Es ist eine schöne Idee. Um zu zeigen, dass man an diesem Tag der Freude auch an andere denkt, verschickt man zu Purim kleine Aufmerksamkeiten, Gebäck, Süßigkeiten oder vieles mehr. Man beschenkt Freunde, Nachbarn und Verwandte: der berühmte Brauch des »Mischloach Manot«. Denn nur dank ihres Zusammenhalts war es den Juden im babylonischen Exil gelungen, Haman, einen der schlimmsten Feinde in ihrer Geschichte, zu besiegen und seinen Plan, das Volk der Juden auszulöschen, im letzten Moment zu vereiteln. Purim bedeutet also mehr als lustiges Verkleiden und ausgelassenes Feiern. Es ist vor allem ein Fest der Einheit und Freundschaft.
Und das sollen möglichst schon die Kinder lernen. Doch nicht immer herrscht beim gegenseitigen Beschenken ungetrübte Freude und eitel Harmonie: Scheele Blicke, wenn nicht gar Tränen gefährden vielmehr die beschworene Eintracht. Denn »nicht alle Familien halten sich an die Vorgabe, wirklich nur eine Kleinigkeit zu schenken«, weiß eine langjährige Mitarbeiterin der Frankfurter Lichtigfeld-Schule zu berichten: »Während ein Kind tatsächlich nur ein paar koschere Bonbons bekommt, können andere ganze Pakete oder große Tüten auspacken.«
Los Üblich ist es, jedenfalls in der Schule, dass jedes Kind ein Los mit dem Namen eines Mitschülers oder einer Klassenkameradin zieht, für die es dann eine kleine Aufmerksamkeit besorgt und verpackt, ganz in Anlehnung an die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Purim, das übersetzt ebenfalls »Lose« bedeutet. So ist gewährleistet, dass niemand leer ausgeht. Die Schulleitung empfiehlt, so berichtet die Mitarbeiterin außerdem, dass der Wert dieses Präsents nicht mehr als 1,50 Euro betragen sollte.
»Daran habe ich mich als Mutter schon nicht gehalten, und meine Tochter tut es bei den Enkelkindern, die jetzt die Lichtigfeld-Schule besuchen, auch nicht.« Irgendetwas Besonderes, »ein hübscher Bleistift, ein außergewöhnlicher Radiergummi«, komme ebenfalls jedes Jahr in die Tüte, meint die Großmutter, zusammen mit den selbst gebackenen Hamantaschen. Diese sind, wen immer man auch fragt, ein unbedingtes Muss beim »Mischloach Manot« und dürfen in keinem Körbchen oder Päckchen fehlen.
Außerdem: »Es müssen unbedingt zwei unterschiedliche Sachen sein, zwei verschiedene Sorten essfertiger Lebensmittel, die man an Purim verschickt«, erläutert Esther Ellrodt, Dozentin an der Jüdischen Volkshochschule, die Tradition des gegenseitigen Beschenkens und Freudebereitens. Aber das lässt sich mit einem Etat von 1,50 Euro nur schwer bestreiten, vor allem wenn es sich um koschere Leckereien handeln soll, die ehrfahrungsgemäß in der Diaspora teurer sind als herkömmliche Süßigkeiten.
Süßigkeiten Lena, Erzieherin im jüdischen Kindergarten im Frankfurter Westend, hat selbst drei Kinder, die die Lichtigfeld-Schule besuchen. Ihrer Erfahrung nach ist ein Betrag von maximal fünf Euro realistischer: »Meine Töchter haben zu Purim neben Süßigkeiten immer auch eine Kleinigkeit verschenkt oder geschenkt bekommen«, weiß sie zu berichten. Bei den etwa Zehn- bis Zwölfjährigen stünden seit einigen Jahren kosmetische Lippenpflege, grellbunter Nagellack oder hübsche Haargummis hoch im Kurs. Die Drogerie-Discounter machen’s möglich, diese Utensilien günstig einzukaufen. Auch exotische Früchteteesorten seien sehr begehrt.
Und im Kindergarten, so berichtet die Erzieherin, benutze man die Einnahmen aus der Gruppenkasse, um beispielsweise bunte Luftballons für die Kleinen zu besorgen. »Dann basteln wir mit den Kindern Körbchen oder Tüten und füllen diese mit koscheren Süßigkeiten und selbst gebackenen Hamantaschen auf.«
»Die größeren Geschenk-Veranstaltungen sind dann doch eher Chanukka oder dem Geburtstag vorbehalten«, findet auch Sara Soussan, Ehefrau des Frankfurter Gemeinderabbiners Julian-Chaim Soussan. Ihres Erachtens sei doch schon mit dem Namen »Mischloach Manot« alles gesagt. »Gemeint ist das Verschicken von Speisen!«, ist Sara Soussan überzeugt. »Und genauso halten wir es zu Purim: Wir bereiten gemeinsam kleine Geschenke von selbst gemachtem Gebäck, Süßigkeiten und Getränken vor und verteilen diese an Freunde. Unser jüngerer Sohn beteiligt sich ebenfalls daran. Und auch er bekommt im Gegenzug kleine, leckere Aufmerksamkeiten von seinen Freunden.«
Treffpunkt Die Kinder im Hort des Ignatz-Bubis-Gemeindezentrums im Westend haben sich zu Purim eine besonders schöne Tradition ausgedacht, wie Leiterin Elvira Güver berichtet. So sind einige der in der Regel etwa Fünf- bis Siebenjährigen vor ein paar Jahren auf die Idee gekommen, etwas für die Mitglieder des »Treffpunkts«, einer Begegnungsstätte für Überlebende der Schoa und deren Angehörige, vorzubereiten. Meist backen auch sie Hamantaschen und packen diese hübsch ein.
Diese Geschenke bringen sie anschließend in den »Treffpunkt«, überreichen sie persönlich und wünschen jedem »Chag Sameach!«, ein schönes Fest. Dazu singen sie Purim-Lieder oder führen kürzere einstudierte Episoden aus der Megillat Esther auf. Manchmal setzt sich auch eines der Kinder ans Klavier und gibt ein kleines Konzert. Für alle Beteiligten bedeutet diese Begegnung eine große Freude, und natürlich kehren auch die Kleinen nie mit leeren Händen von dem Ausflug zurück.