Mateo, bist du ein bisschen neidisch, dass am Sonntag nicht du, sondern die Kinder und Jugendlichen bei der Jewrovision auf der Bühne in Hannover performen? Etwa 3000 Zuschauer werden für eine gute Stimmung sorgen.
Nein, überhaupt nicht. Nach 22 Jahren Bühnenpräsenz und weit über 1000 Shows können die Jüngeren jetzt auch mal.
Du bist zum ersten Mal Mitglied der Jury. Wie bereitest du dich vor?
Ich glaube, man kann sich darauf gar nicht vorbereiten. Mittlerweile habe ich ein gutes Fingerspitzengefühl, wie man Leuten ein direktes Feedback gibt. Ich finde es am besten, spontan zu reagieren. Der erste Eindruck zählt. Das ist der wichtigste. Wie auch bei vielen anderen Sachen im Leben.
Welche Tipps würdest du den Tänzern und Sängern geben?
Das Allerwichtigste ist, Spaß zu haben. Es ist auch bei uns so, dass die Konzerte tatsächlich das Allerschönste, Lustigste und Emotionalste unserer Karriere sind. Deswegen treten wir am liebsten live auf. Alles andere gehört irgendwie dazu. Diese ganzen anderen Dinge, die Termine, die man hat, die Proben, die Songs, die man schreibt, die Stunden, die man im Studio verbringt, und so weiter. Auftritte sind sozusagen die Kür. Alles andere ist Pflicht.
Wie sieht es mit den Vorbereitungen aus?
Den schönsten Auftritt kann man natürlich erzielen, wenn man auf der einen Seite talentiert ist und etwas vorzuführen hat, aber auch, indem man sich gut vorbereitet hat. Deshalb: Bereitet euch gut vor, probt eure Sachen gründlich! Und seid dann auf der Bühne nur ihr selbst, habt einfach Spaß!
Es ist letztendlich eine Fleißarbeit?
Im Vorfeld definitiv. Das ist wie beim Spitzensport. Die müssen ja auch vorher trainieren, bevor sie in den Wettkampf gehen, sonst brauchen sie ja gar nicht anzutreten.
Was ist dein Rezept gegen Lampenfieber?
Gute Frage. Ich hatte schon ganz lange keines mehr. Ich finde, auch gegen Aufregung ist Vorbereitung ein sehr gutes Mittel. Das ist wie bei einem Vokabeltest – wenn man weiß, man hat gelernt, dann hat man nichts zu befürchten. Ansonsten kann man ein paar Atemübungen machen, ein bisschen dehnen, ein paar Liegestütze und dann geht es los.
Mit welchen Worten würdest du die Kinder und Jugendlichen trösten, wenn sie mit ihrem Act unzufrieden sind? Es kann ja auch durchaus mal was schiefgehen.
Das gehört dazu. Ich würde sagen, niemand, der heute erfolgreich ist, war beim ersten Mal perfekt. Jeder ist mal auf die Schnauze geflogen. Die Leute sind an ihren Niederlagen gewachsen. Damit man gewinnen kann, muss man auch lernen zu verlieren.
Wie sollten die Tänzer und Sänger bei der Jewro im Falle eines Falles agieren?
Es gibt da eine Regel: Wenn etwas schiefgeht, sollte man das überspielen, denn die Zuschauer oder in dem Fall auch die Jury weiß ja nicht, was der oder diejenige geplant hat. Gar nicht sagen, dass man gepatzt hat, sondern »The show must go on« – auf jeden Fall gekonnt überspielen. Und dann merken die Leute vielleicht gar nicht, dass gerade ein Fehler passiert ist.
Kanntest du die Jewro schon, bevor du für die Jury angefragt wurdest?
Lustigerweise tatsächlich nicht. Als ich darüber gelesen habe, fand ich das Wortspiel voll cool. Ich bin ja auch Songwriter und liebe Wortspiele. Schließlich habe ich mich in die Jewrovision eingelesen und wusste gleich, dass das eine coole Sache ist. Ich freue mich über die Anfrage.
Wie kam der Kontakt zustande?
Über Instagram. Sowohl ich als auch der Band-Account teilen manchmal Inhalte vom Zentralrat, und vielleicht kam daher irgendwie die Aufmerksamkeit auf uns.
Und hat dich dieser Wettbewerb neugierig gemacht aufs Judentum?
Ich bin Atheist. Aber ich bin ein Mensch, für den Demokratie und Religionsfreiheit ganz, ganz hohe Güter sind. Das ist das, was unsere Gesellschaft auszeichnet. Deswegen bin ich für die absolute Religionsfreiheit aller Religionsgemeinschaften in Deutschland. Und ich finde auch, dass wir Bürger hier in Deutschland irgendwie unsere ganzen Feste zusammen feiern sollten, ob das jetzt Ramadan, Weihnachten oder Chanukka ist. Ich interessiere mich für jüdisches Leben und jüdische Kultur.
Warum?
Ich wurde in Polen geboren und bin mit der Erinnerungskultur an den Zweiten Weltkrieg ganz direkt aufgewachsen. Bei uns in der Familie wurde immer über das Leid während des Zweiten Weltkriegs gesprochen und über die Nazis. Und meine Großeltern haben sich in einem KZ kennengelernt.
Echt?
Mein Opa war Kriegsgefangener der polnischen Armee und meine Oma Zivilistin, beide mussten Zwangsarbeit leisten. Von frühester Kindheit an ist bei mir die Verbindung zum Judentum über den Holocaust ganz lebendig. Aber ich werde mich keiner Glaubensgemeinschaft anschließen.
Wie muss denn ein Lied sein, damit es Chancen auf den Titel hat?
Da gibt es natürlich handwerklich einige Komponenten. Es ist immer wichtig, ein Themenfeld zu behandeln, was möglichst viele Menschen anspricht. So was wie Liebe, Selbstverwirklichung, Gefühle und Ähnliches. Und man muss versuchen, diese Hauptthemen, die die Menschheit interessieren, auf eine individuelle Art und Weise herüberzubringen. Das heißt, man muss es schon so machen, dass man möglichst viele Leute erreicht. Aber es darf auch nicht banal werden. Was ich damit meine, wenn man einen Liebessong macht, muss man den Leuten möglichst aus dem Herzen sprechen. Aber man sollte das Wort Liebe nicht zu oft verwenden. Und eine Melodie nehmen, die Menschen mitsingen können. Leute, die wollen, müssen an die Hand genommen werden. Der Song darf natürlich auch nicht zu lang sein.
Mit dem Songwriter, Rapper, Produzenten und Jewrovision-Jurymitglied sprach Christine Schmitt.