Ein Prinz kommt selten allein. Ein Karnevalsprinz erst recht nicht. Und so zog die Düsseldorfer Tollität Martin I. (Meyer) am Dienstagabend im vollen Ornat mitsamt Venetia Sabine Ilbertz, Adjutant, Standartenträger und einer Abordnung blau-weiß uniformierter Prinzengardisten in den Leo-Baeck-Saal der Jüdischen Gemeinde ein.
Ganz traditionell wurde der närrische Herrscher von den rund 100 Gästen hier mit einem dreifachen »Düsseldorf Helau!« begrüßt – gefolgt von einem dreimaligen, ganz neuen Karnevalsruf: »Düsseldorf Schalom«. Tusch vom Band inklusive.
NÄRRISCH »Wir schreiben gerade Geschichte. Karnevalsgeschichte. Es ehrt mich, dass ich dabei sein darf. Und es ist ein sehr gutes Gefühl.« Martin I. war sichtlich gerührt, mit seiner Venetia als erstes närrisches Herrscherpaar überhaupt einer Jüdischen Gemeinde einen offiziellen Besuch abzustatten. Es war eine der ersten Amtshandlungen des Prinzenpaars in der am 11.11. gestarteten Session.
»Wir schreiben gerade Karnevalsgeschichte. Und es ist ein sehr gutes Gefühl«, sagte Martin I. gerührt.
Wie sich das für solche Anlässe gehört, verteilten die Tollitäten erst einmal ihren Prinzenpaar-Orden an verdiente Gemeindemitglieder, unter anderem an den Geschäftsführer Michael Szentei-Heise, Vorstandsmitglied Ruth Rubinstein und an Gisèle Spiegel, Witwe des verstorbenen Zentralratspräsidenten Paul Spiegel.
Die Gemeinde konnte auf gleichem Niveau antworten. Sie hat nämlich auch einen Karnevalsorden gestalten lassen. Der Entwurf stammt von Pia Oertel, Düsseldorfer Venetia des Jahres 2014. Der Orden zeigt – in Form eines Davidsterns – einen Rabbi, einen Imam und einen christlichen Geistlichen. Alle drei mit roter Pappnase, umrahmt vom Motto des Karnevals in der NRW-Landeshauptstadt 2018/19: »Düsseldorf – gemeinsam jeck«.
GESCHENK Dazu sind Düsseldorfer Gebäude zu sehen. Als Zugabe erhielt das Prinzenpaar noch das neu erschienene Buch von Annette Kanis: Zuhause in Düsseldorf. Die Jüdische Gemeinde 1945 bis heute.
Karneval ist am Rhein und speziell in der Gemeinde ein großes Thema: In diesem Jahr war man mit einem eigenen Mottowagen im großen Düsseldorfer Rosenmontagszug dabei, finanziert durch Spenden. Das kunstvoll-bunt gestaltete Gefährt zu Ehren des gebürtigen Düsseldorfers Heinrich Heine rollte an Hunderttausenden Schaulustigen vorbei und sorgte für ein fulminantes Medienecho.
Gemeindemitglieder und Ehrengäste fuhren oben auf dem Wagen mit und warfen reichlich koschere Kamelle in die jubelnde Menge – kostümiert waren sie wie zur Zeit Heines. Der Spender des höchsten Einzelbetrags für den Wagen, Wolf Kretzschmar, bekam nun feierlich den Gemeindeorden umgehängt. Er hatte die Zahl seines Geburtsjahres überwiesen: 1940 Euro. Kretzschmar war selbst auf dem Wagen mit dabei. »Es war toll«, erinnert er sich.
Der Besuch war eine der ersten Amtshandlungen des Prinzenpaars in der neuen Session.
Den Erfolg will die Gemeinde im Düsseldorfer Rosenmontagszug am 4. März 2019 mit einem neuen Mottowagen wiederholen. Er soll wieder durch Crowdfunding möglich gemacht werden. Für Spenden ab einer bestimmten Höhe winkt als Anerkennung der närrische Gemeindeorden.
PREMIERE Für die neue Karnevalssession ist wieder eine Premiere geplant: ein interkonfessioneller Wagen von jüdischer Gemeinde, Christen und Muslimen, wie Michael Szentei-Heise ankündigte. Sozusagen drei Religionen unter einer Narrenkappe, getreu dem Motto: »Gemeinsam jeck«.
Welches Motiv Wagenbauer Jacques Tilly diesmal aus Maschendraht und Pappmaschee zaubern wird, ist noch nicht bekannt. »Ich bin schon sehr gespannt, was das für ein Wagen wird«, verriet Venetia Sabine.
Michael Szentei-Heise erinnerte daran, dass jüdische Gemeinden schon nach dem Ersten Weltkrieg im Karneval hatten mitfeiern wollen. 1922 sei in Köln die erste jüdische Karnevalsgesellschaft gegründet worden. Bereits 1923 hätten die Karnevalisten der Domstadt Juden jedoch die Teilnahme am Kölner Karneval verboten. In Karnevalszügen der NS-Zeit wurden Juden dann häufig diffamiert.
ASCHERMITTWOCH »Jetzt wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Und das gemeinsam«, sagte der Geschäftsführer. Die Gemeinde wolle ein Zeichen setzen für Toleranz und gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Gerade mit dem geplanten interkonfessionellen Wagen. Er geht auch davon aus, dass Karnevalsveranstaltungen mit jüdischer Beteiligung bald gar nichts Besonderes und Einzigartiges mehr in Düsseldorf sein, sondern regelmäßigen Charakter haben werden. Der Ausruf »Düsseldorf Schalom« könnte am Rhein also zwischen 11.11. und Aschermittwoch durchaus gängig werden.
Letzter Akt des närrischen Besuchs am Paul-Spiegel-Platz war eine Ordensverleihung vor dem Tor der Gemeinde. Venetia Sabine (im Zivilberuf Kriminalbeamtin) ließ es sich nicht nehmen, auch zwei Objektschützer der Polizei mit dem Prinzenorden auszuzeichnen, die während der Veranstaltung bei frostigen Temperaturen vor dem Gebäude Dienst taten.