Es war, sagt Reinhard Löwenstein mit einem Lächeln, Sympathie auf den ersten Blick. Und sein Partner, der nahe neben ihm steht und etwa zwei Köpfe kleiner ist als er, grinst zustimmend schräg zu ihm hinauf. Doch die Harmonie, die die zwei ungleichen Männer in diesem Moment verströmen, sei eher untypisch für ihre Freundschaft, versichern beide einstimmig. »Jeder von uns ist ein Dickkopf«, gesteht Löwenstein. Streit sei daher unvermeidbar.
Doch jetzt gerade ist der Winzer aus Winningen an der Mosel voller Bewunderung für seinen israelischen Freund Yair Margalit, der in der Küstenstadt Caesarea wohnt. Der hat nämlich etwas ganz Ungewöhnliches gewagt: Er hat Riesling-Rebstöcke mitten in Israel, auf seinen Weinbergen, die nahe der Städte Binyamina und Zichron Yaakov sowie in den nördlichen galiläischen Bergen liegen, eingepflanzt. In diesem Spätsommer wird er zum ersten Mal diese Weißweintrauben ernten, eine absolute Innovation in Israel. Schon mit seinem Rotwein hatte Margalit, eigentlich promovierter Chemiker, Neuland beschritten, denn auch dessen Trauben, eine eher für Bordeaux typische Mischung aus Cabernet Franc und Merlot, hatte vor ihm kein anderer Weinbauer in Israel angebaut.
Zwillinge Margalit und Löwenstein sind sogenannte Zwillinge oder »Twin Wineries«. Immer ein deutscher und ein israelischer Winzer bilden ein solches Paar und stehen in regem Austausch miteinander. Die Idee zu dieser Kooperation hatte Renée Salzman von Zag Wines Ltd., einem Exporthandel für israelischen Wein in Ra’anana, den sie und ihr Mann gemeinsam betreiben. Das war 2008. Seitdem ist ein stabiles Netzwerk und in einzelnen Fällen eine tiefe Verbundenheit und Freundschaft unter den Berufskollegen entstanden.
Salzman hatte auch die Idee zum »Ersten Deutsch-Israelischen Weingipfel«, der am Montag in den Hessischen Staatsweingütern des Klosters Eberbach im malerischen Rheingau organisiert wurde. Insgesamt elf Zwillingspaare waren eingeladen, um Gästen und Pressevertretern eine Auswahl ihrer besten Weine zu präsentieren. Dabei durfte jeder deutsche Winzer jeweils drei Weiß- und sein israelischer Partner drei Rotweine vorstellen und zum Probieren ausschenken.
Eine wunderbare Gelegenheit, um Deutsche und Israelis einander näherzubringen, wie Dan Shaham, Generalkonsul des Staates Israel für Süddeutschland, in seiner Begrüßungsansprache fand. »Dank des gemeinsamen Themas Wein können Deutsche und Israelis zusammen genießen und lachen«, sagte Shaham und dankte den Veranstaltern für ihr Engagement.
Klimawandel Auch Josef Schuster, Vizepräsident des Zentralrates, lobte das »unverkrampfte Miteinander«, das durch diese Initiative ermöglicht werde. Vor allem aber könne jeder vom Wissen des anderen profitieren: »Als Folge des Klimawandels müssen sich mittlerweile auch deutsche Winzer Gedanken über künstliche Bewässerungssysteme machen«, sagte Schuster. »Da haben ihre israelischen Partner einen deutlichen Wissensvorsprung.«
Interessanterweise beschreitet Yair Margalit auch bei der Bewässerung neue, ungewöhnliche Wege. »Wir geben unseren Weinstöcken nichts, nur Liebe«, sagt er und grinst schelmisch. Am Anfang, wenn die Rebstöcke noch klein seien, würden sie regelmäßig gegossen. Aber dann dehne er die Phasen, in denen sie kein Wasser bekämen, immer weiter aus, bis er ihnen gar nichts mehr gebe. Und das funktioniere hervorragend.
Sein »Zwillingsbruder« Reinhard Löwenstein ist schon sehr gespannt auf das Ergebnis dieses gewagten Experiments. Denn der Riesling sei die Traube, die am stärksten Eigenheit und Geschmack des jeweiligen Bodens, in dem sie gewachsen sei, zum Tragen bringe. Riesling vom Mittelmeer statt vom Rhein – von Margalits Weinberg sind es nur etwa 2,5 Kilometer bis zum Strand.
Experimente Eva Raps und Ze’ev Dunie sind das jüngste und elfte Zwillingspaar unter den Winzern. Aber so einträchtig, wie sie am langen Tisch nebeneinander stehen und abwechselnd weißen und roten Wein in die ihnen entgegengereckten Gläser schenken, scheint bereits in kurzer Zeit ein großes Einverständnis und Vertrauen zwischen ihnen gewachsen zu sein.
Beide sind Quereinsteiger im Weinanbau: Dunie hat früher experimentelle Kurzfilme gedreht. Eva Raps selbst ist erst vor Kurzem Winzerin geworden, aber seit vielen Jahren schon als Geschäftsführerin für den Verband Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter (VDP) tätig. Ihr Lebensgefährte, der Schweizer Urban Kaufmann, mit dem sie das Weingut Hans Lang im Rheingau übernommen hat, erwarb sich ursprünglich einen Namen als bedeutender Käseproduzent.
»Seit ich von dieser Idee gehört hatte, habe ich mir einen solchen Zwilling gewünscht«, erzählt Eva Raps und gibt Dunie einen behutsamen Stups in die Seite. Dass der Israeli hervorragend Deutsch spricht, habe dazu beigetragen, dass man einander sofort in jeder Hinsicht bestens verstanden habe. »Mein Vater war Berliner«, erzählt Ze’ev. »In meiner Kindheit haben wir zu Hause fast nur Deutsch gesprochen.«
Seine Domäne nennt er »SeaHorse«, obwohl er den Wein in Bar Giyora, mitten in den Jerusalemer Bergen, anbaut. Die einzelnen Weine sind nach seinen Lieblingskünstlern benannt: »Lennon« und »Antoine« (de Saint-Exupéry). Nur sein erster Wein trägt einen jüdischen Namen: Er heißt Elul, weil Dunie ihn im September geerntet hat. Als Filmemacher wollte Dunie in seinen Bilderfolgen den Bewusstseinsstrom ungehindert fließen lassen, dasselbe probiert er heute mit seinen Reben: »Nicht der Winzer macht den Wein, sondern die Trauben diktieren dem Produzenten, was er zu tun hat«, ist er überzeugt. Renée Salzman organisiert bereits den nächsten deutsch-israelischen Weingipfel. Geht es nach ihren Wünschen, wird der im nächsten Mai in Tel Aviv stattfinden.