Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):
Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.
Nach drei Monaten schon ein Stammpublikum zu haben – das ist keine schlechte Leistung für ein kleines Restaurant. Das »Feinberg’s« im Berliner Bezirk Schöneberg hat nach kurzem Betrieb schon jetzt feste Gäste, die einmal pro Woche kommen, um »israelische Spezialitäten« zu genießen. Dafür hat der Besitzer Yorai Feinberg auch einen langen Weg nach Berlin auf sich genommen, der erst einmal gar nichts mit Essen und Trinken zu tun hatte.
Denn der Mittdreißiger, der in Jerusalem geboren wurde, ging im zarten Alter von 16 Jahren nach Beer Sheva, um dort Ballett zu studieren. Dann folgten London, Paris, Tokio, Stuttgart, Leipzig, Stockholm, Tel Aviv, Wien, San Diego und wieder Tel Aviv. In all diesen Städten hat Yorai gelebt und getanzt, noch bevor er 30 wurde.
Ballett Er war lange Zeit vom Ballett wie besessen, hat sogar Russisch und Deutsch gelernt, um seine Lehrer zu verstehen. »Der Unterricht begann um acht und endete um sechs, danach habe ich meistens noch drei Stunden alleine geübt.« Wegen dieser Routine und der Intrigen in der Ballett-Szene hat Yorai das Interesse am Spitzentanz verloren.
Doch gleich nach dem Ende seiner Tanzkarriere kannte Yorai seinen nächsten Schritt. In Nairobi übernahm er für Bekleidungsfirmen den Vertrieb in ganz Ostafrika. So lernte er das Handwerk eines Geschäftsmanns. Freunde erzählten ihm, wie aufregend Berlin sei, also ging er wieder nach Europa. Die Stadt gefiel ihm, doch etwas fehlte: israelisches Essen. Also erfüllte er sich einen lang gehegten Traum und eröffnete in der Fuggerstraße ein eigenes Restaurant .
Das »Feinberg’s«, sagt Yorai, sei in der Form in Berlin einzigartig. Zwar gebe es im Ostteil ein paar israelische Gaststätten, die auch Hummus anbieten, aber »Prenzlauer Berg und Charlottenburg – das ist wie Haifa und Tel Aviv«. Er sieht sich ohne Konkurrenz und tauscht gerne Lieferanten und Informationen mit den anderen Betreibern aus. Yorai möchte das Essen anbieten, das seine Kundschaft liebt und kennt – aus Urlauben oder aus der Kindheit. Ursprünglich wollte er einen Koch aus Israel holen. Dann aber hat er gemerkt, dass es viele geeignete Kandidaten in Berlin gibt.
Die Karte sollte klein und fein sein, wie das Restaurant selbst. Neben den Klassikern Hummus und Falafel gibt es auch Kebab, Schakschuka oder Baba Ganousch. Dass viele Leute das eher für arabische als israelische Gerichte halten würden, erklärt Yorai damit, dass er eben sefardisch-misrachische Küche anbietet, und nicht aschkenasische. Deswegen gibt es vermeintliche Klassiker wie Gefilte Fisch und Hühnersuppe nur zu besonderen Anlässen.
Feiertage Yorai bezeichnet sich selbst nicht als religiös, aber im »Feinberg’s« sollen trotzdem die Feiertage begangen werden. So war das Restaurant ganz ungeplant schon in der zweiten Betriebswoche zu Pessach überfüllt. Es gibt 24 Sitzplätze, insgesamt mussten aber fast 40 Gäste untergebracht werden. Von Nachbarn hat sich Yorai damals Stühle geborgt. Er ist stolz auf die kleine Gemeinschaft, die in sein Restaurant kommt.
Am Anfang hat er mit einem größtenteils israelischen Publikum gerechnet, inzwischen sind die Gäste sehr gemischt. Einmal pro Woche kommt eine jüdisch-deutsche Familie extra aus Tempelhof, Geschäftsleute aus der Gegend halten im Restaurant ihre Mittagspause. Wegen der Größe bemüht sich Yorai um Wohnzimmeratmosphäre. Er beginnt gerne mit einem Tisch ein Gespräch, um dann einen anderen Tisch mit einzubeziehen. »So redet irgendwann jeder mit jedem.«
Er plant, regelmäßig einen Kabbalat Schabbat zu machen. Zu Jom Kippur bleibt das Restaurant geschlossen, vor dem Fasten wird es aber ein großes Essen geben. Eine echt koschere Küche ist im kleinen Restaurant nicht möglich und wäre auch zu aufwändig, sagt Yorai. Stattdessen bietet er »koscher lite« an: vegetarische Gerichte und keine Mischung von Fleisch und Milch.
Mars Die alte Frage, wie es sich für ihn ausgerechnet in Deutschland lebt, findet er nicht langweilig. »Ich fühle mich hier wohler als in Wien oder Stockholm, und Idioten gibt es sowieso überall.« Die erste Zeit war trotzdem merkwürdig. Doch schnell hat er Freunde gefunden.
»Ein Deutscher in meinem Alter hat mit der Sache nichts mehr zu tun. Und wer an einem Ort leben will, an dem es nie Judenverfolgung gab, kann ja auf den Mars ziehen.« Yorai bezeichnet sich als Patrioten und Zionisten. In seinem Restaurant hängen israelische Fähnchen und eine Spendenbox für KKL/JNF. Gelegentlich gibt es Passanten, die diskutieren wollen. Vorsichtig ist Yorai trotzdem. An der Fassade steht der Name – mehr nicht. »Es muss nicht unbedingt draußen stehen, dass es ein israelisches Restaurant ist.«