Es ist viel mehr als eine autobiografische, deutsch-jüdisch-amerikanische Geschichte der Gegenwart. Es ist der persönliche Erfahrungsbericht einer Vertreterin der zweiten Generation – die Geschichte von Judith Levi, 1944 in eine aus Deutschland stammende jüdische Einwandererfamilie geborene und überzeugte New Yorkerin, die viele Jahre ihres Lebens ein indifferent bis negatives Bild von der einstigen Heimat der Eltern hatte.
Ein Bild von einem Deutschland, das sich bei Judith Levis erstem Besuch im Jahr 1998 radikal ändern sollte. Eine Reise der Versöhnung. Eine Jüdin entdeckt ein verändertes Deutschland hat sie deshalb ihr Werk genannt, das im Verlag Hentrich & Hentrich erschienen ist. Am vergangenen Montag stellte sie es in den Räumen des Zentrums für jüdische Studien Berlin-Brandenburg in Berlin vor.
Pogromnacht Eine israelische Cousine, die auf Einladung des nordrhein-westfälischen Bildungsministeriums Deutschland und das rheinland-pfälzische Städtchen Mayen, den Heimatort von Levis Vater, besucht hatte, erzählte ihrer Cousine anschließend von ihren positiven Erlebnissen. Insbesondere die Schilderungen über eine von der Stadt organisierte Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Pogromnacht vom 9. November 1938 weckten Levis Interesse.
Ein Jahr später, zum 60. Jahrestag der Pogromnacht, nahm Levi selbst an der Gedenkzeremonie in Mayen teil. »Der erste Besuch in dem Heimatort meines Vaters war ein unvergessliches Erlebnis«, schreibt sie später. »Ich habe in diesen wenigen Tagen viele tolle Erfahrungen gemacht und so herzliche Menschen kennengelernt, die sich im deutsch-jüdischen Dialog engagieren.« In ihrem Tagebuch notiert sie: »Ich stelle langsam fest: Deutschland scheint seinen Giftzahn verloren zu haben.«
Seit ihrem ersten Besuch ist Levi 13-mal in Deutschland gewesen. »Mit der Zeit lernte ich einen sehr deutschen Teil meiner Identität kennen. Neben dem amerikanischen und jüdischen. Es war ein Gefühl, als würde ein fehlender Arm meinem Körper zurückgegeben«, sagt die 72-Jährige heute. Vor Schulklassen und interessierten Gruppen in Deutschland und Amerika hält sie Vorträge über ihre Erfahrungen und ihre Auseinandersetzung mit Versöhnung und Vergebung. Für ihren Einsatz im deutsch-jüdischen Dialog erhielt Levi 2015 das Bundesverdienstkreuz.