Amberg

Rückkehr der Tora

Rabbiner Elias Dray am vergangenen Sonntag mit der Sulzbacher Tora Foto: Miryam Gümbel

Es war ein Fest der Freude, als am vergangenen Sonntag die Sulzbacher Tora feierlich in die Amberger Synagoge getragen wurde. Im Amberger Congress Centrum (ACC) feierte die jüdische Gemeinschaft dieses Ereignis zusammen mit vielen Ambergern und Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben weit über die Grenzen der oberpfälzischen Stadt hinaus.

Nach langer Reise von Sulzbach nach Amberg über Israel und Berlin ist die aus dem Jahr 1793 stammende und damit wohl älteste Torarolle Süddeutschlands nun in die Oberpfalz zurückgekehrt. Rabbiner Elias Dray habe sie in einem versteckten Schrein in der Synagoge entdeckt, erzählte Ignaz Berger vom Vorstand der Kultusgemeinde, bevor er die zahlreichen Persönlichkeiten begrüßte.

Schrift Die Tora war 1934 zusammen mit weiteren Kultgegenständen der aufgelösten Sulzbacher Synagoge nach Amberg gekommen. Ihre Schrift war verblasst, ihr Gesamtzustand so schlecht, dass an eine Verwendung im Gottesdienst nicht mehr zu denken war. Sie sollte also beerdigt werden, wie es im Judentum mit geheiligten, aber nicht mehr nutzbaren Dingen üblich ist.

Diese Vorstellung rief die damalige Amberger Bundestagsabgeordnete Barbara Lanzinger auf den Plan. Sie konnte und wollte sich das nicht vorstellen. Beim Festakt im ACC zitierte sie Alfred Herrhausens Satz: »Denken, reden und handeln gehören zusammen«; ein Motto, nach dem die CSU-Politikerin stets handelt – und das mit viel Nachdruck. Das Handeln, so erklärte sie, müsse dabei immer pragmatisch sein, nie ideologisch. Was die Torarolle anging, setzte sie sich für ihre Restaurierung ein. Auch im Haushaltsausschuss des Bundestags konnte sie für die Rettung des einmaligen Kulturgutes werben.

»Sie ist der Baum des Lebens für die, die an ihr festhalten.«

Rabbiner Henry Soussan

Einer ihrer Mitstreiter dabei war Ludwig Spaenle, Bauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus. Er hielt die Laudatio auf Barbara Lanzinger, die am vergangenen Sonntag für ihr Engagement ausgezeichnet wurde, das weit über ihren Einsatz für die Tora hinausgeht. Sie knüpft Netzwerke für ein Miteinander, zum Beispiel in ihrem Verein »Dem anderen begegnen«.

Der Preis, mit dem sie ausgezeichnet wurde, kommt von der Israelitischen Kultusgemeinde Amberg und wurde zum ersten Mal verliehen. Neben einer Urkunde ist es ein kleiner Schlüsselanhänger, geschaffen vom Amberger Künstler und Goldschmied Sebastian Baron von der Recke. Er trägt die Inschrift »Rav Schlesinger Preis«.

Druckerei Mit der Wahl dieses Namens wird die Bedeutung der Oberpfalz als wichtiges Zentrum jüdischen Lebens unterstrichen. Der gebürtige Fürther Wolf Schlessinger (1812–1854) kam 1842 als Rabbiner nach Sulzbach, damals eine bedeutende Stadt auch für die jüdische Kultur und Wissenschaft. Hier befand sich eine Druckerei für die Publikation von Büchern in hebräischer Sprache. 1843 heiratete Schlessinger Rosetta Arnstein, die Tochter des Druckereibesitzers. Hier veröffentlichte er zahlreiche Bücher, darunter auch seine Promotion. In den Wirren der Auseinandersetzungen der Revolution von 1848 und nach antisemitischen Todesdrohungen gegen ihn verließ er Sulzbach. Er starb 1854 in Frankfurt.

Neben dem Verweis auf das Miteinander, das Barbara Lanzinger bis heute aktiv unterstützt, verwies Rabbiner Dray bei der Überreichung der Auszeichnung noch auf eine weitere Eigenschaft der Politikerin, die in Form des Preises zum Ausdruck kommt: »Sie schafft es, Türen zu öffnen.«

preis Mit dem Preis geehrt wurde auch der Amberger Heimatpfleger Dieter Dörner. Ambergs Oberbürgermeister Michael Cerny bezeichnete ihn in seiner Laudatio als »Schlüsselfigur für diesen Tag heute«. Neben der Erforschung seiner Heimat ist er auch den Spuren jüdischer Geschichte und der Sulzbacher Tora nachgegangen – und setzt sich dafür ein, »dass wir in Freude und mit Humor miteinander leben«.

Ein Tag der Freude also. Die Schirmherrin des Festes, die Präsidentin des Bayerischen Landtags, Ilse Aigner, verwies auch auf die dunklen Seiten im Verlauf von 1700 Jahren deutsch-jüdischer Geschichte. Dabei warf sie die Frage auf: »Ist es ein Jubiläumsjahr? Ist es ein Festjahr oder ein Veranstaltungsjahr?« Ihre Antwort: »Es ist ein Verantwortungsjahr! Es gilt – und zwar nicht nur in 2021 – Haltung zu zeigen, Entschiedenheit. Sich zu bekennen zum vitalen jüdischen Leben in unserer Heimat!«

Diese Vielfalt wurde deutlich in drei Gesprächsrunden auf dem Podium. Moderiert von Andreas Bönte vom Bayerischen Rundfunk ging es zunächst um Sulzbach als Zentrum jüdischen Lebens. Die zweite Runde befasste sich mit der NS-Zeit und den Jahren nach 1945 in Amberg. In der Abschlussrunde stand das Amberg von heute im Mittelpunkt.

»Es gilt – und zwar nicht nur in 2021 – Haltung zu zeigen, Entschiedenheit.«

Ilse Aigner, Landtagspräsidentin

Am Ende des Festaktes wurde die Tora von Rabbiner Yehuda Pushkin von der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) und Henry Soussan, dem Militärrabbiner der US-Armee in Bayern, gesegnet. Soussan sagte über die Tora: »Sie ist der Baum des Lebens für die, die an ihr festhalten.« Er bezeichnete sie als »Liebesbrief Gottes an das jüdische Volk«.

Nach einem koscheren Essen zog die Festgesellschaft dann vom ACC zur Synagoge in der Salzgasse in der Amberger Altstadt. Auf dem Weg wurde sichtbar, was Ludwig Spaenle in seiner Rede angesprochen hatte: die Nähe zum kürzlich gefeierten Fest der Torafreude, Simchat Tora. Begleitet von den Klängen des Roman Kuperschmidt Musik-Ensembles tanzten die Rabbiner mit der Torarolle den Weg entlang – so wie eben auch an Simchat Tora in der Synagoge. Das erste Mal wird am kommenden Schabbat aus der Tora gelesen.

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