Podcast

Reden statt Schweigen

Auch auf die kommenden Podcast-Gespräche darf man gespannt sein. Foto: Maria Ugoljew

Wie kann man auf antisemitische, rassistische, muslimfeindliche und homophobe Angriffe in Berlin reagieren? Das ist eine Frage, die sich die Initiatoren der Kampagne »Solidarisch gegen Hass« gestellt haben. Anstatt den Entwicklungen schweigend beizuwohnen, haben sie sich dazu entschieden, jene Menschen miteinander zu vernetzen und ins Gespräch zu bringen, die sich gegen Hasskriminalität engagieren. Coronabedingt geschieht das Vernetzen nun in Form eines Podcasts.

»Ausschlaggebend für die Idee war, dass wir aufgrund der Kontaktbeschränkungen zum Infektionsschutz keine Treffen und Aktionen organisieren konnten und können«, sagt Michaela Bechtel-Hirsch. »Um die Menschen dennoch zu erreichen, bot sich ein Podcast im Interview-Format an«, so die Soziologin. Gemeinsam mit dem Informatiker und Journalisten Jan Aaron Hammel konzipiert sie die Folgen und führt die Gespräche.

Im Dezember vergangenen Jahres ist die erste Episode online gegangen. Darin erläutern die Macher ganz grundsätzlich, was es mit dem Projekt auf sich hat, stellen sich persönlich vor und lassen Unterstützer zu Wort kommen.

GRUNDIDEE Außerdem gehen sie auf das Fundament ihrer Kampagne ein – die »Berliner Erklärung bürgerschaftlicher Solidarität«. Diese wurde gemeinsam mit dem Bildungszentrum Chabad Lubawitsch Berlin, der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, der Initiative Stopp Antisemitismus, der Landesstelle für Gleichbehandlung und dem Jüdischen Bildungswerk für Demokratie – gegen Antisemitismus Jehi’Or verabschiedet.

»Ich komme aus Israel, und ich bin Jude«, berichtet Rapper Ben Salomo im Gespräch.

Darin seien die Prinzipien, Werte und Normen festgehalten, auf die sich ihre Initiative beruft, erklärt Michaela Bechtel-Hirsch. »Die ›Berliner Erklärung für bürgerschaftliche Solidarität‹ nimmt Bezug auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und auf die Verfassung von Berlin«, sagt sie. »Sie macht schließlich deutlich, dass vorurteilsmotivierte Hasskriminalität und Hetze Angriffe auf unsere bürgerschaftliche Gemeinschaft sind und als solche nicht hingenommen werden.«

Vielmehr müsse für die freiheitliche, demokratische und rechtsstaatliche Grundordnung, die die Rechte und Freiheiten jedes einzelnen Menschen sichert, eingestanden werden.

Was Hasskriminalität bedeutet, erfuhr Jan Aaron Hammel nicht erst aus den Medien. Er wurde 2019 selbst Opfer eines antisemitisch motivierten Übergriffs. Eine Tat, die sich am helllichten Tag ereignet hatte. Kurz zuvor war Rabbiner Yehuda Teichtal vom Bildungszentrum Chabad Lubawitsch Berlin angegriffen worden.

Er startete daraufhin eine Social-Media-Kampagne unter dem Titel »Wer bin ich«. Aus dieser Grundidee heraus – sich aufgrund des antisemitischen Übergriffs nicht ins Private zurückzuziehen, sondern vielmehr die Öffentlichkeit zu suchen – entwickelte sich die Idee zur Kampagne »Solidarisch gegen Hass«.

ÖFFENTLICHKEIT Der Podcast sei bisher sehr positiv aufgenommen worden, sagt Michaela Bechtel-Hirsch. »Auch das Feedback der Gesprächsgäste ist sehr gut. Der Podcast wurde von Anfang an sehr gut angenommen und sowohl die Zahl der Abonnentinnen und Abonnenten als auch die Zahl der Einzelabrufe hat unsere Erwartungen bisher übertroffen. Es zeigt uns, dass unser Angebot und die Themen die Menschen interessieren und es hier Bedarf gibt«, sagt die Mitinitiatorin. Für die zweite Episode luden Jan Aaron Hammel und Michaela Bechtel-Hirsch den Rapper Ben Salomo und den Autor Uwe Wilhelm zum Gespräch ein. »Wir haben die Gesprächspartner online zugeschaltet«, erklärt die gebürtige Triererin.

»Aufgrund der derzeitigen Kontaktbeschränkungen nehmen wir die Folgen mit einer Podcast-Interview-Software für Fernaufnahmen auf.« Trotz dieser Einschränkung funktioniere das Interviewformat gut.

In der dritten Episode geht es um 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.

Rapper Ben Salomo berichtet in der Folge unter anderem über seine ersten antisemitischen Erfahrungen, die er bereits als Elfjähriger gemacht hat. »Mein bester Freund fragte mich eines Tages, was ich bin und woher ich komme«, sagt der 44-Jährige. »Im Alter von elf, zwölf, 13 Jahren, da tauchte diese Frage in Berlin-Schöneberg, wo ich damals aufwuchs, ziemlich oft auf, weil das so ein multikulturell geprägter Bezirk war.«

Menschen, die »eher deutsch« aussahen, seien von dieser Frage nicht betroffen gewesen. Aber jene wie er, die »exotischer, südländischer« aussahen, schon. Er habe seinem Freund geantwortet: »Na ja, ich komme aus Israel, und ich bin Jude.«

Am nächsten Tag sei er von ihm und zwei älteren Jungs erst verbal angegriffen worden – »und dann hat mein bester Freund mich gepackt, und dann kam es zwischen uns beiden zu einer kleinen Prügelei, aus der ich dominierend hervorgegangen bin, weil ich Glück hatte«.

Seitdem ziehe sich die antisemitische Thematik wie ein roter Faden durch sein Leben, sagt Ben Salomo, dessen eigentlicher Vorname Jonathan ist.

AUSBLICK In der dritten Episode von »Solidarisch gegen Hass« unterhalten sich Michaela Bechtel-Hirsch und Jan Aaron Hammel mit Axel Drecoll, dem Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Ihr Thema: die jüdische Geschichte auf dem Gebiet des heutigen Deutschland, die 2021 seit 1700 Jahren besteht.

Auch die Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler, und der Bezirksbürgermeister von Spandau, Helmut Kleebank, machen bei der Folge mit.

Und auch auf die kommenden Podcast-Gespräche darf man gespannt sein. »Im April planen wir eine Episode mit der Journalistin und Moderatorin Dunja Hayali, die sich vielfach ehrenamtlich engagiert, unter anderem gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit«, verrät Michaela Bechtel-Hirsch.

»Zuvor, am 26. März, veröffentlichen wir eine Episode zu den diesjährigen Internationalen Wochen gegen Rassismus, die unter dem Motto ›Solidarität. Grenzenlos.‹ stehen«, so die Moderatorin. In Interviews und Statements werde man dann Berliner aus Politik und Zivilgesellschaft zu Wort kommen lassen.

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