Makkabi

Rote Karte für den Hass

Diskussion im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund Foto: Sven Hausmann

Schiedsrichter gehören ohne jeden Zweifel für die meisten Fußballfans nicht zu den Sympathieträgern auf dem Platz. Aber ohne sie könnte kein Spiel stattfinden, und auch im Kampf gegen Antisemitismus und Diskriminierung spielen sie eine wichtige Rolle. Davon ist jedenfalls Luis Engelhardt überzeugt. Er ist Leiter des Projekts »Zusammen1 – Für das, was uns verbindet« von Makkabi Deutschland.

»Wir forschen und bieten verschiedene Vermittlungsformate an«, erklärt Engelhardt. »Wir gehen aber auch auf den Sportplatz und binden Maßnahmen der politischen Bildung ins Training ein.«

Team Dabei wendet sich das Team von »Zusammen1« nicht nur an Spieler, Trainer und Teamverantwortliche, sondern auch an Schiedsrichter. »Wir haben uns mit Alex Feuerherdt vom Schiri-Podcast ›Collinas Erben‹ zusammengesetzt und mit Unterstützung des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) eine Checkliste und ein Lehrvideo gegen Diskriminierung entwickelt.«

Darin treten mit Deniz Aytekin (Herren-Bundesliga), Katrin Rafalksi (Frauen-Bundesliga und 2. und 3. Bundesliga der Herren) und Kisanet Zekarias (Oberliga) drei aktive Schiedsrichter auf. Sie erklären, was Schiedsrichter tun müssen, wenn zum Beispiel ein Spieler von einem Zuschauer rassistisch beleidigt wird. Alle drei wollen ihre Kolleginnen und Kollegen in Schwarz dazu bewegen, bei Diskriminierungen jeder Art durchzugreifen.

Für Luis Engelhart sind Schiedsrichter beim Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung besonders wichtig: »Sie sind vor den Sportgerichten die Kronzeugen. Wenn ein Schiedsrichter im Spielbericht einen Diskriminierungsfall meldet, wird der automatisch bearbeitet.«

Dass sich Makkabi als jüdischer Sportverband nicht ausschließlich mit Antisemitismus beschäftigt, hat gute Gründe: »Natürlich wollen wir über Antisemitismus aufklären, aber wir müssen zuerst die ganze Bandbreite von Diskriminierung bewusst machen, um dann auf den Antisemitismus einzugehen.« Viele Menschen hätten wenig Kontakt mit Juden und wenig Wissen über jüdisches Leben.

VORFÄLLE Am Dienstagabend diskutierten dann Deniz Aytekin (DFB-Schiedsrichter), die Bildungsreferentin Rachel Etse (Makkabi Deutschland) sowie die Amateur-Schiedsrichter Kisanet Zekarias (Südwestdeutscher Fußballverband) und Ender Apaydin (Berliner Fußball-Verband) im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund vor zumeist aus Westfalen kommenden Schiedsrichtern.

Ender Apaydin pfiff in der Berliner Bezirksliga im November vergangenen Jahres das Spiel von TuS Makkabi gegen CFC Hertha 06, bei dem es zu mehreren antisemitischen Vorfällen kam. Zwei Hertha-Spieler hatten während des Spiels den Hitlergruß gezeigt und gedroht: »Ich verbrenne euch und eure dreckige Fahne, ihr Bastarde, so wie die Deutschen das mit euch gemacht haben.«

Aytekin griff ein, gab rote Karten und sah sich bedrängt. Als das Spiel vorbei war, brauchte er erst einmal zeitlichen Abstand, bis er seinen Spielbericht schrieb: »Als ich mir dann in Ruhe meine Aufzeichnungen anschaute, war mir klar, dass es bei diesen Fällen nicht um Diskriminierung, sondern um Antisemitismus ging.«

Bildungsreferentin Rachel Etse erklärte in der Diskussion in Dortmund den wichtigen Unterschied zwischen einer Beschimpfung und Diskriminierungen: »Arschloch ist eine Beschimpfung. Bei Diskriminierungen geht es immer um Eigenschaften, die mit der Identität der Betroffenen zusammenhängen wie Hautfarbe oder Religion.« Antisemitismus sei noch etwas anderes: »Er ist eine Ideologie, die Juden die Schuld an allen Problemen der Welt gibt.«

»Die Unter-den-Teppich-kehr-Mentalität muss ein Ende haben.«

Schiedsrichter Kisanet Zekarias

Deniz Aytekin sprach Ender Apaydin für sein Verhalten in dem Spiel des TuS Makkabi gegen CFC Hertha 06 Respekt aus. Er beteilige sich gern an der Aktion von Makkabi, da er Teil der Fußballfamilie sei: »Diskriminierung und Antisemitismus haben beim Fußball nichts zu suchen. Fußball ist für alle da.«

Es sei wichtig, dass man sich für diese Probleme sensibilisiere. »Ich schreite auch ein, wenn mir meine Assistenten einen Vorfall melden. Ob ich das direkt mitbekommen habe oder nicht, ist egal.« Kisanet Zekarias, der bis zu seinem 18. Lebensjahr Spieler war und dann ins Schiedsrichterlager wechselte, hat als Schwarzer selbst Diskriminierung erlebt, vor allem bei Spielen auf dem Land. Ein Fall, wie ihn Ender Apaydin schilderte, komme aber nicht oft vor: »Die krassen Fälle passieren selten.«

Als Schiedsrichter spreche er vor dem Spiel die Ordner an, damit sie bei entsprechenden Zwischenfällen reagieren. Die Probleme müssten offen angesprochen werden: »Die Unter-den-Teppich-kehr-Mentalität muss ein Ende haben.« Die Regional- und Landesverbände unterstützen Spieler, Teamverantwortliche und Schiedsrichter. Es gibt nach Vorfällen bei Bedarf psychologische Betreuung. Jeder Landesverband hat eine Anlaufstelle für Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle. Und der Aufwand, den die Fußballfamilie betreibt, zeigt Wirkung: Die Personen, die in die antisemitischen Zwischenfälle beim Spiel von TuS Makkabi gegen CFC Hertha 06 beteiligt ware, wurden mit zweijährigen Sperren belegt. Ebenso wurde Ergün Cakir, der Vizepräsident des CFC Hertha 06 und Vater eines der Spieler, für zwei Jahre gesperrt, nachdem er in einer ARD-Doku gesagt hatte: »Mein Sohn wird sein komplettes Leben die Juden hassen – das weiß ich zu 100 Prozent.« Bei der Diskussion in Dortmund wurde klar: Die Schiedsrichter werden sich dafür einsetzen, dass sich solche Vorfälle in Zukunft möglichst nicht wiederholen.

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