Die Chemnitzerin Renate Aris ist am Mittwoch mit dem Sächsischen Verdienstorden geehrt worden. Die heute 80-Jährige ist eines der aktivsten Mitglieder in der Jüdischen Gemeinde Chemnitz und zählte zu jenen Frauen und Männern, die in der DDR die Kehille im damaligen Karl-Marx-Stadt nicht aufgaben. »Wir sind häufiger gefragt worden, ob denn ein Fortbestehen der Gemeinden noch Sinn macht – ohne junge Familien, ohne Rabbiner, ohne Kantor. Aber eine Schließung, da waren wir uns einig, bildete überhaupt keine Option«, sagte sie kürzlich der Jüdischen Allgemeinen.
Die Familie von Renate Aris stammt aus Dresden. Ihrer drohenden Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt im Februar 1945 entkam sie nur durch den Luftangriff der Allliierten, der die Infrastruktur der Innenstadt auf einen Schlag komplett zerstörte.
Wiedergründung Nach dem Krieg übernahm Familie Aris große Verantwortung in der neu gegründeten Jüdischen Gemeinde in Dresden. Mehr als 30 Jahre wirkte Renates Vater Helmut Aris dort als Vorsitzender, lange Zeit fungierte ihr Bruder Heinz-Joachim als Geschäftsführer. Renate, die aus beruflichen Gründen während der 60er-Jahre nach Karl-Marx-Stadt zog, wurde auch in der hiesigen Gemeinde, die kaum mehr als 20 Mitglieder zählte, rasch aktiv.
»Wir haben uns immer als Schicksalsgemeinschaft verstanden, aber auch die Tradition hat ihre Bedeutung behalten«, blickt sie zurück. Als zu Beginn der 90er die russischsprachig-jüdische Zuwanderung begann, war sie mit den »Alten« zur Stelle, um gemeinsam neue Strukturen zu schaffen. So gründete sie gemeinsam mit einigen Mitstreiterinnen einen neuen Jüdischen Frauenverein und wurde mehrfach in den Vorstand der Gemeinde gewählt.
Zeitzeugin Seit vielen Jahren ist Renate Aris auch in Schulen unterwegs, um von ihren wechselvollen Erfahrungen als Jüdin in Deutschland zu berichten. In der neuen Chemnitzer Synagoge organisiert sie regelmäßige Führungen. »Vor allem wenn ich mit jungen Menschen ins Gespräch komme, äußere ich auch meine Sorgen über neuen Rechtspopulismus«, sagt Aris. »Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie schnell sich das gesellschaftliche Klima ändern kann, und sollten mit offenen Augen durch die Welt gehen. Aufklärung tut Not – immer.«
Für dieses vielfältige Engagement würdigte sie nun der Freistaat mit dem Verdienstorden. Er wird seit Mitte der 90er-Jahre an in- und ausländische Persönlichkeiten verliehen, die insbesondere im politischen, sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und ökologischen Bereich Außergewöhnliches für das Allgemeinwohl leisten.