Der eigentliche Gastgeber konnte nicht kommen: Ralph Giordano schaffte es nicht nach Hamburg, wo nun zum 15. Mal der von ihm ins Leben gerufene Bertini-Preis für Zivilcourage verliehen wurde. Also lasen andere im Ernst-Deutsch-Theater aus seiner Dankesrede an die Schüler, die sich für einen Preis beworben hatten: »Ich bitte euch um eines, und das immer wieder: Blickt einander offen in die Augen und erkennt, was jede und jeder von euch ist: ein Mensch!«
Der Preis geht an Schüler, die sich sowohl gegen das Vergessen und Verdrängen der nationalsozialistischen Verbrechen wie auch für Zivilcourage engagieren, entsprechend breit war das Spektrum der Preisträger. Darunter: eine Schülergruppe der Ida-Ehre-Schule in Hamburg-Eimsbüttel. Sie fragten, was ab 1933 mit den jüdischen Schülern an ihrer Schule geschehen ist.
Jüdische Schüler Drei Jahre lang forschten sie in Archiven und Adressbüchern nach Daten und Lebensspuren, wälzten Schulakten und blätterten in Karteikästen. Die Spanne bei den Mitwirkenden reichte von der achten Klasse bis zum Abiturjahrgang. Sie konnten die Lebensläufe von elf ehemaligen jüdischen Schülern ermitteln. Etwa den von Renate Eva Freimuth, die 1935 auf die Karolinenschule wechseln musste. 1941 wurden sie und ihre Familie nach Lodz deportiert und knapp ein Jahr später in Chelmno ermordet. Für sie haben die Schüler mittlerweile vor der Schule einen Stolperstein verlegt.
Überlebt hat dagegen Steffi Wittenberg: Mehrmals besuchte die heute 86-Jährige die Schülergruppe, berichtete, wie sich im Februar 1933 die Stimmung gegen sie und andere Schüler verschärfte. Bei der Preisverleihung ließ sie es sich nicht nehmen, so galant wie kämpferisch zu einer zweiten preisgekrönten Schülerinitiative überzuleiten: einer zwölften Klasse der Altonaer Max-Brauer-Gesamtschule.
Abschiebung Die hat sich dafür eingesetzt, dass ihre ursprünglich aus Honduras stammende Mitschülern Fabiola Cruz in Hamburg bleiben kann. Denn Fabiola, die mit ihren Schwestern und ihrer Mutter lange als sogenannte Illegale in Hamburg lebte, sollte kurz vor dem Abitur in das ihr weitgehend unbekannte Land abgeschoben werden. Steffi Wittenberg und ihre Familie hatten das Glück, dass Uruguay sie, ihre Eltern sowie ihren Bruder 1939 aufnahm und ihnen so eine sichere Zuflucht bot. Und so rief Steffi Wittenberg aus: »Ich wünsche mir ein ausländerfreundliches Deutschland!«
Weitere Bertini-Preise gingen an Schüler des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums, die über Mobbing im Internet informieren, sowie des Gymnasiums Klosterschule, die mit einem Filmspot zur Zivilcourage im Alltag aufrufen. Ausgezeichnet wurden ebenso Schüler der Höheren Handelsschule Bramfelder See, die in einem Theaterstück die Gewalt in der Partnerschaft anprangerten, sowie der 17-jährige Lukas Küster, der eine Frau an einer S-Bahnstation vor der Attacke von mehreren Jugendlichen beschützt hatte.