Seit dem vergangenen Samstag greifen die Regelungen des vierten Bevölkerungsschutzgesetzes, der sogenannten bundeseinheitlichen Corona-Notbremse. Das Gesetz sieht unter anderem nächtliche Ausgangsbeschränkungen und verschärfte Kontaktregeln ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Corona-Fällen pro 100.000 Einwohner in einem Landkreis vor. Religiöse Zusammenkünfte sind von den Beschränkungen, die das Gesetz beinhaltet, ausgenommen. Es gelten weiterhin die diesbezüglichen Maßnahmen der Länder.
Auch wenn die »Notbremse« keine neuen Einschränkungen der Religionsausübung mit sich bringt, verzichten einige Gemeinden auf Präsenzgottesdienste. Einige tun es unfreiwillig. »Abweichend von § 6 der 12. BayIfSMV sind Gottesdienste und religiöse Zusammenkünfte jeglicher Glaubensausrichtung in Präsenzform auf dem Gebiet der Stadt Hof untersagt«, heißt es in einer Allgemeinverfügung der bayerischen Stadt, die am 10. April erlassen und am vergangenen Samstag aktualisiert wurde. Zudem gilt in Hof ab 20.30 Uhr eine Ausgangssperre. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag dort laut Robert-Koch-Institut zu Wochenbeginn bei über 300.
Ausgangssperre Die Israelitische Kultusgemeinde Hof darf seit mehr als zwei Wochen keine Gottesdienste durchführen. »Da unsere Mitglieder zumeist ältere Menschen sind, deren Hauptsprache Russisch ist, fehlt ihnen der menschliche Kontakt des Gottesdienstes«, berichtet Gemeindevorsitzender Jakob Gonczarowski.
Im baden-württembergischen Mannheim lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Montag über 200. »Bei solch hoher Inzidenz können wir momentan mit keinen Gottesdiensten rechnen«, sagt Amnon Seelig, Kantor der Jüdischen Gemeinde Mannheim. »Wir überlegen die Durchführbarkeit von Gottesdiensten außerhalb des Gemeindehauses, am Vorplatz der Synagoge, es ist aber noch nicht klar, ob das praktisch ist«, berichtet er. »Wenn überhaupt, werden wir nur Abendgottesdienste draußen feiern können, da sie kurz sind und wir dann die Torarolle nicht aus der Synagoge tragen müssen, was sowohl technisch als auch halachisch fraglich ist.«
Ob es in Oldenburg an Schawuot Hybrid-Gottesdienste geben kann, ist heute noch nicht gewiss.
Die Gemeinde veranstalte, so Seelig, per Zoom jeden Freitagabend einen gekürzten Kabbalat Schabbat und jeden Schabbatausgang eine Hawdala-Zeremonie. »Unsere Gemeindemitglieder nehmen daran gern teil«, berichtet der Kantor. Zugleich betont er: »Ich persönlich vermisse die Synagoge sehr und fühle mich ohne die Regelmäßigkeit des gemeinsamen Gebets schon ein bisschen verloren.«
Minjan In der niedersächsischen Stadt Oldenburg lag die Sieben-Tage-Inzidenz zu Wochenbeginn bei 118. »Wir werden in jedem Fall weiterhin Gottesdienste anbieten«, sagt Elisabeth Schlesinger, Erste Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde. Das bedeutet schon seit Beginn der zweiten Corona-Welle im vergangenen Herbst »reine Online-Gottesdienste, an denen die Beter über Zoom von zu Hause aus teilnehmen können. Unsere Rabbinerin Alina Treiger besteht dabei darauf, dass es auch in der ›virtuellen Synagoge‹ einen Minjan geben muss und mindestens zehn Beter auch in derselben Zeitzone leben müssen«, erläutert Schlesinger. »Bei der Toralesung, die dann aus dem Tikkun erfolgt, werden keine Segenssprüche gesagt, aber sonst läuft der Gottesdienst in etwas gekürzter Form prinzipiell genauso ab wie auch die Präsenzgottesdienste in der Synagoge.«
Die weitere Entwicklung ist in Oldenburg, wie auch andernorts, noch nicht abzusehen. Elisabeth Schlesinger berichtet: »Es ist noch nicht klar, ob wir an Schawuot ab Mitte Mai vorsichtig wieder zu sogenannten Hybrid-Gottesdiensten zurückkehren können.« Das bedeutet: »Eine begrenzte Anzahl von Betern unter Einhaltung aller Corona-Regeln vor Ort in der Synagoge und dann von dort aus die gleichzeitige Online-Übertragung per Zoom.«
Wie auch immer die Entscheidung ausfällt, für Schlesinger gibt es dafür ein klares Kriterium: »Oberste Priorität bei allen unseren Entscheidungen hat für uns Pikuach Nefesch, der Schutz von Leben und Gesundheit.«