Deutliche Worte erleichtern den Einstieg in ein schwieriges Thema. »Für mich beginnt das mit einer simplen Einsicht, die aber für jeden von uns von großer Tragweite ist: Neutralität darf keine Antwort auf Rassismus sein«, betont Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. »›Ich bin doch kein Rassist‹ darf keine Antwort auf Rassismus sein. Jedenfalls nicht für Demokratinnen und Demokraten.«
Die aktuellen Ereignisse von Minneapolis waren für ihn ein ganz konkreter Anlass, über die Erfahrungen von Ausgrenzung und Diskriminierung zu sprechen, die schwarze Menschen auch hierzulande im Alltag machen müssen.
Die aktuellen Ereignisse von Minneapolis waren ein ganz konkreter Anlass, über die Erfahrungen von Ausgrenzung und Diskriminierung zu sprechen.
Dazu eingeladen hatte der Bundespräsident nach Schloss Bellevue eigens den ehemaligen Fußballnationalspieler Gerald Asamoah, die Lehrerin und Bildungsaktivistin Gloria Boateng sowie Daniel Gyamerah, Bereichsleiter des Thinktanks »Citizens For Europe«, und Vanessa Tadala Chabvunga, eine Schülerin am Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssohn in Berlin.
LEBENSLÄUFE Vier sehr unterschiedliche Lebensläufe – aber eines eint sie alle. »Und zwar die Erfahrungen, die sie irgendwann machen mussten, doch nicht ganz dazuzugehören«, wie es Steinmeier auf den Punkt bringt. Sowohl Asamoah als auch Gyamerah wussten davon zu berichten, dass sie in bestimmten Situationen auffallend häufig von der Polizei angehalten und kontrolliert wurden.
Boateng brachte darüber hinaus eine ganz andere Beobachtung zur Sprache, die viel mit einer fast zwanghaften Fokussierung auf ihre Herkunft zu tun hat, wie sie glaubt. »Es findet eine Art Reduzierung statt. Ständig müssen wir uns rechtfertigen, warum man angegriffen wird.« Die Lehrerin erzählte unter anderem von einer absurden Begegnung vor Kurzem beim Joggen im Park, als eine ihr völlig unbekannte Frau sie stoppte und unbedingt von ihr wissen wollte, was Boateng denn von den Ausschreitungen in den Vereinigten Staaten halten würde.
Auch Chabvunga, die den Bundespräsidenten bereits im Januar anlässlich eines gemeinsamen Gesprächs mit dem israelischen Staatspräsident Reuven Rivlin am Moses Mendelssohn Gymnasium kennengelernt hatte, musste Bemerkenswertes erleben.
»Ich hatte in meiner alten Schule sehr viele unangenehme Erfahrungen mit Rassismus machen müssen«, sagt Vanessa Tadala Chabvunga, Schülerin am Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssohn.
»Ich hatte in meiner alten Schule sehr viele unangenehme Erfahrungen mit Rassismus machen müssen.« Wenn Hitler noch leben würde, dann wäre sie tot, bekam die Schülerin sogar zu hören. Irgendwann reichte es ihr, und sie wechselte auf das Jüdische Gymnasium.
DIVERSITÄT »Dort ist die Diversität sehr ausgeprägt«, erzählt die 18-Jährige, die im kommenden Jahr Abitur machen wird. »Rund 70 Prozent haben einen russischen Hintergrund. Auch gibt es Israelis oder Ukrainer. Und auch ein paar afrikanische Schüler.«
Zu Freunden von früher hat sie zwar noch Kontakt. Aber die alte Schule betritt Chabvunga nicht mehr. »Als ich das letzte Mal dort war und erzählt hatte, dass ich jetzt auf das Jüdische Gymnasium gehe, hieß es: ›Wie? Jetzt auch noch jüdisch? Schwarz zu sein, reicht dir nicht?‹«