Düsseldorf

Sägen, fräsen, bohren

Links und rechts der Herderstraße in Hilden, einer kleinen Stadt südwestlich von Düsseldorf, liegt ein Gewerbemischgebiet, wie es Hunderte in Deutschland gibt: Wohnhäuser wechseln sich mit Werkstätten, großen Lagerhallen und kleinen Betrieben ab. Ein schmaler Weg, der von der Straße aus leicht zu übersehen ist, führt zu einem Gebäude zwischen zwei Wohnhäusern, der Behindertenwerkstatt der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, genannt My-Tron Manufaktur. Noch werden sowohl Mitarbeiter als auch Aufträge gesucht.

In den hellen Räumen steht alles, was man zur modernen Metallverarbeitung braucht: digitale Fräsmaschinen, Sägen, deren Blätter durch Stahl wie Butter schneiden, und eine Vielzahl von Messgeräten. Seit Herbst 2021 hat hier die im Frühjahr desselben Jahres gegründete My-Tron Manufaktur ihr Zuhause gefunden. Einfach war das nicht, erzählt ihr Geschäftsführer Hans Fugmann: »Wir haben uns 250 Objekte angeschaut. Viele Vermieter, die erst bereit waren, Räume an eine Behindertenwerkstatt zu vermieten, verloren das Interesse, als sie erfuhren, dass die Werkstatt von der Jüdischen Gemeinde getragen wird. Sogar ein städtisches Immobilienunternehmen zog seine Zusage zurück. Ganz plötzlich stand die Immobilie, für die wir uns interessierten und schon eine Zusage hatten, doch nicht mehr zur Verfügung.«

Vier Menschen arbeiten zurzeit in der Werkstatt

Solche Probleme gab es mit Ralf Weiners nicht. Er vermietete seine Räume ohne Bedenken an die Werkstatt, an der die Gemeinde beteiligt ist. Viele Jahre hat Weiners die Räumlichkeiten für seine GTW Formularmaschinen genutzt. Nun hat er sie 2021 teilweise an My-Tron vermietet. 150 von 400 Quadratmetern nutzt die Behindertenwerkstatt heute. Bei Bedarf kann sie am Standort wachsen. Dann müsste Weiners allerdings ein neues Zuhause für seinen Porsche finden. Der Rennwagen des 83-Jährigen, mit dem er bis heute beim Motorsport aktiv ist, steht in einer kleinen Halle im hinteren Bereich des Gebäudes. Auf dem Weg dahin kommt man an Wänden mit Fotos von Weiners Rennen und seinen Siegerkränzen vorbei. »Weiners ist der schnellste Opa Deutschlands«, erzählt Fugmann lachend.

Vier Menschen arbeiten zurzeit in der Werkstatt: Fugmann, der nicht nur Geschäftsführer ist, sondern auch über Meisterbriefe unter anderem in Elektrotechnik sowie Radio- und Fernsehtechnik verfügt und zudem gelernter Feinmechaniker ist, ist ebenso körperlich behindert wie zwei Mitarbeiter, die sich derzeit in einer Rehabilitationsmaßnahme befinden. Peter Barysch, gelernter Techniker, darf wie Fugmann ausbilden und hat früher bereits für Weiners GTW Formularmaschinen gearbeitet.
Stolz führt Barysch eine der digitalen Fräsmaschinen vor, spannt eine Metallplatte ein, schließt die Plexiglaskabine und startet das Programm. Minutenlang bohrt die Maschine Loch für Loch und fängt erst später an, die ganzen Teile auszuschneiden. »So stellen wir sicher«, sagt Barysch, »dass die Werkteile exakt ausgeschnitten werden.«

Die Behindertenwerkstatt ist zwar ein Projekt der Jüdischen Gemeinde, steht aber allen offen. Zurzeit ist keiner der Beschäftigten jüdisch. Die beiden Mitarbeiter hat er über Bekannte in seinem Kleingartenverein kennengelernt. Das soll sich in Zukunft ändern, sagt Bert Römgens, der Verwaltungsdirektor der Düsseldorfer Gemeinde: »Das Projekt läuft ja erst an.« Noch vor der Covid-Pandemie, in der Zeit, als Römgens Vorgänger Michael Szentei-Heise Verwaltungsdirektor war, hat die Gemeinde die Möglichkeit bekommen, sich in diesem Bereich zu engagieren.

Als Gemeinde ist man ein Träger der freien Wohlfahrtspflege. Deshalb wollte man auch ein Angebot für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen aufbauen.

Als Gemeinde ist man ein Träger der freien Wohlfahrtspflege und deshalb wollte man auch ein Angebot für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen aufbauen. »Wir haben in Düsseldorf die Hatikva-Gruppe, in der sich Betroffene engagieren und die sehr aktiv und lebendig ist.« Immer wieder ist die Frage nach Beschäftigungsmöglichkeiten aufgekommen. »Unsere Idee war dann, das eine mit dem anderen zu verbinden und für Gemeindemitglieder, die auf dem ersten Arbeitsmarkt Schwierigkeiten haben, vermittelt zu werden, ein Angebot zu schaffen, das ihnen die Möglichkeit gibt, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.«

Die Gemeinde hat in der Werkstatt 20 Luftreinhaltegeräte bestellt

Die Gemeinde ist allerdings nicht nur der Initiator, sondern auch der wichtigste Kunde von My-Tron. Selbst wenn es wegen der Abwesenheit der Hälfte der Mitarbeiter in den Räumen an der Herderstraße gerade etwas ruhiger zugeht, wird hier produziert.

Die Düsseldorfer Gemeinde hat 20 Luftreinhaltegeräte bestellt, die von der Behindertenwerkstatt entwickelt und gebaut wurden. Sie reinigen nicht nur die Luft, sondern messen auch, wie stark sie belastet ist, und sind miteinander vernetzt. »Es geht dabei nicht nur um Corona, auch Grippeviren und andere Erreger sind ja ebenfalls eine Gefahr.«
Die Geräte können in Schulen, Altenheimen, Krankenhäusern, Synagogen oder Gemeindezentren eingesetzt werden. 18 von ihnen sind bereits fertig, nur noch zwei Geräte müssen gebaut werden. Sie sind gut einen Meter hoch, haben ein kleines Display, und ihre Form erinnert an die Stereoanlagentürme der 70er- und 80er-Jahre.

Mehr Aufträge, sagt Fugmann, würde allerdings auch bedeuten, dass die Zahl der Mitarbeiter erhöht werden könnte. »Wir würden natürlich gern auch ausbilden. Mit Peter Barysch und mir haben wir ja die nötigen Mitarbeiter. Und was die technische Ausstattung betrifft, sind wir auch gut aufgestellt.«

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