Für Ralf Roth ist klar: »Die Frankfurter Sparkasse wollte ihren 200. Geburtstag feiern, aber sie wollte sich nicht entschuldigen.« Zweieinhalb Jahre hat der Historiker recherchiert, Daten aus vielen Quellen zusammengetragen und seine Ergebnisse in einer 150 Seiten umfassenden Festschrift festgehalten. Beauftragt hatte ihn das Institut für Bank- und Finanzgeschichte (IBF) im Namen der Frankfurter Sparkasse (Fraspa).
Zum monatelangen Streit kam es jedoch über die 20 Seiten zur NS-Zeit und die Jahre danach. Roth hatte recherchiert, dass Tausende jüdische Konten gesperrt und jüdische Sparer enteignet worden waren. Er war auf Einzelschicksale gestoßen, die er namentlich benannte und auch auf den Fall eines jüdischen Bankmitarbeiters, der zunächst unerkannt weiterarbeitete, später angezeigt und in der darauffolgenden Haft starb.
ZUSAMMENSPIEL Und er verwies in seiner Arbeit darauf, dass Täter und NS-Linientreue nach dem Krieg in Führungspositionen bei der Fraspa blieben. Er habe aufgezeigt, »wie der Staat im Zusammenspiel mit Finanzämtern und Geldinstituten Juden enteignete und ausraubte«, so Roth beim Vortragsabend in der Frankfurter B’nai B’rith Loge am Montag.
Den Auftraggebern im Institut und Sparkassen-Vorstand war das nicht recht. Sie hatten den Zugang zu hauseigenen Überlieferungen nicht freigegeben, empfohlen, eine hauseigene Studie eines früheren Mitarbeiters zu nutzen und sich vor allem auf die Nachkriegszeit zu konzentrieren. Der Historiker wollte hingegen Aufklärung leisten: Roth recherchierte in Quellen der Oberfinanzdirektion Kassel und in den rund 34 000 Akten der Devisenstelle Frankfurt im Hessischen Hauptstaatsarchiv.
Ralf Roth stieß bei seiner Recherche auch auf Verstrickungen mit dem NS-Machtapparat.
Die Devisenstellen der Finanzämter waren daran beteiligt, »jüdische Vermögen in Volksgut zu verwandeln«, so Roth. Zunächst war Juden der Zugriff auf ihre Konten begrenzt worden, später mussten Erlöse aus Immobilien oder Verkäufe auf Sicherungskonten einbezahlt werden. Die Akten der Devisenstelle sind laut Roth Quellen, die für sich selbst sprechen. »Man muss sie nur lesen.«
SPENDEN Roth stieß bei seiner Recherche auch auf Verstrickungen mit dem NS-Machtapparat etwa in Form üppiger Spenden der Sparkasse an den Gauleiter in Höhe von 100.000 Reichsmark. »Das war ein Viertel des Gewinns.« Er förderte Dokumente zu tage, die die Fraspa als NS-Musterbetrieb auswiesen – »im Sinne einer ordentlichen Arbeit bei der Enteignung der Juden«, berichtete er beim Logenabend vor viel Prominenz aus Politik und Stadtgesellschaft.
Zum Eklat kam es bei der Abgabe der Festschrift: Die nach Auskunft von Ralf Roth teilweise massiven Interventionen, Eingriffe und Löschungen in seinem Manuskript durch das Institut wollte er nicht akzeptieren. Roth spricht von Zensur und einem Politikum, die Auftraggeber von haltlosen Vorwürfen statt akademischer Begutachtung.
Nach monatelangem Streit haben die Fraspa und die Polytechnische Gesellschaft, Gründerin und Trägerin der Sparkasse bis 2005, nun das Fritz Bauer Institut mit einer Aufarbeitung ihrer NS-Vergangenheit beauftragt. Ralf Roth sieht seinen wissenschaftlichen Ruf geschädigt, zudem wurden Teile seines Honorars nicht gezahlt. Er will jetzt klagen.
GEWISSENHAFTIGKEIT Ralph Hofmann, Präsident der Frankfurter B’nai B’rith Loge, zeigte sich über die Vorgänge »erschüttert«. Rüdiger Helmold Freiherr von Rosen, ehemaliger Vorstandssprecher der Deutschen Börse und Ex-Präsident der Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wirtschaft, lobte Roth als gewissenhaften Historiker, mit dem die Gesellschaft Jahrzehnte zusammengearbeitet habe.
Andrea Schneider-Braunberger, Geschäftsführerin der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte, betonte, dass es eine Vielzahl an Unternehmen heute gebe, die »ihre Vergangenheit nicht schönschreiben wollen«. Sie vermutete, dass die Fraspa sich als Handlanger sehe, die gemäß damaliger Gesetze Geld jüdischer Sparer an staatliche Stellen überwiesen habe.
Die Frankfurter Sparkasse habe massiv an Glaubwürdigkeit verloren, sagte Benjamin Graumann.
Benjamin Graumann, Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, sprach von »einem exemplarischen Beispiel für Verweigerung und eine Kultur des Schweigens«. Der Fall zeuge von fehlender Empathie, Gleichgültigkeit und mangelndem Geschichtsbewusstsein. »Nur wer ehrlich ist, ist glaubwürdig.«
Die Frankfurter Sparkasse habe massiv an Glaubwürdigkeit verloren, sagte Graumann. Träger des Bankhauses sei heute die Helaba, die Landesbank Hessen Thüringen. Auch dort fehle es offenbar an Bereitschaft.
Dass nun das renommierte Fritz Bauer Institut die NS-Vergangenheit der Sparkasse und Polytechnischen Gesellschaft aufarbeiten soll, tröstet Ralf Roth keineswegs. Da das Institut vielbeschäftigt sei, werde es sicherlich lange dauern, bis ein Ergebnis vorliege. An ihm selbst klebe nun der Makel, schlecht gearbeitet zu haben. Auch deshalb will er sich anwaltlich dagegen wehren.