Es regnet und ist kalt in Frankfurt. Kein Wetter also, bei dem Dina, Bisan und die anderen Mädchen aus ihrer Gruppe freiwillig rausgehen würden – schon gar nicht, um Fußball zu spielen. Weil aber auf dem Programm »Schnuppertraining mit den U16-Frauen« steht, traben die Besucherinnen aus Israel aufs Spielfeld – bekleidet mit Trainingsshirts von Eintracht Frankfurt. Im Sportleistungszentrum des Vereins laufen und kicken die zumeist Kopftuch tragenden Beduinenmädchen eine Stunde lang mit den Frankfurter Fußballerinnen. Und trotz des Regens und der Kälte scheint es ihnen Spaß zu machen.
Anschließend erzählen die 15-jahrige Dina und die 16-jährige Bisan von ihren Erlebnissen der vergangenen Tage, dem Treffen mit einer Pfadfinderinnengruppe, dem Besuch in einem Mädchenklub, Touren zu den Opel-Werkstätten, dem Müllheizkraftwerk und zum Flughafen, dem Besuch der Eissporthalle und des Steinmetzworkshops mit einer Steinmetz-Meisterin. Sie sind schüchtern, scheinen nicht gewohnt, Auskunft über sich und ihre Vorstellungen vom Leben zu geben.
karriere Dina ist beeindruckt davon, dass Frauen in »Männerberufen« als Führungskräfte arbeiten. Und Bisan ist erleichtert, dass sie in Frankfurt als Kopftuchträgerin nicht besonders auffällt. Dina möchte gern Mannequin werden und denkt nicht ans Heiraten, verrät sie. Auch Bisan träumt nicht gerade davon, Ehefrau und Mutter zu werden. Sie möchte »studieren und Karriere machen«.
Dina und Bisan sind zwei der zwölf beduinischen Mädchen, die auf Initiative des Deutschen Komitees der Kinder- und Jugend-Aliyah für eine Woche nach Frankfurt gekommen sind. Die 1933 gegründete Organisation, ursprünglich um jüdische Kinder vor dem NS-Regime zu retten, ist heute dem israelischen Erziehungsministerium angeschlossen und betreut in 145 Jugenddörfern mehr als 20.000 Heranwachsende.
In diesen Zentren leben »sehr viele Zuwandererkinder sowie Kinder aus benachteiligten Familien mit den unterschiedlichsten kulturellen und religiösen Hintergründen«, berichtet Pava Raibstein. Sie ist Geschäftsführerin der deutschen Dependance und hat die Reise der beduinischen Gruppe organisiert. Die Mädchen stammen aus einem Jugenddorf für Kinder aus beduinischen Familien.
Stammeskulturen Die Tatsache, dass insbesondere im Süden der Negevwüste sehr viele Beduinen in untereinander sehr zerstrittenen Stammeskulturen leben und ein Großteil der Jugendlichen kaum Zugang zu Bildung hat, war Anlass für das israelische Erziehungsministerium, in der Region Jugenddörfer zu eröffnen, berichtet Raibstein. Seit drei Jahren gibt es ein Jugenddorf, Kochve Ha’Midbar, in dem Jungen und Mädchen aufgenommen und unterrichtet werden. »Sie alle haben besondere Führungsqualitäten und einen starken Charakter«, meint Raibstein.
Die Idee sei, Vertreter der einzelnen Stämme gemeinsam zu erziehen, »damit sie schlichtend zwischen den Stämmen wirken und Selbstbewusstsein, Emanzipation und Bildung in diese Gemeinschaft tragen können«. »Die Erlebnisse mit der fremden Kultur und Begegnungen können eine besonders wertvolle und horizonterweiternde Erfahrung sein«, ist Raibstein sicher. Mit Unterstützung des Frankfurter Frauenreferats hat sie das Programm zusammengestellt.