bekannte, dass er zurückkehre »mit Freude, aber auch ein bisschen traurig. Traurig, weil ich hier viele neue Freunde verlasse.« Er habe seine Aufgabe erfüllt, eine neue Vertretung Israels in München zu errichten. Nun könne sein Nachfolger Dan Shaham diese Beziehungen weiter verstärken und vertiefen. »Diese Beziehungen Israels mit Deutschland und mit der freien Welt sind für uns unverzichtbar«, befand er.
Mit einem »Danke, Shalom und Lehitra’ot« erwiderte er die von Charlotte Knobloch ausgesprochene Einstellung aller Anwesenden: »Lieber Tibor Shalev Schlosser, Sie sind uns jederzeit ein willkommener Gast. Seien Sie bitte auch bald wieder unser Gast. Wir freuen uns immer, Sie zu sehen und zu treffen und zu hören.«