Frankfurt

Resilienz finden

Laura Cazés (l.) und Hanna Veiler (r.) haben gemeinsam mit Sabena Donath das Summit in Frankfurt organisiert. Foto: Debi Simon

Im Eingangsbereich stehen Menschen versunken in freundliches Geplauder, vertieft in ernste Gespräche. Einige kennen sich bereits, andere treffen gerade zum ersten Mal aufeinander. Es ist ein lang ersehnter Termin: Der diesjährige Jewish Women* Empowerment Summit findet in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt statt.

Aus dem gesamten deutschsprachigen Raum kommen jüdische nicht-binäre Personen, Queers und Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahren zusammen, die sich aktivistisch, pädagogisch, künstlerisch, akademisch oder persönlich mit jüdisch-feministischen Themen auseinandersetzen. Zum sechsten Mal laden die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST), die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) und die Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden zu der Konferenz ein.

In diesem Jahr lautet das Thema der Konferenz »#metoo unless you’re a Jew?«.

In diesem Jahr lautet das Thema der Konferenz »#metoo unless you’re a Jew?«. Sie widmet sich den Auswirkungen des 7. Oktober 2023 und der Folgezeit auf jüdische queere Personen und Frauen weltweit.

Innerjüdische Positionen plural darstellen

Die Direktorin der Bildungsabteilung, Sabena Donath, betont, dass sie innerjüdische Positionen plural darstellen möchte. Die dritte und vierte Generation nach der Schoa träten selbstbewusst und selbstbestimmt auf, nähmen sich den Raum in öffentlichen Debatten und schilderten die Erfahrung kämpferisch und selbstbewusst. Die erste und zweite Generation nach der Schoa hatten gehofft, dass sie als erste Generationen ohne Massaker aufwachsen. Doch mit dieser Hoffnung wurde am 7. Oktober gebrochen. Als Folge davon finde eine Retraumatisierung statt. Zudem stehe der Staat Israel als sicherer Ort des Rückzugs infrage.

Besonders eindrücklich spricht die Professorin Cochav Elkayam-Levy, Expertin für feministische Theorie und Jura, über die von ihr gegründete Zivilkommission für Verbrechen der Hamas gegen Frauen und Kinder vom 7. Oktober.

Diese Kommission erfasst und dokumentiert systematisch und datenbankgestützt Beweise für die an diesem Tag begangenen Straftaten. Die geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt werde durch Aussagen von Überlebenden, Zeugen, Gerichtsmedizinern, Ersthelfern, der Polizei und sogar von den Terroristen selbst belegt. Die Dokumentation erfolge parallel zu den Ermittlungen der israelischen Polizei und in Zusammenarbeit mit dem Militär.

Cochav Elkayam-Levy prägt den Begriff des »Kinocide« – gezielte Angriffe auf Familien.

Eindrücklich berichtete auch ein Artikel aus dem Dezember 2023 über die zweimonatige Untersuchung der »New York Times«, die schmerzliche neue Details aufdeckte: Die Angriffe auf Frauen am 7. Oktober seien keine Einzelereignisse gewesen, sondern Teil eines umfassenden Musters geschlechtsspezifischer Gewalt. Zur selben Zeit berichtete auch die »Washington Post« über den Einsatz von Vergewaltigung als Kriegswaffe.

Ein Begriff, den Cochav Elkayam-Levy im Zusammenhang mit den Angriffen prägte, ist »Kinocide«, der die gezielten Angriffe auf Familien beschreibt. Die Hamas beging gewalttätige Sexualverbrechen an Frauen, Männern und jungen Mädchen und folterte Familienmitglieder, bevor sie sie tötete oder in den Gazastreifen entführte.

Psychosoziale Aufarbeitung der Gräueltaten

Über die psychosoziale Aufarbeitung der Gräueltaten in Deutschland sprach die Gründerin von OFEK, der Beratungsstelle für antisemitische Gewalt und Diskriminierung, mit der Professorin für Soziale Arbeit, Friederike Lorenz-Sinai. Sie berichtete, dass der 7. Oktober einen tiefen Einschnitt für jüdische Frauen und Queers darstelle.

Seit 2010 wird die dritte und vierte Generation nach der Schoa als Teil der Betroffenenbewegung verstanden, für die der 7. Oktober einen regelrechten Bruch darstellt. Bis dahin hätten sie nicht erlebt, dass gezielte, sexualisierte Gewalt als Terrorwaffe eingesetzt wurde. Viele hätten den Gedanken »Das hätte ich sein können« verspürt und müssten gleichzeitig erleben, dass ihr Umfeld die Taten leugnet oder nicht wahrnimmt.

Diese Parallelität – die Anstrengung, die in die Aufarbeitung gesteckt wird, die fehlende Anerkennung der Taten und die Auseinandersetzung mit der eigenen Erfahrung, antisemitisch angegriffen zu werden – führe bei vielen zu einem Gefühl des Verlustes einer politischen Heimat.

Als hilfreich empfinden viele die Rückbesinnung auf die Gemeinschaft, in der Erfahrungen gesammelt und geteilt werden können. Organisationen wie RIAS (Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus) und Veranstaltungen wie der Summit seien daher wichtig, um wieder eine Sprache für das Erlebte zu finden, so die Expertin.

Verarbeitung erlebter Emotionen

Die jüdische Erfahrung fand auch in künstlerischen Darstellungen Ausdruck. So präsentierte das Institut für Neue Soziale Plastik in einer szenischen Lesung eine neue Interpretation der Verarbeitung erlebter Emotionen.

Ab dem zweiten Tag des viertägigen Summit wurde außerdem der Raum für »Jewishness« eröffnet, in dem unter anderem über die Bedeutung von »Chavruta« gesprochen wurde, einem Begriff, der Gemeinschaft und Freundschaft umfasst. Auch das gemeinsame Feiern des Schabbats wurde ein Teil dessen.

Gemeinsam das Erlebte verarbeiten, sprechen, trauern, Stärke finden.

Der vierte und letzte Tag des Summit wurde von der Nachricht von der Ermordung von sechs weiteren Geiseln überschattet. Die Teilnehmerinnen kamen in einem Sitzkreis zusammen, umarmten sich, in ihren Gesichtern war die Erschütterung zu sehen. In diesem Moment wurde die Wichtigkeit und Notwendigkeit des Summit besonders deutlich.

Der Austausch unter Jüdinnen, der die Gemeinschaft stärkt und bestätigt, ermöglicht es, Trauer zuzulassen, ohne Angst haben zu müssen, dass einem die Berechtigung zur Trauer abgesprochen wird. Trotz der sehr unterschiedlichen Auslegung des eigenen Jüdischseins kann in dieser Gemeinschaft die Resilienz gestärkt und das Erlebte verarbeitet werden.

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