Frankfurt am Main

Ratsversammlung des Zentralrats in angespannter Zeit

Jedes Jahr im November tagt die Ratsversammlung des Zentralrats der Juden in Frankfurt am Main – aber eine Sache, die habe er in seinen 26 Jahren Teilnahme noch nie erlebt, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster an diesem Sonntag: dass die ganze Ratsversammlung aufsteht und singt.

Doch nach einer eindrücklichen Rede des israelischen Botschafters Ron Prosor erhoben sich spontan die knapp 90 Delegierten aus den deutschen Gemeinden, die Rabbinerinnen und Rabbiner, die Mitglieder des Zentralrats, und sangen alle zusammen »Am Israel Chai«.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Rabbiner Avichai Apel aus Frankfurt betonte gleich zu Anfang, wie klein eben dieses besungene »Am Israel«, das jüdische Volk, doch ist: Er kenne keinen, der keinen kenne, der von den aktuellen Ereignissen betroffen sei. »Wir sprechen von Millionen Menschen, die nun erneut traumatisiert sind – auch hier in unseren Gemeinden«, so Apel. Gemeinsam beteten die Anwesenden für die von der Hamas Entführten und hielten für die Ermordeten eine Schweigeminute ab.

»Der psychische Terror gegen die jüdische Gemeinschaft in Deutschland erzeugt eine Situation der abstrakten Angst, die unerträglich ist«, betonte Schuster in seiner Eröffnungsrede. »In dieser angespannten Zeit ist der Zusammenhalt der jüdischen Gemeinschaft, den wir zurzeit erleben, von unschätzbarem Wert.«

Es sei keine Zeit für innerjüdische Streitigkeiten, sagte auch die liberale Frankfurter Rabbinerin Elisa Klapheck. Sie sei froh, dass es in Frankfurt möglich sei, mit ihrem orthodoxen Kollegen unter einem Dach zu beten. »Manche nennen es das Frankfurter, manche das Hamburger oder Stuttgarter Modell«, erklärte die Rabbinerin. »In jedem Fall ist es ein Erfolgsmodell: alle unter einem Dach.«

Der israelische Botschafter betonte, am 7. Oktober habe die palästinensische Terrororganisation Hamas Juden abgeschlachtet, ohne einen Unterschied zu machen: Orthodoxe oder Reformer, politisch rechts oder links, arm oder reich. Ihr einziges Ziel war es, Juden zu ermorden. Und zwar möglichst viele, so wie es auch das Vorhaben der Hamas ist, das jüdische Volk weltweit auszurotten.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Bedrohung von außen

Die Bedrohung, so waren sich die Redner einig, komme von außen und der Antisemitismus von allen Seiten. Josef Schuster unterstrich die Bedeutung des staatlichen Schutzes für jüdisches Leben, ohne den ebenjenes in Deutschland schlicht nicht möglich sei.

Um genau diesen staatlichen Schutz ging es auch Innenministerin Nancy Faeser, die eigens zur Ratsversammlung angereist war, und sich nach ihrer Rede den Fragen und Sorgen der Delegierten widmete. Faeser räumte ein: »Seit Gründung der Bundesrepublik stand das jüdische Leben in unserem Land keiner so großen Bedrohung gegenüber wie jetzt.«

Wer Terror verherrliche, das Recht auf freie Meinungsäußerung für Antisemitismus und Relativierung der Massaker missbrauche, müsse die volle Härte des Rechtsstaats erfahren. »Unsere Botschaft bleibt klar und ohne Zweifel: Wir tun als Staat alles, um die Sicherheit von Jüdinnen und Juden zu gewährleisten.« Sie versprach den Anwesenden in mehreren Punkten ihren Worten Taten folgen zu lassen. Ihr Ministerium arbeite mit Hochdruck daran. Auch mit Blick auf den Umgang mit umstrittenen Islamverbänden kündigte Faeser Veränderungen an.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Verantwortung der Mehrheitsgesellschaft

Doch allein der Schutz von jüdischen Institutionen und Synagogen reiche eben nicht aus, da waren sich Faeser und viele Redner einig. So wurde unter anderem über Verbote von antisemitischen Demonstrationen und Vereinen gesprochen. Der Schutz von Jüdinnen und Juden liege zudem nicht nur in der Verantwortung der Polizei, sondern der gesamten Mehrheitsgesellschaft, betonte Faeser.

Und auch Rabbiner Apel sagte: »Man vertraut der Politik, der Polizei, aber man fragt sich, ob man dem Nachbarn vertrauen kann.« Am Abend vor der Versammlung war Rabbiner Apel auf offener Straße antisemitisch beleidigt worden. Die anwesenden Polizisten konnten drei Touristen aus Baden-Württemberg verhaften. Auch unter anderem in Berlin und Thüringen, wo libysche Asylbewerber eine Synagoge angriffen, gab es wieder judenfeindliche Übergriffe.

Am Nachmittag widmete sich die Ratsversammlung dann ihren traditionellen Aufgaben. Sie entlastete das Präsidium für 2022 und verabschiedete den Haushalt für 2024. Außerdem wurde das Gremium zum Prüfungsausschuss einstimmig gewählt.

Lesen Sie einen ausführlichen Bericht zum Thema in unserer Printausgabe von Donnerstag.

Hannover

Leib und Seele sind vereint

Die bucharische Gemeinde eröffnete in ihrem neuen Zentrum drei Mikwaot

von Michael B. Berger  16.09.2024

München

Wehmütig und dankbar

Die Religionslehrerin Michaela Rychlá verabschiedet sich nach knapp 30 Jahren in den Ruhestand

von Luis Gruhler  15.09.2024

Europäische Rabbinerkonferenz

Bayern »topsicherer Platz« für Juden

Vor einem Jahr verlegte die Europäische Rabbinerkonferenz ihren Hauptsitz nach München. Ein guter Schritt, sagt der Generalsekretär. Und schaut im Rückblick auch auf den 7. Oktober: »eine der größten Herausforderungen«

 15.09.2024

Berlin

Die Tora ist zurück

Große Freude bei Masorti über eine geschenkte Rolle aus den USA. Der Verein verleiht sie an die Synagoge Oranienburger Straße

von Christine Schmitt  14.09.2024

Porträt der Woche

Eine Geschichte des Lichts

Roy Shapira ist Maler, lebt in Frankfurt und unterrichtet hebräische Kalligrafie

von Eugen El  14.09.2024

Heinrich-Heine-Universität

Charlotte Knobloch wird Gastprofessorin in Düsseldorf

Die ehemalige Zentralratspräsidentin wird zwei Vorlesungen halten

von Nicola Trenz  14.09.2024

Interview mit dem IKG-Sicherheitschef

»Wir leben in einer anderen Welt«

Gilad Ben-Yehuda über den Anschlag in München auf das israelische Generalkonsulat, die allgemeine Bedrohungslage und Folgen des 7. Oktober

von Leo Grudenberg  13.09.2024

Berlin

ESC-Teilnehmerin eröffnet Jüdische Kulturtage

Bis zum 22. September stehen nach Angaben der Festivalleitung mehr als 40 Veranstaltungen mit deutschen, israelischen und internationalen Kulturschaffenden auf dem Programm

 13.09.2024

Duisburg

Mit Musik auf das Leben

Zum zweiten Mal richtete die Zentralwohlfahrtsstelle das »Festival der Chöre« aus. Mehr als 150 Sängerinnen und Sänger reisten aus zahlreichen jüdischen Gemeinden an

von Claudia Irle-Utsch  12.09.2024