Ein Fundament der Demokratie ist die Gleichwertigkeit aller Menschen. Ebendiese Gleichwertigkeit steht im Widerspruch zu der Sure 8, Vers 12 und 13, im Koran, die zu Gewalt gegen die anderen aufruft und dabei die göttliche Unterstützung verspricht.» Mit dieser Einleitung richtete Abraham de Wolf, Sprecher des Arbeitskreises Jüdischer Sozialdemokraten (AKJS), seine Frage an Hamideh Mohagheghi. Auf einem Workshop des AKJS zum Thema Religionen im säkularen Staat sollte sie am vergangenen Samstag erörtern, was es mit diesem Vers auf sich hat und ob der Islam die Demokratie befürworten könne.
Mehr als 20 Minuten sprach die aus dem Iran stammende Juristin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften an der Universität Paderborn über dieses Thema. Mohagheghi erklärte, dass der Vers zu Missverständnissen führe, weil er aus dem Zusammenhang gerissen werde. Das Wesentliche ihrer Erläuterung: Es geht darin um einen bestimmten Konflikt, die Aussage darf nicht verallgemeinert werden. Nicht alle Verse des Korans sind Handlungsanweisungen.
Jüdische Sicht Schwierige Fragen richtete Abraham de Wolf auch an die anderen vier Referenten des Workshops, den der AKJS anlässlich seiner Jahrestagung veranstaltete. Dem Impulsreferat von Thorsten Schäfer-Gümbel, Landesvorsitzender der SPD Hessen, zum Verhältnis von Grundgesetz und Religionsfreiheit folgten Ausführungen von Elisa Klapheck, liberale Rabbinerin der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Sie sollte erläutern, wie aus jüdischer Sicht zu reagieren gewesen wäre, wenn der Bundestag mehrheitlich die Beschneidung verboten hätte. Als zentrale Aussage ihrer Erläuterungen lässt sich festhalten: «Aus dem religiös-säkularen Diskurs heraus den Weg des Gangbaren wählen.»
Bischof Martin Hein, Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, sollte sich zum Menschenbild der evangelischen Kirche äußern. Wolfgang Pax, Leiter des Kommissariats der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen, kam wiederum die Aufgabe zu, Stellung zu der Eröffnungsrede des Kardinals Faulhaber zum katholischen Kirchentag im August 1922 zu beziehen. Kernsatz dieser Rede sei, so Abraham de Wolf in seiner Überleitung an Bischof Pax: «Gottesrecht bricht Staatsrecht.» Der katholische Geistliche stellte gleich zu Beginn seiner Ausführungen fest: «Ich kann ganz klar mit ›Nein‹ antworten. Heute sagt das keiner mehr.» In seinem mehr als eine Viertelstunde dauernden Vortrag ging er sodann auf Hintergründe ein.
Die rund 40 Teilnehmer des Workshops hörten mehr als 90 Minuten den fünf Referenten zu. Die Diskussion leitete ein Zuhörer ein, indem er die Vorträge als «exegetischen Exzess» beschrieb, der ihm in der Praxis als Schulleiter wenig helfen würde. Es sei ein intellektueller Austausch, doch den «Durchschnittsmenschen mit all seinen Vorurteilen» erreiche solch ein «Dialog der Eliten» nicht.
Grundlagen Das Thema des Workshops «Religionen im säkularen Staat» hatte der Vorstand des AKJS aber nicht zufällig gewählt, die Vorträge und die sich anschließenden Diskussionen dienten als Grundlagen für ein Papier, mit dem sich die jüdischen Sozialdemokraten in Bezug auf Flüchtlinge positionieren wollen. «Wir arbeiten noch daran», erklärte Abraham de Wolf nach der Jahrestagung. Mit dem Positionspapier wolle der Arbeitskreis keine Steilvorlage für Pegida bieten, aber auch die Probleme nicht verdrängen.
Eines dieser Probleme sei, dass die Flüchtlinge aus autoritären Staaten, korrupten und undemokratischen Gesellschaften stammten, in denen Eigenverantwortung nicht honoriert werde. Es gehe daher um die Frage, wie Christen, Juden und Muslime sich «offensiv für demokratische Werte einsetzen» könnten. Das Papier, kündigte der Sprecher des Arbeitskreises an, werde im neuen Jahr veröffentlicht und werde Stellung beziehen zu Bildung und Verantwortung in Religionsgemeinschaften.