Abraham Geiger Kolleg

Schauen, was ist

Gabriele Thöne, Interimsdirektorin des Abraham Geiger Kollegs, während der Pressekonferenz Foto: Rolf Walter

Die Interimsdirektorin des Potsdamer Abraham Geiger Kollegs (AGK), Gabriele Thöne, hat eine umfassende Aufklärung der Vorwürfe sexualisierter Übergriffe am Rabbinerseminar zugesagt. Ihre Tür stehe Studierenden und möglichen Betroffenen offen, um eine vollständige Aufklärung zu erreichen, sagte die Juristin und ehemalige Berliner Finanzstaatssekretärin bei einem Pressegespräch am Mittwoch in Potsdam.

»Das ist mir ganz wichtig, dass ich mir das anhöre, um daraus Schlüsse zu ziehen für den Gesamtprozess.« Sie wolle sich alles »ganz genau« ansehen – »es gibt ja auch Hinweise auf Machtmissbrauch, Angst. Das ist etwas, das muss man analysieren. Ist das im Rahmen gewesen, oder ist das darüber hinausgegangen?«

Bislang seien ihr vier Verdachtsfälle von sexualisierter Belästigung oder Machtmissbrauch bekannt. Sie wisse allerdings nicht, »ob das die absolute Anzahl ist«, so Thöne. Die Aufklärung habe begonnen, die Zahl könne »sich entwickeln«.

ABKLOPFEN Thöne, die vor anderthalb Wochen die Funktionen des bisherigen Kolleg-Rektors Walter Homolka übernommen hat, betonte, sie stehe mit ihrer Arbeit erst am Anfang. »Ich bin noch am Abklopfen und will schauen, inwiefern wir da Substanz sehen.«

Homolka hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe alle seine Ämter ruhen lassen. Dazu gehört auch der Vorsitz der Leo Baeck Foundation, die seit Kurzem alleiniger Gesellschafter des als gemeinnützige GmbH organisierten Abraham Geiger Kollegs ist. Das Kolleg ist ein sogenanntes An-Institut der Universität Potsdam, mit der ein Kooperationsvertrag besteht.

Thöne betonte ihren Willen, die Zukunft der Rabbiner-Ausbildungsstätte zu sichern. Dabei soll auch über neue institutionelle Strukturen nachgedacht werden, sagte sie. »Gibt es Punkte, wo man etwas verändern muss? Das will ich mir genau anschauen. Das ist etwas, was dann zu entscheiden ist. Das muss man aber mit Bedacht machen.« Über die Zukunft von Homolka wolle sie nicht spekulieren.

HANDLUNGSVOLLMACHT Auf die Frage, welche Rolle AGK-Kanzlerin Anne-Margarete Brenker, die als rechte Hand Homolkas gilt, in Zukunft spielen wird, sagte Thöne: »Sie ist für die Administration zuständig. Das muss geschehen. Die umfassende Handlungsvollmacht habe ich.«

Im Mittelpunkt der Vorwürfe sexualisierter Belästigung steht auch ein langjähriger Mitarbeiter der Ausbildungsstätte an der Universität Potsdam. Laut Zeitungsberichten handelt es sich um den Ehemann von Rektor Homolka.

Die Universität Potsdam untersucht die Vorwürfe bereits seit Anfang des Jahres. Erste Untersuchungsergebnisse sollen im August vorgelegt werden. Thöne sagte, sie sei sowohl mit der Universität im Gespräch als auch mit der Kölner Rechtsanwaltskanzlei Gercke Wollschläger, die seit Mitte Mai die Vorwürfe im Auftrag des Zentralrats der Juden untersucht. Dort können sich Betroffene und Zeugen per Telefon anonym melden.

Auch das Geiger-Kolleg hat vor einigen Wochen eine Aufklärungs-Hotline eingerichtet. Allerdings müsse man dort, bevor man ein Anliegen vorbringt, seinen Namen nennen, kritisierte ein Journalist beim Pressegespräch. Thöne wirkte überrascht davon und deutete an, dass sie dies ändern wolle: »Indem ich Handlungsanweisungen gebe.«

HILFERUF Wie von Studenten des Abraham Geiger Kollegs am Mittwochmittag zu erfahren war, soll es sich bei der heute Morgen auch in der Jüdischen Allgemeinen veröffentlichten »Stellungnahme« von angeblichen Geiger-Studenten möglicherweise um eine Fälschung handeln. Der Text sei nicht mit ihnen als Unterzeichnern abgestimmt worden.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die Stellungnahme war am Mittwochmorgen mit dem Namen von 21 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern versandt worden. Darin heißt es unter anderem, die Studenten würden »die jüdischen Führungspersönlichkeiten in Deutschland und der ganzen Welt« dazu aufrufen, »in diesem entscheidenden Moment aufzustehen und die Zukunft der Führung jüdischer liberaler Gemeinden in Deutschland zu retten«. 

Vonseiten des Instituts hieß es, der Brief sei nicht authentisch – vier der 21 dort aufgelisteten Personen hätten den Brief nach eigener Aussage nicht unterzeichnet. Man werde den Fall prüfen.

In einer von ZEIT-Online veröffentlichten Stellungnahme bieten 23 Absolventen des Abraham Geiger Kollegs an, sich »in voller Transparenz« an den laufenden Untersuchungen zu beteiligen und erklären, dass sie »den gegenwärtigen Angehörigen nicht nur des Kollegs, sondern auch der jüdischen Gemeinden, jederzeit als GesprächspartnerInnen und SeelsorgerInnen zur Verfügung« stünden. ja/epd

Lesen Sie mehr zum Thema in der Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen nächste Woche.

München

»Das Gemeinsame betonen«

Die 38. Jüdischen Kulturtage zeigten ein vielfältiges Programm

von Luis Gruhler  15.01.2025

Berlin

»Wir sind bitter enttäuscht«

Nach den höchst umstrittenen Wahlen in der Jüdischen Gemeinde zogen die Kritiker nun vor Gericht. Doch das fühlt sich nicht zuständig – und weist die Klage ab

von Mascha Malburg  15.01.2025

Forschung

Vom »Wandergeist« einer Sprache

Die Wissenschaftlerinnen Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova stellten in München eine zehnbändige Jiddistik-Reihe vor

von Helen Richter  14.01.2025

Nachruf

Trauer um Liam Rickertsen

Der langjährige Vorsitzende von »Sukkat Schalom« erlag seinem Krebsleiden. Er war ein bescheidener, leiser und detailverliebter Mensch

von Christine Schmitt  14.01.2025

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025