Mainz

Rillen, Raster, ruhelos

Synagogenplatz: Der Bau des Architekten Manuel Herz soll im September eröffnet werden. Foto: Michael Bahr / HBZett.com

»Jetzt habbe die aach bald ihr Kersch widder«, sagt die Frau an der Bushaltestelle im breiten Mainzer Dialekt zu einem vorbei- gehenden Passanten. Auch wenn Kirche und Juden nicht ganz zusammenpassen, und der junge Mann nicht allzu viel mit dem Kommentar anfangen kann, sie erklärt ihm gleich noch, dass die alte »Kersch« ja 1938 »abgefackelt wurde«.

Nun, in Teilen hat sie recht. Hier, auf dem Eckgrundstück an der Hindenburgstraße im Mainzer Stadtteil Neustadt, soll in gut drei Monaten das neue Synagogenzentrum eröffnet werden. Und hier stand die alte Hauptsynagoge, die in der Reichspogromnacht zerstört wurde.

aufmerksamkeit Nähert man sich dem Gebäudekomplex, ragen zunächst etwas versteckt die in spitzen, dreieckigen Formen verlaufenden Dächer zwischen den umliegenden Wohngebäuden hervor. Steht man davor, sucht das Auge einen ruhigen Moment in der eigenwilligen Architektur.

An der kurzen Seite des Gebäudes, entlang der Gabelsbergerstraße, ist das Baugerüst schon entfernt, die Fassade fertig. Sie schimmert in verschiedenen dunklen Grüntönen. Die glänzende und farblich gedeckte Fassadenstruktur gibt dem Erscheinungsbild mehr Harmonie. Gleichzeitig wirkt die Fassade durch ein rillenartiges Relief unruhig, spitz zulaufende Keramikkacheln sind uneinheitlich angeordnet.

Gefühl Eine junge Frau geht vorüber, schaut neugierig nach oben. Vorsichtig streichelt sie die glatt-glänzende Fassade. Kurz darauf kommt ein Fahrradfahrer vorbei, steigt ab und streicht ebenfalls über die Fliese. Das ungewöhnliche Material zieht nicht nur die Blicke an.

An den Straßenecken sind neue Straßenschilder angebracht. »Synagogenplatz« steht mit weißer Schrift auf blauem Grund. Der Ortsbeirat hatte sich für eine Umbenennung eingesetzt, ansonsten hätte die Postanschrift des künftigen Gemeindezentrum »Hindenburgstraße« geheißen. Unangemessen fand dies nicht nur der Ortsvorsteher der Neustadt angesichts der Rolle des ehemaligen Reichspräsidenten bei der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler.

erinnerung Vor der Längsseite des neuen Gebäudes stehen die spärlichen Überreste der alten Synagoge, die seit ihrer Ausgrabung im Jahr 1988 als Mahnmal hier verblieben. Vier mit Efeu berankte Säulen, die bemooste Dachreste tragen, daneben liegen zerschlagene Säulensteine, aufgetürmt zu einem Haufen. Der Gedenkstein davor ist überladen mit abgelegten kleinen Steinen.

An der Ecke zur Josefsstraße steht ein hohes Baustellenschild, überschrieben mit »Licht der Diaspora«, dem Namen des Gemeindezentrums. Passanten lesen die knapp 20 Zeilen mit den Erläuterungen zum architektonischen Entwurf, mit dem sich der Architekt Manuel Herz auf das Thema des Schreibens bezieht und somit auf Mainz als Zentrum der Talmud-Forschung. So mancher Kommentar – »Das ist ja völlig witzlos«, »Wie kann man nur den städtebaulichen Kontext so vernachlässigen« – zeigt, dass es das Gebäude nicht ganz einfach haben wird. Gefällig jedenfalls wirkt es nicht. »Spannend, mal sehen wie es sich noch entwickelt«, meint eine Frau. Der Wachmann dreht schon wieder seine Runden. Ein Bus rauscht vorbei, Vögel zwitschern. Die Zweige der ausladenden Ahornbäume an der Straße um-
spielen das Gebäude.

Berlin

Hommage an jiddische Broadway-Komponisten

Michael Alexander Willens lässt die Musik seiner Großväter während der »Internationalen Tage Jüdischer Musik und Kultur« erklingen

von Christine Schmitt  21.11.2024

Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erhält die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Düsseldorf

Für Ausgleich und Verständnis

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erhielt die Josef-Neuberger-Medaille

von Stefan Laurin  21.11.2024

Jubiläum

Religionen im Gespräch

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet

von Claudia Irle-Utsch  21.11.2024

Engagement

Helfen macht glücklich

150 Aktionen, 3000 Freiwillige und jede Menge positive Erlebnisse. So war der Mitzvah Day

von Christine Schmitt  20.11.2024

Volkstrauertag

Verantwortung für die Menschlichkeit

Die Gemeinde gedachte in München der gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs

von Vivian Rosen  20.11.2024

München

»Lebt euer Leben. Feiert es!«

Michel Friedman sprach in der IKG über sein neues Buch – und den unbeugsamen Willen, den Herausforderungen seit dem 7. Oktober 2023 zu trotzen

von Luis Gruhler  20.11.2024

Aus einem Dutzend Ländern kamen über 100 Teilnehmer zum Shabbaton nach Frankfurt.

Frankfurt

Ein Jahr wie kein anderes

Was beschäftigt junge Jüdinnen und Juden in Europa 13 Monate nach dem 7. Oktober? Beim internationalen Schabbaton sprachen sie darüber. Wir waren mit dabei

von Joshua Schultheis  20.11.2024

Porträt

»Da gibt es kein ›Ja, aber‹«

Der Urgroßvater von Clara von Nathusius wurde hingerichtet, weil er am Attentat gegen Hitler beteiligt war. 80 Jahre später hat nun seine Urenkelin einen Preis für Zivilcourage und gegen Judenhass erhalten. Eine Begegnung

von Nina Schmedding  19.11.2024