Steigende Flüchtlingszahlen, schwierige Lebenssituationen, traumatisierte Menschen: Die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) in Deutschland stößt angesichts der hohen Flüchtlingszahlen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.
Am Mittwoch, dem bundesweiten MBE-Aktionstag, machten Beratungsstellen vor Ort auf ihre angespannte Situation aufmerksam, darunter auch die Migrationserstberatung der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) und der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen in Herne.
verlässlichkeit »Um die MBE in die Lage zu versetzen, Neuankommenden in Deutschland zu einem guten Start zu verhelfen – auch bei steigenden Beratungszahlen weiterhin nach hohen fachlichen Standards –, sind weitere Investitionen unbedingt notwendig«, schilderte Aron Schuster, stellvertretender Direktor der ZWST, die Situation bei einem Besuch von Michelle Müntefering, SPD-Bundestagsabgeordnete für Herne und Bochum. Die Aufgabenerfüllung der MBE liege im gesellschaftlichen Interesse. »Dafür brauchen wir eine verlässliche und nachhaltige Finanzierung«, betonte Schuster.
Nicht nur die Anzahl der Ratsuchenden habe sich erweitert, sondern auch das Spektrum ihrer Probleme und die Unterschiedlichkeit ihrer Anliegen, erklärte Günter Jek, Koordinator der Migrationsberatungsstellen der ZWST: »Viele Ratsuchende haben höchst komplexen Beratungsbedarf oder müssen traumatische Erlebnisse verarbeiten.« Die MBE sei ein ausgezeichneter Sensor dafür, »wie Integration vor Ort funktioniert und welche Probleme es gibt«.
»Als einer der Träger, der im Auftrag des Bundes Erstberatungen durchführt, gilt unser Beratungsangebot für alle Zuwanderer – egal aus welchem Herkunftsland«, erklärte Jek. »60 Prozent der Nachfrage machen bei uns Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion aus«, berichtete der ZWST-Koordinator. In den bundesweit insgesamt sieben Beratungsstellen der ZWST sprechen sprechen die Mitarbeiter daher Russisch.
förderung Im ersten Halbjahr 2015 haben insgesamt 25 syrische Zuwanderer mit Russischkenntnissen die ZWST-Beratungsangebote in Anspruch genommen. Doch die Angebote der MBE richten sich an Zuwanderer, die bereits einen Aufenthaltstitel haben, gibt Jek zu bedenken. Die »Bugwelle« der jüngsten Flüchtlingskrise stehe noch aus, meint Jek.
Die SPD-Politikerin Müntefering ließ sich die Situation der MBE-Beratungsstellen am Beispiel Herne ausführlich erläutern. Besonders interessierte sie sich für die Vielfalt der Hilfsangebote und die Vernetzung der Einrichtung mit kommunalen Partnern und Initiativen.
Für die Forderung nach mehr Geld sagte die Sozialdemokratin den ZWST-Vertretern ihre Unterstützung zu: »Als Abgeordnete aus dem Ruhrgebiet sehe ich den großen Bedarf, bei der Integrationsberatung für erwachsene Zuwanderer stärker zu fördern«, sagte Müntefering. Dies müsse zusätzlich zu den bereits beschlossenen Maßnahmen bei den Integrationskursen geschehen. Auch die anderen politischen Parteien signalisierten bereits Unterstützung.
bedarf Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Integrationsangebotes fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege eine Erhöhung der Bundesförderung ab 2016 von derzeit 34 Millionen Euro um 20 Millionen Euro auf 54 Millionen Euro. Das MBE-Angebot wendet sich an EU-Zuwanderer, Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung und andere Eingewanderte.
Zurzeit werden pro Jahr bundesweit mehr als 175.000 Menschen mit Einwanderungsgeschichte in 585 MBE-Beratungsstellen sozialpädagogisch unterstützt und begleitet. Laut Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege ist das eine Steigerung um 75 Prozent seit 2011.
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