Als das Berliner Projekt »House of One« vor zwei Jahren mit einer ersten PR- und Spendenkampagne an die Öffentlichkeit ging, mischte sich begeistertes Staunen mit verhaltener Skepsis. Der auf dem Petriplatz in Mitte geplante, vom Architektenbüro Kuehn Malvezzi entworfene interreligiöse Bau soll dereinst eine Synagoge, eine Moschee und eine Kirche beherbergen, gruppiert um einen zentralen Raum der Begegnung. Drei große Religionen unter einem Dach – kann das gutgehen?
»Die Frage geht am Anliegen vorbei«, sagt dazu Rabbiner Andreas Nachama, der die jüdische Seite im Vorstand des Trägervereins vertritt. »Das ›House of One‹ ist eine unglaubliche Chance, Verständnis und Toleranz zwischen den Religionen zu wecken«, meint der Rabbiner und Vorsitzende des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.
Erreicht werden sollen keineswegs nur Christen, Juden und Muslime. »Wir ermuntern ausdrücklich alle Menschen guten Willens, mit uns ins Gespräch zu kommen und auch ihre Fragen, Zweifel oder Kritik mit in den Dialog zu tragen«, bekräftigt Pfarrer Gregor Hohberg von der evangelischen Kirchengemeinde Marienkirche, selbst einer der Gründungsinitiatoren.
Ähnlich äußert sich Imam Kadir Sanci vom muslimischen Forum für interkulturellen Dialog. Das gleichberechtigte Miteinander der Religionen und die offene Atmosphäre in diesem Projekt gebe den Muslimen in der Stadt ein Gefühl »öffentlich wahrnehmbarer Heimat«, so Sanci. Auch die Jüdische Gemeinde zu Berlin, das Abraham Geiger Kolleg Potsdam und die Stadtverwaltung bringen sich ein.
debatte Aber nicht alle sind von der Idee begeistert. Kritiker werfen ein, dass der Platz für solch ein Projekt nicht vernünftig ausgewählt sei oder die Chancen eines interreligiösen Dialogs überbewertet würden. Natürlich könnte auch das Gift terroristischer Anschläge bis in die Debatten um das Projekt hinein wirken, und Initiatoren und Unterstützerkreis müssen mit dem Vorwurf rechnen, religiös begründete Gewalt von einzelnen Messerattacken bis hin zu großen Kriegen naiv auszublenden.
Doch die Männer und Frauen vom House of One bewahren ihre Vision, ohne sich den Schrecken der jüngsten Zeit zu verschließen. »Als wir von dem brutalen Terroranschlag auf die katholische Kirche in der Nähe des französischen Rouen erfahren haben«, berichtet Andreas Nachama, »war das sofort ein Thema unter uns. Zusammen mit Imam Sanci und Pfarrer Hohberg haben wir umgehend ein Beileidsschreiben an den Berliner Erzbischof Heiner Koch gesandt und ihm unserer tiefen Anteilnahme versichert. Das war uns wichtig.«
Zwischen den drei Geistlichen Hohberg, Sanci und Nachama hat sich ein guter Teamgeist eingespielt. Gemeinsam besucht das Trio Schulklassen, Vereine, Religionsgemeinden und weitere Kreise, die sich für interreligiöse Themen oder einfach nur für das Miteinander der Kulturen interessieren. »Erstaunlich viel Resonanz erleben wir bei der Jugend«, freut sich Nachama. »Häufig kommen Berliner Schulen auf uns zu und wollen mehr über die Idee des House of One erfahren.«
Umgekehrt haben Nachama und Hohberg auch schon Schülergottesdienste in der Berliner Marienkirche mitgestaltet und Sportveranstaltungen des Berliner »Forums Ziviler Friedensdienst« begleitet. Jährlich im September gibt es zudem eine gemeinsame Gedenkfeier für die Opfer des 11. September 2001 – und für alle anderen Opfer sinnlosen terroristischen Mordens in dieser Welt.
Engagement Über öffentliche Aufmerksamkeit konnte sich das House of One bisher nicht beklagen. Weit schwieriger scheint es dagegen, den gewaltigen Finanzierungsbedarf für das Projekt zu sichern. Auf 43,5 Millionen Euro werden die Gesamtkosten beziffert, davon allein 34 Millionen Euro an Baukosten. Vieles soll durch eine Crowdfunding-Kampagne hereingeholt werden, und von Anfang an gab es spontanes Engagement. So steuerten die Bildungs- und Wissenschaftsförderungs gGmbH Düsseldorf, vertreten durch Michaela Streimel und Jochen Lüdicke, und das Stuttgarter Lehrhaus/Stiftung für interreligiösen Dialog, vertreten durch Karl-Hermann Blickle, das Stiftungskapital von 273.000 Euro bei.
Dennoch: Lange Zeit zeigte das Spendenkonto des House of One weniger als eine Million Euro an – bis es nun einen ersten kleinen Durchbruch gab. 3,4 Millionen Euro wurden dem Projekt im Juli durch das Programm »Nationale Projekte des Städtebaus« bewilligt. 2,2 Millionen Euro davon kommen vom Bundesbauministerium, 1,1 Millionen vom Land Berlin, und 100.000 Euro sind als Eigenanteil aufzubringen. Eine weitere wichtige Hilfe: Durch verschiedene Förderbeträge der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg–schlesische Oberlausitz (EKBO) werden personelle Kosten mitgetragen, und öffentliche Förderung gibt es wiederum für begleitende Programme wie das Social-Media-Programm.
grundstein Die Signale stehen also auf Fortschritt, und bei Beteiligung weiterer Förderer aus dem In- und Ausland wird eine Grundsteinlegung im Frühjahr 2019 immer wahrscheinlicher. »Ein großer und verheißungsvoller Schritt ist damit geschafft«, freut sich Vorstandsmitglied Roland Stolte. »Weitere Großspenden sind schon in Aussicht«, ergänzt Rabbiner Nachama – doch hält er sich über die möglichen Geber mit freundlicher Miene noch bedeckt. »Es gibt aber Gewissheit, dass wir in absehbarer Zeit die 10-Millionen-Grenze erreichen werden, und bei dieser Marke ist dann auch der Baubeginn möglich.« Ist dieses Ziel erst einmal erreicht, könnte zudem noch eine Finanzierungszusage des Deutschen Bundestages in Höhe von 800.000 Euro greifen.
Daneben belegen Hunderte kleinerer privater Spenden aus der ganzen Welt, wie viele Menschen sich ein wegweisendes gemeinsames Projekt der drei monotheistischen Religionen wünschen. Ihr Anteil mag, in bloßen Zahlen gesehen, relativ gering ausfallen – moralisch dürfte er aber umso schwerer wiegen.