Das Programm zum Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« wächst und wächst. Trotz Corona-Pandemie wird es immer umfangreicher und interessanter.
Allein in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern planen nicht nur die jüdischen Gemeinden, sondern auch Kulturvereine, Kommunen, Kirchen, Volkshochschulen, Universitäten und weitere Institutionen einen wahren Veranstaltungsmarathon. Vieles findet im Internet statt und ist online über die Webseiten der Veranstalter abrufbar. Das Festjahr will durch ein Kennen- und Verstehenlernen auch dem Antisemitismus vorbeugen.
hamburg Die Hansestadt Hamburg feiert außerdem ein Doppel-Jubiläum, denn seit 420 Jahren leben hier Juden. Anlass für Bürgermeister Peter Tschentscher, am 10. Dezember den Kooperationsvertrag mit dem Verein »321: 2021 – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«, bei dem die Aktivitäten zum Festjahr aus ganz Deutschland zusammenlaufen, zu unterzeichnen. »Die jüdischen Gemeinden, kulturellen Einrichtungen und vielen Akteure machen das vielfältige jüdische Leben in Hamburg erlebbar«, sagt Tschentscher. Das Hamburger Judentum sei bunt, divers und agil.
Die Hamburger seien stolz darauf, das Festjahr am 30. Januar um 19 Uhr digital auf der Website juedischesleben.hamburg zu eröffnen. »Unser buntes Programm spiegelt die Geschichte, Kultur und Musik von 400 Jahren jüdischen Lebens in der Hansestadt wider, wobei wir die meisten Veranstaltungen ins zweite Halbjahr verlegt haben«, sagt Elisabeth Friedler, die das Festprogramm für die Jüdische Gemeinde Hamburg zusammenstellt und die Website aufbaut, auf der alle Hamburger Veranstaltungen stehen sollen. Ein Schwerpunkt liegt auf Angeboten für Jugendliche.
Sehenswert wird die Online-Ausstellung »Frauenleben. Wirken und Wahrnehmung jüdischer Frauen in Hamburg« sein.
Vom 22. bis 28. Februar laden Hamburger Kultur- und Bildungseinrichtungen bei 16 Veranstaltungen dazu ein, sich mit der jüdischen Geschichte und Gegenwart der Stadt auseinanderzusetzen. Auf Initiative der Körber-Stiftung, des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden und der Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule von der VHS Hamburg wird in Ausstellungen, Konzerten, Theater, Podiumsdiskussionen, Stadtrundgängen und Vorträgen bis zu Gedenkstättenführungen erlebbar gemacht, wie jüdische und nichtjüdische Bürger miteinander leben und feiern und wie Hamburg mit seinem jüdischen Erbe umgeht.
Sehenswert wird die Online-Ausstellung Frauenleben. Wirken und Wahrnehmung jüdischer Frauen in Hamburg am 23. Februar. Für die Live-Veranstaltung wird um Anmeldung unter geschaeftszimmer@igdj-hh.de gebeten. Weitere Informationen gibt es unter www.igdj-hh.de im Internet.
Für einen Höhepunkt wird noch intensiv geprobt: Krum – Ein Stück mit zwei Hochzeiten und zwei Begräbnissen von Hanoch Levin am Thalia Theater, Alstertor. Zwischen Groteske und jüdischem Humor ringt in Krum jede und jeder um Glück. Premiere ist am Sonntag, 28. Februar. Karten zu acht bis 41 Euro gibt es unter thalia-theater.de/krum.
Am Montag, 22. Februar, diskutieren Katharina Fegebank, Hamburgs Zweite Bürgermeisterin, Historikerin Miriam Rürup, Barbara Guggenheim vom Jüdischen Salon und Familienforscher Lior Oren aus Israel über »Mehr als Klein-Jerusalem – Jüdisches Erbe in Hamburg«, zu sehen im Livestream unter www.koerber-stiftung.de/juedisches-leben im Internet.
Ende Februar wollen Karin Prien und Peter Harry Carstensen weitere Pläne präsentieren.
Ein weiterer Höhepunkt sind die Jüdischen Filmtage vom 30. Mai bis 4. Juni, ein Konzert mit Lesung von der Schriftstellerin Viola Roggenkamp und der Klezmerband »A Mekhaye« im April, ein Konzert mit dem Jüdischen Kammerorchester Hamburg am 24. Mai in der Jerusalem-Kirche und zum Abschluss am 28. November ein großes Chanukkafest mit Markt auf dem Joseph-Carlebach-Platz, auf dem bis zur Pogromnacht die Bornplatzsynagoge stand, die die Nazis zerstörten. Studierende der Kunstschule Wandsbek begleiten viele Veranstaltungen und stellen sie auf juedischesleben.hamburg ein.
Schleswig-Holstein Auch im nördlichsten Bundesland wird noch am Programm gefeilt. Fest steht ein Seminar über 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, das vom 25. bis 28. Oktober in der Akademie Sankelmark stattfinden soll.
Die Europa-Universität Flensburg veranstaltet vom 7. bis 30. Juni Jüdische Kulturtage mit Lesungen zur jüdischen Geschichte Schleswig-Holsteins und der Präsentation des Buches Wir sollten leben von Bernd Philipsen und Fred Zimmak. Voraussichtlich am 10. und am 17. Juni diskutiert Schleswig-Holsteins Antisemitismusbeauftragter Peter Harry Carstensen an der Europa-Universität mit Gästen über regionale, nationale und internationale Forschungsprojekte zu jüdischer Geschichte, Literatur und Kultur und zu Antisemitismus im Schulunterricht, eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum in Rendsburg.
Im Herbst bietet die Universität Exkursionsseminare an, darunter zur renovierten Carlebach-Synagoge in Lübeck am 28. Oktober. Auch Schleswig-Holstein will mit seinem Programm zu 1700 Jahren jüdischem Leben vor allem Jugendliche und junge Erwachsene erreichen.
»Das Jahr 2021 soll uns zeigen, wie sehr jüdisches Leben zu Schleswig-Holstein gehört. Daher stellen wir das Jahr unter das Motto ›Shalom&Moin‹«, sagt Schleswig-Holsteins Kulturministerin Karin Prien. »Dieses Jahr ist notwendig, um der Gesellschaft Historie und Gegenwart jüdischen Lebens zu zeigen«, sagt Peter Harry Carstensen.
Neben den neun jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein planen Universitäten, Schulen, Landesarchiv, Vereine und weitere Institutionen Vorträge und Workshops, Lesungen und Seminare, Konzerte und Ausstellungen, darunter im Jüdischen Museum Rendsburg. Weitere Programmpunkte für das Festjahr in Schleswig-Holstein präsentieren Prien und Carstensen Ende Februar.
Mecklenburg-Vorpommern »Bekanntlich lieben wir Juden das Feiern am meisten. Aber ein ganzes Jahr durchzufeiern, ist auch für uns etwas Besonderes, zumal aus einem so außergewöhnlichen Grund«, freut sich Juri Rosov, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Rostock. In ganz Mecklenburg-Vorpommern leben 1200 Juden, allein 600 Mitglieder zählt die Rostocker Gemeinde. Die Organisation der Veranstaltungen ging laut Rosov nicht von der Gemeinde, sondern von den Kommunen, Vereinen, Kirchen und weiteren Institutionen aus, darunter der Universität Rostock.
Ein Höhepunkt des Festjahres wird die Fotoausstellung zum sehens- und lesenswerten Buch Abraham war ein Optimist, in dem die Autorin Manuela Koska den im vergangenen Jahr verstorbenen Rabbiner William Wolff einfühlsam mit vielen Fotografien und Texten porträtiert. Die Open-Air-Bilderschau ist im Mai und Juni in Rostocks Innenstadt zu sehen. Im November finden die Jüdischen Kulturtage in Rostock statt. Doch auch Schwerin, Stralsund, Greifswald und Bad Sülze haben Präsenz- und Onlineangebote aufgelegt.