Im August, denkt man, ist nichts los, alle sind im Urlaub. Doch das stimmt nur bedingt. Denn für die Idee eines Tagesausflugs nach Nürnberg – angeregt von Bernhard Purin und Rachel Salamander – trommelten die B’nai-B’rith-Loge München und die Mitzwe Makers auf Anhieb fast zwei Dutzend Interessierte zusammen. Bequemer als im klimatisierten Bus, aufmerksam betreut durch Logen-Schatzmeister David Leschem, konnte man die Exkursion in die deutsch-jüdische Vergangenheit und Gegenwart nicht antreten.
Ein Besuch des Dokumentationszentrums am ehemaligen Reichsparteitagsgelände, Mittagspause bei der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg und unterwegs auf jüdischen Spuren in Georgensgmünd – erkenntnisreicher hätten die drei Etappen des Ausflugs nicht sein können. Das lag auch an der wohldosierten Vielfalt der Themenschwerpunkte und dem Engagement der drei Guides. Passend zu den Orten wechselten ihre Sprachen von akkuratem Hochdeutsch über Deutsch-Jiddisch mit russischem Akzent bis zu reinstem Fränkisch.
Ausstellung Im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände ist noch bis zum 26. November die beeindruckende Sonderausstellung Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit zu sehen. Andreas Puchta, sonst im Germanischen Nationalmuseum tätig, charakterisierte den Architekten und Rüstungsminister Speer (1905–1981) pointiert als frühen Meister von »Fake News« und nach dem Untergang des NS-Regimes als PR-Genie in eigener Sache.
Speer ließ den berüchtigten Fackelzug am 30. Januar 1933 am Brandenburger Tor, bei dem der Eindruck von über 200.000 Teilnehmern entstand, mit 11.000 Statisten und nachgestellten Bildern im Sommer 1933 festhalten. An den Legenden, genauer gesagt: Lügen, er habe von den Nazi-Verbrechen nichts gewusst, strickte er schon im Nürnberger Prozess. Bestürzt registriert man, dass er mit Geld – wohl aus dem Verkauf zweier Bestseller – auch Persönlichkeiten wie dem »Nazijäger« Simon Wiesenthal Sand in die Augen streute.
Im Foyer des 2016 eröffneten neuen Gemeindezentrums erwartete der gastfreundliche Rabbiner Shimon Grossberg, der aus Uman in der Ukraine über Israel, Osnabrück und Hanau nach Nürnberg gelangte, die Reisegesellschaft. In München war die Hauptsynagoge ab 9. Juni 1938 aus »verkehrstechnischen Gründen« abgerissen worden. Der wunderschönen orientalischen Nürnberger Synagoge erging es ab dem 10. August 1938 ebenso. Ein Modell davon sowie ein Giebelstein aus dem Toraschrein der 1499 zerstörten ersten Synagoge künden von der einstigen Pracht.
malereien Dazu passte der Abstecher nach Georgensgmünd, wo eine Landsynagoge von 1735 mit Schablonenmalereien (vermutlich stammen sie von dem bedeutenden polnischen Synagogenmaler Eliezer Sussmann), zwei Mikwaot und Beständen einer alten Genisa erhalten geblieben sind; ebenso wie der 1723 angelegte Friedhof, auf dem 1948 die letzte Bestattung, die eines Holocaust-Überlebenden, stattfand.
Nachdenklich gestimmt, ergab sich für die Reisegruppe auf dem Rückweg noch ein Naturschauspiel. Die Sonne verabschiedete sich im Westen als rotgoldener Lampion.