Herr Pronitschew, Sie sind seit Kurzem Geschäftsführer der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD). Was haben Sie sich für Ihr Amt vorgenommen?
Ich möchte bei der Umsetzung der Ziele unseres Vorstandes mitwirken, unsere Organisation präsentieren und habe vor, die Infrastruktur der Jüdischen Studierendenunion Deutschland auszubauen. In meinem Aufgabenbereich liegt zudem die logistische Unterstützung unserer einzelnen Referate – Politik, Gesellschaft & Soziales, Öffentlichkeitsarbeit, Regionales – sowie unserer Präsidentin Dalia Grinfeld.
Vor welchen Herausforderungen steht die JSUD?
Die einzelnen Interessen zusammenzutragen, die es in der jüdischen Gemeinschaft gibt, ist sicherlich eines unserer Hauptthemen. Wir repräsentieren die Altersgruppe zwischen 18 und 35 Jahren, in der verschiedene politische Standpunkte vertreten sind. Deswegen ist es für uns wichtig, die Kommunikation aufrechtzuerhalten, die einzelnen Interessen auszuloten, Schnittmengen zu finden und diese in unsere Arbeit zu integrieren. Wir bemühen uns darüber hinaus, nicht nur einzelne Bereiche thematisch abzudecken, sondern auch allgemeine gesellschaftspolitische Themen anzusprechen und zu ihnen Stellung zu beziehen.
An welche Themen denken Sie dabei?
Zuletzt begrüßten wir zum Beispiel den Beschluss der gleichgeschlechtlichen Ehe durch den Bundestag. Daneben äußern wir uns zu Entwicklungen in der Flüchtlings-, Europa- und Nahostpolitik.
Wie möchten Sie junge Juden erreichen?
Indem wir versuchen, in den sozialen Medien wie vor Ort präsent zu sein. Wir nehmen an so vielen Veranstaltungen der jüdischen Gemeinschaft teil, wie es möglich ist. Erst kürzlich waren wir beim Schabbaton der Studentenverbände in München und haben dort den persönlichen Austausch mit jungen jüdischen Erwachsenen. Wir möchten junge Jüdinnen und Juden dazu anregen, sich in der Arbeit von jüdischen Gemeinden und Initiativen zu engagieren.
Mit welchen Problemen kommen Studenten zu Ihnen?
Viele Jugendliche möchten sich gern in den Gemeinden engagieren und ihre Vorstellung davon, wie es ist, jüdisch zu sein, in den öffentlichen Diskurs einbringen. Neben omnipräsenten Themen wie Antisemitismus hat für sie die Gemeinschaftsbildung eine hohe Bedeutung. Junge Juden wünschen sich darüber hinaus Unterstützung und Argumentationshilfen, wenn zum Beispiel auf dem Campus »israelkritische« Initiativen auftauchen oder es Vorträge von rechtspopulistischen Gruppen gibt.
Wie ist Ihr persönlicher Hintergrund?
Ich komme aus Schleswig-Holstein und bin Mitglied der Jüdischen Gemeinde Kiel und Region. Seit diesem Jahr bin ich Alumnus des Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerks und schließe gerade meine Dissertation in Kulturwissenschaften ab.
Haben Sie als Student Erfahrungen mit Israelkritik oder Antisemitismus gemacht?
An meiner Universität gab es aus meiner Sicht wenige Bündnisse, die sich proisraelisch positionierten oder zu jüdischen Themen Stellung bezogen. Ich habe mir zu meiner regulären Studienzeit viele Gedanken darum gemacht, wie man in dieser Atmosphäre eigene Positionen hörbar machen und Gleichgesinnte finden kann. Jetzt bin ich froh, Teil einer Organisation zu sein, die gerade für solche Situationen Hilfe und Beratung anbietet.
Mit dem Geschäftsführer der Jüdischen Studierendenunion sprach Katrin Richter.