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Sein oder Nichtsein?

Der Regisseur Ernst Lubitsch wurde in Berlin geboren. Trotzdem gibt es bislang keine nach ihm benannte Straße

von Ralf Balke  03.08.2021 18:45 Uhr

Filmlegende Ernst Lubitsch (1892–1947) Foto: imago images/Ronald Grant

Der Regisseur Ernst Lubitsch wurde in Berlin geboren. Trotzdem gibt es bislang keine nach ihm benannte Straße

von Ralf Balke  03.08.2021 18:45 Uhr

Wenn Timothy Grossman über Ernst Lubitsch spricht, gerät er schnell ins Schwärmen. »Er ist der einzige aus Deutschland stammende Regisseur, der für sein Lebenswerk einen Oscar erhalten hat«, so der Betreiber des Babylon-Kinos in Berlin-Mitte. Das war im Frühjahr 1947. Nur wenige Monate später starb der Schöpfer von deutschen Stummfilm-Klassikern wie Anna Boleyn oder Das Weib des Pharao.

Bereits im Jahr 1922 war der Regisseur dem Ruf nach Hollywood gefolgt, wo er Komödien wie Ninotschka, Blaubarts achte Frau oder Ärger im Paradies drehte. »Und natürlich Sein oder Nichtsein, der legendäre Spielfilm über eine Warschauer Schauspieltruppe, die die Nazis an der Nase herumführt – noch heute irritiert sein Humor die Zuschauer«, sagt Grossman.

bourgeoisie 1892 kam Ernst Lubitsch als Sohn eines jüdischen Schneiders in Berlin zur Welt. »Ob Kleinbürgertum oder aufstrebende Bourgeoisie – er war mit den unterschiedlichsten Milieus der Stadt, auch den jüdischen, bestens vertraut und verarbeitete seine Erfahrungen immer wieder auch in den Filmen«, betont Grossman. »Und was er hier in Berlin quasi aufgesaugt hatte, kam ebenfalls in seinen späteren Werken, die in Hollywood entstanden, zum Ausdruck.«

Umso verwunderlicher findet der Kinobetreiber und Filmexperte, dass es in der deutschen Hauptstadt bis heute keine nach diesem prominenten Regisseur benannte Straße gibt. Grossman selbst setzt sich schon lange dafür ein, bewirbt die Idee dafür auf der Internetseite des Babylon-Kinos. »Mein Traum ist es, dass die Weydingerstraße, die auf die Rosa-Luxemburg-Straße mündet, in der sich auch das ›Babylon‹ befindet, endlich in Ernst-Lubitsch-Straße umbenannt wird.«

1892 kam Ernst Lubitsch als Sohn eines jüdischen Schneiders in Berlin zur Welt.

Mit der Politik stand er deswegen schon einmal in Kontakt, und zwar mit André Schmitz, Kultursenator aus der Zeit, als Klaus Wowereit noch Regierender Bürgermeister von Berlin war. Doch aus der Bezirksvertretung hieß es damals, dass aus Gründen der Parität derzeit Straßen ausschließlich nach Frauen benannt würden – keine Chance für Ernst Lubitsch. Grossman findet diese Herangehensweise kleinkariert. Nicht zuletzt deshalb, »weil im Mittelpunkt von Lubitschs Filmen stets auch starke Frauen standen, die in jeder Hinsicht selbstbestimmt waren«.

zeitgeist Zudem verkörperte das cineastische Werk den Zeitgeist des liberalen und aufgeschlossenen Berlin jener Tage. Die Emanzipation in Deutschland nahm hier ihren Anfang, ebenso wurde Sexualität zu einem Thema. »All das griff Lubitsch bereits auf.«

Sein Ruf war schnell legendär. »1920 ließ sich sogar Reichspräsident Friedrich Ebert bei den Dreharbeiten zu Anna Boleyn in Tempelhof blicken. Welcher andere deutsche Regisseur hätte das von sich behaupten können?«
Die Idee mit der Ehrung durch einen Straßennamen ist nicht neu. Unmittelbar nach der Wiedervereinigung gab es bereits einen Versuch. Anfang der 90er-Jahre hatten Kinobetreiber vorgeschlagen, die Torstraße in Mitte, die zu DDR-Zeiten Wilhelm-Pieck-Straße hieß, nach Lubitsch umzubenennen. Bekanntermaßen geschah das nicht.

Bis dato erinnert also nur eine Plakette an einem Haus auf der Schönhauser Allee 183, wo Lubitsch Kindheit und Jugend verbracht hatte, an ihn. Diese wurde 2007 auf Initiative von Grossman angebracht. Denn das Vorgängerschild aus dem Jahr 1992 war mittlerweile unleserlich geworden.

bedeutung »Filmexperten vergleichen Lubitschs Bedeutung für den Film mit der von Alfred Hitchcock«, erklärt Grossman. »Auch hatte er das Genre der Screwball-Comedy weiter perfektioniert. Er war nicht nur deshalb in mancher Hinsicht Berlins Antwort auf Charlie Chaplin.« All das sind Gründe, warum im Babylon-Kino immer wieder seine Werke gezeigt werden, zuletzt der Historienfilm Madame Dubarry von 1919. »Mehr als 150 Zuschauer kamen – keine schlechte Zahl für eine Vorführung im Sommer.«

Grossman versteht deshalb nicht, warum es so wenig Interesse seitens der Stadt gibt, mit diesem in Berlin geborenen Regisseur zu werben. »Das wäre so, als wenn man in Salzburg Mozart komplett ignorieren würde«, meint er.

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