Einrichtungen

Ruhe bewahren ist angesagt

Zur Corona-Prävention sind auch jüdische Kindergärten, Schulen und Vereine geschlossen

von Elke Wittich  19.03.2020 10:34 Uhr

Corona überall: Das private Krisenmanagement trübt die Freude auf den Frühling, doch der Schutz für sich und andere geht vor. Foto: Getty Images/istock

Zur Corona-Prävention sind auch jüdische Kindergärten, Schulen und Vereine geschlossen

von Elke Wittich  19.03.2020 10:34 Uhr

Wie schnell das alles ging – gerade hatte man sich noch darauf gefreut, dass bald der Frühling beginnt, und damit begonnen, Pläne für Ausflüge, Picknicks, Urlaubstage zu schmieden, und im nächsten Moment war man schon mittendrin im privaten Krisenmanagement rund um die Corona-Pandemie.

Seit dem Wochenende ist das öffentliche Leben zum Erliegen gekommen – und wie alle anderen müssen auch jüdische Institutionen den Spagat zwischen Pflichterfüllung und Schutz vor einer potenziell tödlichen Seuche bewältigen.

Altenzentrum Im Altenzentrum der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main folgt man seit Beginn der Corona-Krise den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts. »Wir sind in der Verantwortung, die Bewohner zu schützen und natürlich auch gleichzeitig die Mitarbeiter nicht Gefahren auszusetzen«, umreißt Sandro Huberman, Leiter der Einrichtung, die alltägliche Arbeit.

Natürlich lege man »derzeit eine erhöhte Sensibilität an den Tag, aber die Bewohner vertrauen uns offenkundig. Panik oder Unruhe haben wir nicht festgestellt, sie wissen wohl, dass wir für den bestmöglichen Schutz sorgen«.

Im Übrigen sei Hygiene selbstverständlich, »die täglichen Abläufe werden durch Corona also nicht grundlegend verändert, denn Desinfektion war beispielsweise auch schon vor dem Beginn der Epidemie wichtig«. Darüber hinaus halte man sich täglich auf dem Laufenden und setze »natürlich die jeweils aktuellsten Empfehlungen und Vorgaben um«.

Zuwanderer Speziell für ältere jüdische Zuwanderer, die nicht so gut Deutsch sprechen, bietet die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) auf ihrer Webseite eine »besondere Unterstützungsmaßnahme für ältere Gemeindemitglieder mit Sprachbarriere« an: Die aktuellen Informationen und Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts über die Corona-Epidemie finden sich dort sowohl auf Deutsch als auch von der ZWST übersetzt auf Russisch und werden laufend aktualisiert.

Für Kinder und Jugendliche sind aufgrund von Corona plötzlich und unvermutet die Ferien angebrochen. Bis einschließlich 19. April sind beispielsweise in Berlin Schulen und Kitas geschlossen. Das gilt auch für die staatlich anerkannte private Heinz-Galinski-Schule, deren Träger die Jüdische Gemeinde zu Berlin ist.

Dass Schulen geschlossen werden, sei »ganz sicher keine alltägliche Situation«, sagt Inken Loesch, Leiterin der Schule, aber es habe sich durchaus abgezeichnet, in Italien sei dies beispielsweise bereits seit dem 4. März der Fall.

Entsprechend sei man nun nicht unvorbereitet, »wir haben unseren eigenen Notfallplan, also die Eltern informiert und dafür gesorgt, dass die Kinder ihre Schulbücher und Arbeitshefte mit nach Hause nehmen«. Die Entscheidung, die Schulen zu schließen, sei insgesamt begrüßenswert, »Schulen und Kitas sind einfach sehr gute Übertragungsorte, das darf man nicht unterschätzen«, meint Loesch.

Bayern Am Montag dieser Woche rief Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Katastrophenfall aus. Für zunächst 14 Tage gelten starke Einschränkungen im öffentlichen Leben, Restaurants dürfen demnach zum Beispiel nur noch von 6 bis 15 Uhr geöffnet haben, die Zahl der Gäste ist auf maximal 30 beschränkt. Die Tische müssen anderthalb Meter voneinander entfernt stehen.

Auch im koscheren Restaurant »Einstein« müssen die Tische in einem Abstand von 1,50 Meter aufgestellt werden.

Von diesen Vorgaben betroffen ist natürlich auch das koschere Restaurant »Einstein« im Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München. Wie andere bayerische Speisegaststätten auch wird das Einstein einstweilen nicht mehr regulär geöffnet haben, sondern auf Catering und Take-away, also die Selbstabholung bestellter Gerichte, umstellen, wie Pressesprecher Richard Volkmann mitteilt.

Fussballliga Auch das sportliche Leben ist corona-bedingt stark eingeschränkt. Der Ligenbetrieb im Fußball wurde einstweilen ausgesetzt, wovon auch die Makkabi-Vereine bundesweit betroffen sind. Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, betont allerdings: »Wir wollen nicht in Hysterie verfallen.«

Ruhe bewahren sei vielmehr angesagt, das betreffe auch die Makkabi Deutschland Games 2020, die vom 20. bis 24. Mai in Düsseldorf stattfinden sollen. Während alle Sportlehrgänge von Makkabi bis zum 30. April abgesagt werden mussten, wird am Termin für die größte jüdische Sportveranstaltung Deutschlands weiterhin festgehalten.

»Unsere Vorbereitungen auf das große Event gehen weiter, nur eben etwas langsamer«, sagt Meyer. Mit »gesundem Menschenverstand« gehe man derzeit an die Arbeit, »wir haben die Stornofristen überarbeitet und schließen im Moment keine bindenden Verträge ab«. Insgesamt gehe Makkabi alles etwas langsamer an, »und wir hoffen, dass vielleicht schon in wenigen Wochen alles so weit wieder normal laufen kann«.

Makkabi Bei den Makkabi-Vereinen finden keine Veranstaltungen mehr statt, der Sportbetrieb ruht. »Hier in Frankfurt sind wir den Empfehlungen gefolgt, die vom Hessischen Sportbund und dem Fußballverband ergingen.« Wann beispielsweise wieder Fußball gespielt werden könne, sei nicht abzusehen.

An den Makkabi Deutschland Games 2020 möchte der Verein gern festhalten.

»Wir nehmen Corona ernst, aber wir brechen nicht in Panik aus« sei ein Leitsatz, der auch für die alltägliche Arbeit bei Makkabi gelte. Vieles werde nun im Homeoffice erledigt. »Heutzutage ist es ja problemlos möglich, ein paar Wochen lang von zu Hause aus zu arbeiten.«

Und außerdem helfe es, sich den Sinn für Relationen zu bewahren, auch im Privatleben. »Es gibt doch nun wirklich Schlimmeres auf der Welt, als zu Hause zu bleiben, sich auszuruhen und Zeit mit der Familie zu verbringen.«

talmud Schon im Talmud stehe schließlich die Geschichte des Weisen Nachum Isch Gamsu, auf den der Ausspruch »Gam su letova« zurückgeht. »Im Prinzip bedeutet es, dass an jeder schlechten Sache auch etwas Gutes ist, und so ist es auch in der aktuellen Situation«, betont Alon Meyer.

Wegen der Corona-Epidemie gezwungen zu sein, zu Hause zu bleiben, könne man schließlich »auch als Geschenk sehen, denn es ist ja eine gute Sache, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Und vielleicht ist es für uns alle sowieso auch mal gut zu entschleunigen«.

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert

Militärseelsorge

Militärrabbiner Ederberg: Offenes Ohr für Soldaten im Norden

Arbeit bei der Bundeswehr sei Dienst an der Gesellschaft insgesamt, den er als Rabbiner gerne tue, sagt Ederberg

 11.03.2025

Buchvorstellung

Parallelen zum BDS-Boykott von heute

Andreas E. Mach untersuchte die Geschichte jüdischer Familienunternehmer in München

von Luis Gruhler  10.03.2025

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung und eine Spendenkampagne für Familien israelischer Soldaten

von Christine Schmitt  10.03.2025

Antisemitismus

Rabbiner Pinchas Goldschmidt zu Vorfall in München: »Abschieben! Noch heute!«

Drei junge Syrer randalierten am Samstag vor dem jüdischen Gemeindezentrum - in ersten Reaktionen forderten Rabbiner harte Konsequenzen

 10.03.2025

München

Hilfe von »Ruth«

Der Jüdische Frauenverein ermöglicht Bedürftigen ein Leben in Würde

von Luis Gruhler  09.03.2025

Berlin

Des Nougats Kern

Yahel Michaeli lädt in ihrer Patisserie zu Kursen ein, in denen sie die Kunst der Schokoladen- und Pralinenherstellung lehrt. Ein Besuch zwischen Mousse und Callets

von Alicia Rust  09.03.2025

Dialog

Buber-Rosenzweig-Medaille wird am Sonntag in Hamburg verliehen

In diesem Jahr geht die Medaille an das Ehepaar Meron Mendel und Saba-Nur Cheema. An der Auszeichnung gab es im Vorfeld scharfe Kritik aus der jüdischen Gemeinschaft

 09.03.2025

Porträt der Woche

Die DNA verändern

Esther Deppe aus Bielefeld studiert Chemie und möchte in der Genforschung arbeiten

von Gerhard Haase-Hindenberg  08.03.2025